Stadtverkehr
Der S-Bahnhof Greifswalder Straße auf dem Ostring ist ein stark frequentierter Umsteigepunkt zwischen den S-Bahn-Linien S 41, S 42, S 8, S 85, S 9 und der wichtigsten Berliner Straßenbahnlinie M 4.
1. Jan 2017
Die Umsteigewege sind jedoch unattraktiv. Die Greifswalder Straße wird von einem abschüssigen Fußgängertunnel unterquert, der den Fußweg mit beiden Bahnsteigen der Straßenbahn und dem Zugang der S-Bahn verbindet. Die S-Bahn überquert die Greifswalder Straße allerdings über eine Brücke, so dass zum Erreichen des S-Bahnsteigs weitere Stufen zu überwinden sind. Damit müssen Umsteiger von der Straßenbahn zunächst abwärts in den Tunnel steigen, um dann aufwärts das Empfangsgebäude und nochmals aufwärts den S-Bahnsteig zu erreichen. Der Tunnel ist nicht barrierefrei und wird durch Dreck und schlechte Beleuchtung zum Angstraum.
Eine legale und barrierefreie Alternative ist die ampelgesicherte Querung am östlichen Bahnsteigende der Straßenbahn, die den Weg allerdings um knapp 100 Meter verlängert. Deshalb werden Gleis und Straße gern im schlecht einsehbaren Bereich der Brückenpfeiler illegal überquert, wodurch es immer wieder zu schweren Unfälle kommt – teils mit Todesfolge.
Wie also lässt sich der Bereich so umgestalten, dass kurze barrierefreie Wege möglich sind, Angsträume verschwinden und gefährlicher Leichtsinn unterbleibt?
Am besten wären direkte Zugänge vom S-Bahnsteig zur Straßenbahnhaltestelle. Doch dafür wäre ein teurer Umbau der Brücke notwendig, denn der S-Bahnsteig reicht zwar über die Greifswalder Straße, verjüngt sich dabei aber derart, dass der Bahnsteig für den Einbau von Treppen zu schmal ist. Für die notwendige Aufweitung müsste das nordwärts führende S-Bahn-Gleis durch den kompletten Neubau eines eingleisigen Überbaus verschwenkt werden. Ein solcher Umbau kann daher nur langfristiges Ziel sein, hilft aber kurz- und mittelfristig nicht weiter. Erforderlich sind also andere Lösungen, die sich schneller umsetzen lassen und zum Zeitpunkt eines späteren „großen Umbaus“ bereits abgeschrieben wären.
Hierbei fällt zunächst die noch immer vorhandene provisorische Haltestelle auf der stadteinwärtigen Brückenseite in den Blick. Vorteilhaft wirken sich die Zugänge auf beiden Seiten der Haltestelle aus. Nachteilig aber sind die längeren Umsteigewege zur S-Bahn und die Verlagerung des Sichtbarkeitsproblems auf die andere Brückenseite. K.O.-Kriterium aber ist die mit 40 Metern zu geringe Länge der Straßenbahnhaltestelle, die den Einsatz von GT6-Doppeltraktionen mit 54 Metern Länge nicht mehr zulassen würde. Eine Verlängerung auf 60 Meter würde jedoch eine Anpassung der Gleislage und die Verlegung eines Überwegs erfordern, ohne dabei die Nachteile zu beseitigen.
Es gibt aber noch eine andere Lösungsmöglichkeit – direkt unter der Brücke. Mit 54 Metern Breite weisen die Brücken über die Greifswalder Straße schon fast die notwendige Länge einer Haltestelle auf und bieten einen Witterungsschutz. Auch der Platz zwischen Gleis und Straße ist mit 5 Metern ausreichend breit, um eine so stark frequentierte Haltestelle aufzunehmen. Zugleich löst eine solche Anordnung das Problem der durch Brückenpfeiler verdeckten Straßenbahn weitestgehend, denn die Fahrzeuge haben auf Höhe des letzten Brückenpfeilers ihre Halteposition und sind deshalb beim Befahren eines anschließenden Überwegs noch langsam.
Durch die Verschiebung der Haltestelle kann auch direkt vor dem S-Bahn-Ausgang eine Querungsmöglichkeit über die Greifswalder Straße geschaffen werden, so dass der Fußgängertunnel verzichtbar ist.
Neben den vielen Vorteilen hat auch diese Lösungsvariante Nachteile: Unter der Brücke ist es heute recht dunkel, so dass mit einem neuen Beleuchtungskonzept für ausreichend Helligkeit gesorgt werden muss. Damit ließe sich zugleich die subjektive Sicherheit auf den Fußwegen verbessern.
Schwerer wird es, dem Straßenlärm entgegenzuwirken, der durch die Brücke reflektiert und damit verstärkt wird. Eine Wand zwischen Haltestelle und Straße, wie sie an der heutigen Haltestelle das Dach trägt, könnte die Effekte aber mindern.
Bei der Umgestaltung der Verkehrsanlagen gilt es, auch die Radfahrer ausreichend zu berücksichtigen. Notgedrungen sind die Radwege heute einfach auf die beidseitigen Gehwege markiert worden und nehmen dort nicht nur den Fußgängern Platz weg, sondern erschweren auch die Sichtbarkeit der Radfahrer für den Autoverkehr. Zudem fehlen zeitgemäße Fahrradstellplätze in ausreichender Zahl. Bei einer Ortsbegehung am 23. November waren über 100 Fahrräder sowohl am straßenbegleitenden Geländer vor dem S-Bahn-Eingang angeschlossen als auch unter der Brücke „wild“ abgestellt, wodurch die nutzbare Gehwegbreite deutlich verringert war.
Eine Umsetzung der Umgestaltungsideen sollte stufenweise erfolgen. Die Verschiebung der Haltestelle schafft den nötigen Platz, um den Tunnel zu schließen und den Straßenraum inklusive Radfahrstreifen neu zu ordnen. Dabei ist auch sicherzustellen, dass Umsteiger die Straße durch die intelligente Anordnung und Schaltung von Ampeln gefahrlos queren und Straßenbahnen „in einem Rutsch“ von der Haltestelle über die Kreuzung fahren können.
Mittelfristig ist außerdem die Schaffung einer Straßenbahn-Kehrmöglichkeit sinnvoll, so dass weitere Verstärkerfahrten zwischen Hohenschönhausen und Greifswalder Straße möglich sind, ohne das Nadelöhr Alexanderplatz zusätzlich zu belasten. (ge)
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IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 6/2016 (Dezember 2016/Januar 2017), Seite 28-29