Fernverkehr
Wie immer am zweiten Sonntag im Dezember gab es auch am 11. Dezember 2016 den jährlichen Fahrplanwechsel. Und wie immer nutze die Deutsche Bahn das für ein paar, dieses Mal eher unscheinbar wirkende Änderungen bei den nationalen und internationalen Tarifen. Tatsächlich ist es aber die Fortsetzung einer gravierenden strukturellen Fehlentwicklung.
1. Jan 2017
Bei internationalen Fahrkarten über 100 km erfolgt eine Verkürzung der maximalen Geltungsdauer. Seit 11. Dezember gilt ein Fahrschein zum Flexpreis oder Sparpreis Europa nur noch maximal 4 Tage! Dabei ist es unerheblich, ob das Ticket für eine Hin-und-Rückfahrt oder nur für eine Richtung gilt. Wer also mal nicht nur ein verlängertes Wochenende ins Ausland reist, benötigt für jede Fahrt eine separate Fahrkarte. Somit fallen bei einem Stornierungsfall ggf. auch zwei Storno-Entgelte an.
Einst konnte man mit einer internationalen Fahrkarte mit einer Gesamtgeltungsdauer von zwei Monaten quer durch Europa und zurück reisen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009 wurde diese auf einen Monat halbiert und im Dezember 2013 nochmals auf 15 Tage reduziert. Jetzt sind es also nur noch vier.
Für Fahrkarten bis 100 km bleibt die Geltungsdauer unverändert bei einem Tag.
In Deutschland kann jeder Schwerbeschädigte mit amtlichem Ausweis, der den Vermerk „die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen“ oder „die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen“ enthält (das „B“ oder „BN“ dürfen nicht gelöscht sein), eine kostenfreie Begleitperson mitnehmen. Im grenzüberschreitenden Verkehr gab es
die Regelung bisher nur für Blinde und/oder Rollstuhlfahrer. Nun können auch Nichtblinde und Nichtrollstuhlfahrer bei Fahrten in die BeNeLux-Länder sowie nach Dänemark, Österreich und Tschechien einen kostenlosen Begleiter oder einen Hund mitnehmen.
Seit dem Fahrplanwechsel erhält ein Reisender, der im Besitz einer BahnCard 25 ist, auf einen Sparpreis Europa nur noch für den deutschen Preisanteil eine Ermäßigung von 25 Prozent. Der ausländische Teil wird nicht mehr reduziert. Inhabern einer BahnCard 25 räumt die Bahn daher ein Sonderkündigungsrecht ein, aus dem Abovertrag auszusteigen.
Wie während der Testlaufphase schon befürchtet (siehe SIGNAL 4/2016), führt die Deutsche Bahn zum Fahrplanwechsel den differenzierten Flexpreis flächendeckend in ganz Deutschland ein. Nunmehr wird auch der normale Fahrpreis tageweise um zirka 2,9 Prozent nach oben und nach unten schwanken. Dadurch will die Deutsche Bahn an ausgewählten Reisetagen mit starker Auslastung noch mehr Geld aus den Taschen der flexibel Reisenden ziehen.
Das „flexibel“ beim Flexpreis muss man jetzt allerdings in Anführungszeichen setzen, denn um zu verhindern, dass ein Reisender die Zwei-Tage-Geltungsdauer nutzt, um an einem „teuren“ Tag zu fahren, das Ticket aber für den „billigen“ Vortag kauft, muss jetzt der Fahrtantritt unbedingt am aufgedruckten ersten Geltungstag erfolgen.
Gleiches gilt auch für den Fahrtantritt der Rückfahrt. Bisher galt bei einer Rückreisefahrkarte (über 100 km) der Tag binnen eines Monats als frei wählbar. Damit ist nun Schluss. Nur an dem aufgedruckten Rückfahrdatum darf man die Fahrt beginnen.
