söp
1. Jan 2017
Die Beschwerdeführerin wollte von Basel nach Amsterdam fahren und nutzte für diese Fahrt eine Fahrkarte der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zu einem Preis von 98,00 Euro. Die Beförderung sollte mit einem CityNightLine-Zug der Deutschen Bahn (DB) erfolgen.
Vor Fahrtantritt wurde die Beschwerdeführerin vom Kundenservice der DB darüber informiert, dass aufgrund der Folgen eines schweren Unwetters nicht die notwendigen Wagenressourcen zur Verfügung stehen und die Fahrgäste des CNL-Zuges nicht befördert werden können. Die Reisenden wurden an die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) verwiesen. Von dort erhielt die Beschwerdeführerin die Auskunft, dass ihre ursprüngliche Fahrkarte nicht genutzt werden könne und sie neue Fahrkarten für die Fahrt nach Amsterdam erwerben müsse. Dies tat die Beschwerdeführerin und kaufte bei der SBB neue Fahrkarten im Gesamtwert von 459,75 Euro. Amsterdam erreichte sie mit einem anderen CNL und einer Verspätung von zwei Stunden.
Nach der Fahrt wandte sich die Beschwerdeführerin per E-Mail an die Kundenbetreuung der DB und machte eine Erstattung der nachgekauften Fahrkarten geltend.
Vom Kundenservice erhielt die Beschwerdeführerin die Mitteilung, dass sie eine falsche Information erhalten hätte. Der Nachkauf der Fahrkarten sei nicht notwendig gewesen, da sie den eingesetzten Ersatzzug kostenfrei hätte nutzen können. Das Anliegen wurde an das Servicecenter Fahrgastrechte weitergeleitet sowie an die ÖBB und SBB.
Da die Beschwerdeführerin seitdem weder eine Erstattung von der DB noch von der ÖBB/SBB erhielt, wandte sie sich mit der Bitte um Prüfung und Durchführung eines Schlichtungsverfahrens an die söp.
Die söp prüfte das Anliegen der Beschwerdeführerin und kam zu dem Ergebnis, dass ihr sowohl eine Verspätungsentschädigung als auch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die neu gekauften Tickets zustehen dürfte, da sie den ersatzweise eingesetzten CNL kostenfrei hätte nutzen können.
Dieser Anspruch ergibt sich aus Art. 16 lit. b) Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (VO). Danach kann sich der Reisende für den Fall, dass vernünftigerweise davon ausgegangen werden muss, dass bei Ankunft am Zielort gemäß Beförderungsvertrag die Verspätung mehr als 60 Minuten betragen wird, für eine „Fortsetzung der Fahrt mit geänderter Streckenführung bis zum Zielort bei nächster Gelegenheit“ entscheiden. Diese Voraussetzungen lagen vor, da eine Beförderung mit dem ursprünglich gebuchten Zug nicht möglich war und die Beschwerdeführerin mit der ursprünglichen Verbindung Amsterdam auch mehr als drei Stunden früher hätte erreichen sollen. Die Beschwerdeführerin hätte daher kostenfrei befördert werden müssen. Der Kauf der neuen Fahrkarten war nicht erforderlich.
Nach Auffassung der söp war die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die DB ihrer Verpflichtung aus Art. 16 VO zur Ermöglichung der Fortsetzung der Reise zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Dann wären der Beschwerdeführerin keine Kosten für den Erwerb der Zusatztickets entstanden, so dass ihr diese Kosten i.H.v. 459,75 Euro zu erstatten sind.
Da die Beschwerdeführerin darüber hinaus mit einer Verspätung von zwei Stunden ihren Zielort erreichte, steht ihr nach Art. 17 Abs. 1 VO ein Anspruch auf Fahrpreisentschädigung i.H.v. 50 Prozent des Fahrkartenwertes der ursprünglich gekauften Fahrkarte zu. Dies ergab einen weiteren Betrag i.H.v. 49 Euro (50 Prozent von 98 Euro).
Vorsorglich wies die söp darauf hin, dass sich die Beschwerdeführerin ausgehend von Art. 56 Abs. 2 CIV an den ersten, den letzten oder denjenigen Beförderer wenden kann, der den Teil der Beförderung ausgeführt hat, in dessen Verlauf die den Anspruch begründende Tatsache eingetreten ist. Da die ursprüngliche Beförderung durch einen CNL der DB durchgeführt werden sollte, kann die Forderung auch gegenüber der DB geltend gemacht werden. Zwar erfolgte der Kauf der Fahrkarten bei der SBB, doch sollte es nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen, wenn diese seit Monaten von dort keine Rückmeldung erhält.
Die DB stimmte dem Vorschlag der söp zu und zahlte unter Zurückstellung rechtlicher Bewertungen einen Gesamtbetrag i.H.v. 508,75 Euro an die Beschwerdeführerin, nachdem diese dem Vorschlag ebenfalls zugestimmt hatte. (Dr. Katja Schmidt)
Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger.
Fahrgäste im Nahverkehr der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt können sich an die söp wenden, wenn sie auf ihre Beschwerde hin von der BVG, der S-Bahn Berlin GmbH oder einem anderen teilnehmenden Verkehrsunternehmen der Region keine sie zufriedenstellende Antwort erhalten haben.
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
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söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
aus SIGNAL 6/2016 (Dezember 2016/Januar 2017), Seite 30