Schienenverkehrswochen 2016

Viel erreicht und noch viel zu tun

Fahrgastsprechtag S-Bahn zum achten Mal mit Peter Buchner


Jens Fleischmann

9. Nov 2016

Mit über 100 Teilnehmern war der Fahrgastsprechtag S-Bahn wieder der Bestbesuchte in diesem Jahr. Foto: Florian Müller

Im Rahmen der Schienenverkehrs-Wochen veranstaltete der Berliner Fahrgastverband IGEB wieder mehrere Fahrgastsprechtage. Es begann am 19. September 2016 mit dem Sprechtag für die S-Bahn-Fahrgäste, bei dem sich Peter Buchner, Sprecher der Geschäftsführung der S-Bahn Berlin GmbH, wie gewohnt offen und souverän den Fragen und der Kritik des Publikums stellte. Als Veranstaltungsort diente die DB-Kantine nahe dem S-Bahnhof Nordbahnhof.

Aktuelle Performance, Kennzahlen

Die Pünktlichkeit hat sich 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbessert, muss und soll aber noch besser werden. Nach LeiDis, dem bahninternen Leitsystem, bei der eine Pünktlichkeitsschwelle von 3:59 Minuten gilt und Ausfälle nicht mit betrachtet werden, liegen die Werte um das interne Ziel und die Pönalegrenze von 96 Prozent herum. In vier der bisher acht vollen Monate lag der Wert darüber. Der Bestwert wurde dabei im März mit 97,32 Prozent erreicht. Nach dem Verkehrsvertrag, mit gleicher Pünktlichkeitsschwelle, aber Einbeziehung von Ausfällen,

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wurde das Ziel hingegen immer unterschritten, teils deutlich (91,96 Prozent im Januar), teils aber auch nur knapp (95,95 Prozent im März). Zur Verbesserung beigetragen hat auch der Tausch der S1- und S2-Fahrplantrassen im Nordsüd-S-Bahn-Tunnel. Im neuen Verkehrsvertrag wird die Pünktlichkeitsschwelle bei 3 Minuten liegen.

Im Jahr 2015 nutzten rund 417 Millionen Fahrgäste die Berliner S-Bahn, dies sind 0,7 Prozent mehr als im Jahr davor, trotz 3,5-monatiger Sperrung des Nordsüd-S-Bahn-Tunnels und GDL-Streikmaßnahmen, und 7,5 Prozent mehr als im Jahr 2008, dem letzten Jahr vor der S-Bahn-Krise. Die Verkehrsleistung der S-Bahn Berlin ist mit 4289 Mio. Personenkilometer (Pkm) ebenfalls um rund 0,7 Prozent gegenüber 2014 gewachsen. Im Vergleich zu 2008 beträgt das Plus rund 10,4 Prozent.

Die Abonnentenzahlen nehmen weiter leicht zu, im August 2016 waren es 209 500. Mehr als 130 000 von ihnen nutzen bereits die VBB-fahrCard, eine Chipkarte, auf der der Fahrausweis elektronisch gespeichert ist und die bis zu 5 Jahre gültig ist und den Austausch von Einzelwertabschnitten unnötig macht.

Derzeit erhalten die Nutzer des VBB-Abo 65plus diese Karten; im Jahr 2017 folgen die Nutzer der VBB-Firmentickets (voraussichtlich ab Februar) und der Berliner Schülertickets (vsl. ab September).

Die Abonnementverwaltung ist nicht nur im Kundenzentrum, sondern auch online möglich, und dies nun auch per Smartphone oder Tablet. Hierzu wurde die Webseite modernisiert und ermöglicht unter anderem eine elektronische Übergabe von Lichtbildern und Dokumenten.

Auch der Twitterkanal @SBahnBerlin wird immer beliebter. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Abonnenten, sogenannte Follower, auf über 120 000 gestiegen. Dies ist ein Plus von ca. 65 Prozent und der bisher stärkste Anstieg seit der offiziellen Nutzung, die am 25. Juni 2012 startete. Die Marke von 100 000 wurde im Juni dieses Jahres geknackt. Auf dem Kanal werden täglich von früh bis spät aktuelle Verkehrsmeldungen und Informationen zu baubedingten Fahrplanänderungen „gezwitschert“.

Fahrplan 2017

Der aktuelle Fahrplan wird im Jahr 2017 zunächst fortgesetzt. Im Zusammenhang mit einem Bauzustandswechsel am Ostkreuz tritt voraussichtlich zum 21. August 2017 ein neuer Fahrplan in Kraft. Die Linie S 3 kehrt dann nach über 5½ Jahren auf die Stadtbahn zurück und wird zunächst mit beiden Zuggruppen bis Westkreuz verlängert. Dafür verkehrt die Linie S 75 von Wartenberg kommend nur noch bis Ostbahnhof. Die Verstärkerzüge dieser Linie enden darüber hinaus außerhalb der Hauptverkehrszeit (HVZ) schon in Lichtenberg. Dort werden auch die im 20-Minuten-Takt verkehrenden HVZ-Verstärker der Linie S 5 aus Mahlsdorf kommend enden.