Man kann aber weiterhin seine Fahrt unterbrechen und erst am Folgetag fortsetzen bzw. das Ziel erreichen. Stellt sich nur die Frage, wie man am zweiten Tag bei der Kontrolle im Zug eine Fahrtunterbrechung belegen will, wenn am ersten Tag keine Kontrolle und Entwertung des Tickets erfolgte? Gilt man dann als Schwarzfahrer?
Will ein Reisender an einem anderen Tag innerhalb der Geltungsdauer seine (Rück-) Fahrt antreten, so ist er nun immer gezwungen, seine Fahrkarte vorher umzutauschen. Neben dem Zeitaufwand sind damit auch zusätzliche Kosten verbunden, da in den meisten Fällen das Stornoentgelt anfällt, das ebenfalls zum 11. Dezember von 17,50 auf 19 Euro erhöht wurde. (Siehe nachfolgenden Artikel auf Seite 14)
Bei Reisen mit dem Sparpreis darf jetzt nichts mehr dazwischen kommen! Nachdem die Deutsche Bahn die Stornierungsmöglichkeit für Sparpreise auch am ersten Geltungstag der Fahrkarte wieder gekippt hatte, wird nun der „Zusatz“ zum Sparpreis und Sparpreis Europa einkassiert. Wer bisher am Reisetag verschlafen hatte, konnte sich einen Sparpreis Zusatz kaufen, der die Differenz zum Flexpreis und eine Gebühr beinhaltete. Damit war die Zugbindung – die Festlegung auf einen bestimmten Zug – für den Reisetag aufgehoben.
Wer seit dem 11. Dezember einen Sparpreis bzw. Sparpreis Europa kauft, kann am Reisetag nur noch die festgelegten Züge nutzen oder muss eine komplett neue Fahrkarte kaufen. Eine (teilweise) Anrechnung des ungenutzten Tickets auf das neue erfolgt nicht, und das bereits gezahlte Fahrgeld behält die Bahn als „freundliche Zuwendung“ einfach ein. (Hinweis: Der Fahrkartenbeleg darf leider nicht als Spendenquittung dem Finanzamt vorgelegt werden.)
Als Grund wird die „Vereinfachung und Vereinheitlichung des Preissystems“ angeführt. Vielmehr dürfte jedoch die Überzahl der verschiedenen Sparpreise und Sparpreisstufen die Ursache sein, die die Verkäufer und das Verkaufssystem an die Belastungsgrenze brachten. Zuletzt gab es schon für etliche Preisstufen keine passenden Zusätze mehr, so dass nach dem Günstigkeitsprinzip der jeweils nächste preiswertere Sparpreis-Zusatz verkauft werden musste – wenn er denn richtig erraten wurde.
Der letzte noch unangefochtene Pluspunkt, den die Deutsche Bahn für sich verbuchen konnte, wird grob fahrlässig verspielt: Die Flexibilität. Diejenigen, die sich diese bisher schon ziemlich viel kosten ließen und auf Sparpreise mit Zugbindung verzichteten, werden nun vor den Kopf gestoßen. Dass der Normalpreis erst kürzlich in Flexpreis umbenannt wurde, um gerade diesen Vorteil hervorzuheben, anschließend aber die Flexibilität derartig eingegrenzt wird, ist der blanke Hohn!
Die Schuldenproblematik der Deutschen Bahn auf diese Weise lösen zu wollen, gefährdet die Zukunft des Verkehrsmittels Eisenbahn erheblich. Der Berliner Fahrgastverband IGEB warnt nachdrücklich davor, diesen falschen Weg fortzusetzen! Die Möglichkeiten des Flexpreises müssen wieder umfangreich erweitert werden, damit er weiterhin seinen Namen verdient. Für Sparpreise ist zumindest ein (ggf. gebührenpflichtiger) Umtausch in eine Flexpreis-Fahrkarte unter Anrechnung des alten Tickets am Geltungstag zu ermöglichen. (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 6/2016 (Dezember 2016/Januar 2017), Seite 13