Dieser Fahrplan wird bis zur Inbetriebnahme der Südringkurve am Ostkreuz Bestand haben, die für Dezember 2017 vorgesehen ist. Dann wird auch die Linie S 9 wieder auf die Stadtbahn zurückkehren und nicht mehr den Ostring bedienen. Ein Ersatz auf dem hier stark nachgefragten Abschnitt des Rings ist leider nicht bestellt und vorgesehen.

Kundeninformation

Bei Baumaßnahmen spielt die Kundeninformation eine wichtige Rolle. Die S-Bahn Berlin nutzt dafür verschiedene Kommunikationskanäle. Neben der Webseite und der Kundenzeitung „punkt3“ sind dies Bauflyer, Ground Poster (Fußtapsen), Schilder für die Wegeleitung und Bauaushänge auf den Bahnhöfen.

Im Jahr 2015 gab es 7 Bauflyer mit einer Gesamtauflage von 265 000 Stück, in diesem Jahr bisher 4 mit einer Gesamtauflage von 125 000. In diesen werden die Maßnahmen, der Ersatzverkehr und die Umfahrungsmöglichkeiten detailliert beschrieben.

Damit die Fahrgäste den Ersatzverkehr vor Ort besser finden, wurden pro Jahr weit über tausend große Schilder aufgestellt und mehrere Kilometer Weg mit Fußtapsen gekennzeichnet.

Auch wenn die Bauinformationen an sich meist vorbildlich sind, gibt es seitens einiger Kunden Kritik an der mit 10 Tagen relativ kurzen Vorlaufzeit, mit der die Informationen zu einer Maßnahme bekannt gegeben werden. Sie wünschen sich mehr Vorlauf, zumal die geplanten Bauzeiten in der Regel schon deutlich länger bekannt sind. Dies ist jedoch nicht möglich, da sehr viel Abstimmungsbedarf mit anderen Beteiligten notwendig ist und die Kundeninformationen zum Zeitpunkt der Bekanntgabe auch korrekt sein soll.

Sorgenkind Ringbahn. Auch die S-Bahn Berlin GmbH ist mit dem Verkehr auf der Ringbahn nicht zufrieden und wünscht sich dringend einen Ausbau der Infrastruktur, z. B. eine dritte Bahnsteigkante am S-Bahnhof Westend. Foto: IGEB

Die auf den Bahnhöfen vorhandenen Infosäulen sind völlig veraltet und sorgen bei einigen Fahrgästen für Unmut. So passiert es oft, dass die Gegenstelle nicht erreichbar ist. Diese liegt bei den Stammaufsichten, die sich im Zweifel aber erst einmal um die Beschilderung und die Ansagen auf den Bahnhöfen kümmern müssen, bevor sie Anfragen entgegen nehmen können. Das System sollte daher grundlegend überdacht werden. Allgemein ist für das Stammaufsichtssystem eine Auswertung notwendig und in den nächsten Jahren auch vorgesehen.

Als einer der wenigen Anbieter leistet sich die S-Bahn Berlin ein Kundentelefon, welches täglich von 6 bis 21 Uhr direkt mit dem Unternehmen verbunden ist. Zu den anderen Zeiten wird seit einiger Zeit zu DB Dialog (in Stuttgart bzw. Hannover sitzend) weitergeleitet, um einen direkten Ansprechpartner statt eines Anrufbeantworters anbieten zu können. Diese Mitarbeiter haben allerdings im Gegensatz zu den S-Bahn-Kollegen keinen direkten Zugriff auf die S-Bahn-Informationssysteme und können daher in bestimmten Fällen keine zufriedenstellenden Auskünfte geben.

Fahrzeuge

Die neuen S-Bahn-Fahrzeuge sind noch vor Weihnachten 2015 bestellt worden, nachdem kurz zuvor die Vergabe für das Netz Ring an die S-Bahn Berlin rechtskräftig wurde. Mit dem Konsortium aus Stadler Pankow GmbH und Siemens wurde ein Rahmenvertrag über die Lieferung von bis zu 1380 Wagen abgeschlossen. Die ersten 106 Züge wurden verbindlich bestellt, davon 85 Vierteiler (künftig Baureihe 484) und 21 Zweiteiler (Baureihe 483).

Um bereits vor der Lieferung einen Eindruck vom neuen Fahrzeug haben zu können, wurde ein sogenanntes Mock-Up im Maßstab 1 zu 1 von den Kulissenbauern des Filmstudios Babelsberg hergestellt. Dieses wird im Oktober Vertretern verschiedener Behindertenverbände und -vereine, Fahrgastverbänden, dem ADFC, Mitarbeitern der S-Bahn, Kundenbeiräten und ausgewählten Fahrgästen vorgestellt (siehe Beitrag auf Seite 4). Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge sollen in die Produktion der Fahrzeuge einfließen. Fachbesucher der InnoTrans 2016 konnten bereits ein (anderes) kleineres Modell des neuen Zuges sehen, welches eine Vorschau auf das (mögliche) neue Außendesign der Züge ermöglichte.

Die ersten 10 Vorserienfahrzeuge werden im Jahr 2020 erwartet und dann ausgiebig getestet. Ab 2022 sollen dann die Serienfahrzeuge ausgeliefert und zunächst auf den Ringlinien eingesetzt werden. Dann wird es auch wieder Vollzüge auf diesen Linien geben, die mit dem aktuellen Fahrzeugbestand nicht möglich sind.

Im Auftrag der Länder Berlin und Brandenburg wird die Einsatzdauer von 80 Viertelzügen (Vz) der Baureihe (BR) 485 und 70 Vz der BR 480 verlängert. Bis 2019 soll der Großteil der 50 Fahrzeugertüchtigungsmaßnahmen abgeschlossen werden, die bereits seit 2015 laufen. Die heute durchschnittlich 25 Jahre alten Fahrzeuge werden dabei so ertüchtigt, dass sie über das ursprünglich für 2017 geplante Einsatzende hinaus auf dem heutigen Niveau betrieblich stabil bis 2023 eingesetzt werden können. Die Arbeitsprozesse der Instandsetzung wurden so optimiert, dass möglichst wenige Fahrzeuge, höchstens 40 Vz, gleichzeitig davon betroffen sind. Weitere 40 Vz befinden sich in der betriebsnahen Instandsetzung oder Zuführung. Der Rest, ca. 540 Vz, kann und soll fahren.

Die Ausrüstung der Fahrzeuge der BR 481 für das neue Zugbeeinflussungssystem (ZBS), zusätzlich zur Fahrsperre, wird bis Ende 2016 abgeschlossen sein. Die BR 480 und 485 werden diese bekanntlich nicht erhalten und daher ihre letzten Jahre im Netz Ring fahren, welches als letztes bis 2025 auf das neue ZBS umgerüstet wird. Da die neuen Fahrzeuge für das Netz Ring vorgesehen sind und schon vor 2025 in den Einsatz gelangen, werden einige da von für beide Systeme ausgerüstet.

Die Baureihe 481 erhält ebenfalls eine ertüchtigte Lautsprecheranlage, da diese aktuell sehr unbefriedigend ist. Dazu kommen neue Ansagen vom Chip, die auch die BR 485 erhalten wird.

Neues Abfertigungsverfahren mit Videoaufzeichnung

Das neue Zugsicherungssystem „ZBS“ (Kasten im Gleis) löst nach und nach die alte Fahrsperre (weißer Anschlag neben dem Gleis) ab. Dazu sind umfängliche Streckensperrungen nötig, so auf der Stadtbahn noch bis Sommer 2017. Foto: IGEB

Für die Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer (ZAT) wird aktuell das neue technische Verfahren ZAT-FM eingeführt, bei dem über WLAN Kamerabilder vom Bahnsteig auf einen Monitor im Führerstand übertragen werden. Während der Triebfahrzeugführer sich auf 88 Bahnhöfen selbst abfertigen kann, benötigt er auf 80 Bahnhöfen Bilder zur Übersicht über den Zug. Bis auf vier Stationen wird der Rollout im Jahr 2016 abgeschlossen sein. Drei Stationen, darunter Ostkreuz und Warschauer Straße, folgen wegen umfangreicher Baumaßnahmen erst später, und für Schönhauser Allee, dessen Bahnsteig sehr stark gekrümmt ist, fehlt noch die technische Lösung.

Mit der Bundespolizei ist die Aufzeichnung der Videodaten aus ZAT-FM, die Mitte Juni gestartet wurde, in deren Auftrag abgestimmt. Eine mit dem Bahnkonzerndatenschutz entwickelte Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung wurde im Juni 2016 unterzeichnet. Die Aufzeichnungsdauer beträgt 48 Stunden. Danach werden die Bilder automatisch überschrieben. Momentan stehen nur diese Videobilder zur Verfügung, da es ansonsten auf den reinen S-Bahn-Bahnhöfen und in den Fahrzeugen keine Kameras gibt. Aufgrund der dann problematischen Zulassung werden in die Bestandsfahrzeuge auch keine Kameras eingebaut. In den oben genannten Neufahrzeugen wird die Videotechnik entsprechend der Bestellervorgaben jedoch von Beginn an eingebaut sein.

Sonstiges

Jens Fleischmann

aus SIGNAL 5/2016 (November 2016), Seite 8-10