Titelthema urbane Seilbahnen

IGA-Seilbahn – doch was kommt danach?

Wenn im Herbst die IGA 2017 in den Gärten der Welt in Berlin-Marzahn geschlossen wird, dann bleibt die Seilbahn und soll nach Vorstellung des Herstellers fortan Aufgaben des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) übernehmen. Doch ist das realistisch? Und welche Herausforderungen müssen dafür gemeistert werden?


Berliner Fahrgastverband IGEB

7. Mär 2017

Dazu muss man sich zunächst die Streckenführung genauer ansehen. Für das Gartenschau-Gelände ist diese ideal gewählt. Verbindet sie doch den U-Bahnhof als An- und Abreisepunkt mit der Aussichtsplattform auf dem Kienberg und die am weitesten von der U-Bahn entfernten Punkte mit der Freilichtbühne als Veranstaltungs- und damit Fahrgastgarant. Außerdem liegt sie komplett im eingezäunten Bereich.

Einzugsgebiet

Nach der IGA wird die eingezäunte Fläche jedoch wieder in etwa auf Vor-IGA-Größe schrumpfen. Das Auftaktgelände an der Wuhle und der Kienberg liegen dann nicht mehr in den Gärten der Welt und sind wieder frei

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zugänglich. Folglich wird wohl auch die zweite Talstation am Blumberger Damm aus den Gärten ausgekoppelt. Als ÖPNV-Einzugsgebiet dienen für diese Station dann das Hochhaus-Wohngebiet zwischen Blumberger Damm und Allee der Kosmonauten sowie die angrenzenden Einfamilienhäuser in der Elisabethstraße.

Beide sind allerdings auf der anderen Seite in der Allee der Kosmonauten an eine Straßenbahnlinie (M 8) angebunden, die direkt ins Stadtzentrum und zum Hauptbahnhof fährt. Gute Konkurrenz also.

Zum Einzugsgebiet hinzu gesellen sich noch die alljährigen Besucher der Gärten der Welt, die damit eine attraktive Anbindung an die U-Bahn (U 5) erhalten, sowie die Besucher von Veranstaltungen in der Freilichtarena, welche allerdings eher punktuelle Nachfragespitzen erzeugen wird.

Die Station auf dem Kienberg stellt ebenfalls eine recht geringe Attraktivität für Quellund Zielverkehre dar.

ÖPNV-Anschluss

Zum Schluss noch die Seilbahnstation am U-Bahnhof, in derer direkten Nähe sich als einziges Ziel tatsächlich nur der U-Bahnhof anbietet – zum Weiterfahren. Womit wir schon bei der Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern wären – einem wichtigen Punkt für erfolgreichen ÖPNV. Eine Bushaltestelle liegt fast direkt davor. Der U-Bahnhof ist hingegen von der Seilbahnstation etwa 200 Meter Fußweg entfernt. Dazu muss zusätzlich eine vierspurige Straße überquert werden.

Die Umlaufseilbahn ist durch ihre kontinuierliche Abfahrt attraktiv, siehe Abb auf Seite 7. Foto: Michael Dittrich

Genauso am Blumberger Damm. Das Wohngebiet liegt auf der anderen Seite der vierspurigen Straße. Und unglücklicherweise auch noch genau zwischen zwei relativ weit entfernten Querungsmöglichkeiten. Ebenso weit weg befinden sich auch die Bushaltestellen. Die Seilbahnstation hat die weitest mögliche Entfernung zu den beiden nächstgelegenen Bushaltestellen, die kürzlich sogar neu gebaut wurden.

Ohne zusätzliche bauliche Maßnahmen, z. B. eine Querungsmöglichkeit und Verlegung der neu gebauten Bushaltestellen, sieht es also ziemlich schlecht mit der Erschließung und Einbindung ins bestehende ÖPNV-Netz aus.

Der Tarif

Lageplan der IGA-Seilbahn mit drei Stationen. Grafik: Holger Mertens

Doch mindestens genauso wichtig wie die Erschließungsfunktion ist der Tarif, mit der die dann ÖPNV-Seilbahn genutzt werden können soll. Hier ist derzeit geplant, neben Einzeltickets auch günstige Monatspauschalen anzubieten.

Kurzer Abstecher: Als 2016 das Verleihradsystem in Berlin neu ausgeschrieben wurde, gewann nicht Call-A-Bike der Deutschen Bahn, sondern der Konkurrent Nextbike. Dieser hatte große Pläne: Man wollte als ÖPNV-Angebot in der breiten Öffentlichkeit angenommen und wahrgenommen werden. Ähnlich wie die erfolgreichen Systeme in anderen Großstädten, beispielsweise Wien oder Hamburg. Denn das war Call-A-Bike bisher in Berlin nicht gelungen.

Ursachen gibt es reichlich, die schwerwiegendste ist aber schlicht der Preis, den der Verbraucher zu zahlen hat. Denn die erfolgreichen Systeme haben allesamt eine Gemeinsamkeit: Im Gegensatz zu den dahindümpelnden Experimenten können Nutzer diese mindestens die ersten 30 Minuten kostenlos nutzen. Bei ausnahmslos allen nicht erfolgreichen Systemen ist das nicht so.

Warum? Als die preiswerte Monatskarte für den Nahverkehr in Berlin 1989 von der grünen Vorgängerpartei Alternative Liste eingeführt wurde, nannte man sie „Umweltkarte“. Nicht ohne Grund: Der Nutzer sollte mit einer Monatspauschale alle umweltfreundlichen Verkehrsmittel unbegrenzt nutzen können (heute nennen wir das Flatrate).

Kann ich als Kunde nun also Busse und Bahnen nutzen – wieso sollte ich für ein weiteres umweltfreundliches Transportmittel extra bezahlen? Und sei es nur mit einer zusätzlichen Pauschale? Was bringt mir das, wenn ich doch, ohne mich abzustrampeln und ohne Zusatzkosten, weiter mit Bahn und Bus fahren kann? Dazu muss ich ideologisch und/oder sportlich leicht überdreht sein, und zusätzlich muss das Geld auch noch äußerst locker sitzen.

Die Fahrplanauskunft für eine Umlaufseilbahn in der Schweiz zeigt „Minutentakt“ – attraktiv für ein ÖPNV-Angebot. DB AG

Funktioniert für die Masse nicht. Das Leihrad kommt für mich nur dann als echte Alternative in Frage, wenn ich es schon mitbezahlt habe. Das gilt entsprechend auch für die Seilbahn. Warum soll ich als Anwohner für die Seilbahn extra bezahlen, und sei es auch nur ein geringer monatlicher Kostenpunkt, wenn ich doch für die drumherum fahrenden Busse, die U-Bahn, Straßenbahn, S-Bahn etc. bereits bezahlt habe und diese vom jetzigen Standpunkt kostenlos nutzen kann?

Erschwerend kommt hinzu, dass die Seilbahnlinie allein unattraktiv ist, da sie im Süden tatsächlich nur den U-Bahnhof anbindet, aber keinen direkten Zielpunkt, wie etwa ein Einkaufszentrum oder Ärztestandort. Man muss demnach in jedem Fall mit der U-Bahn weiterfahren – also extra bezahlen.

Tariflich sinnvoll ist nur eine Komplettintegration in den VBB. Tickets für das Tarifgebiet Berlin B, in dem sich die Seilbahn befindet, müssten uneingeschränkt akzeptiert werden. Darüber hinaus sollte man der Seilbahngesellschaft einen Haustarif zugestehen, ähnlich den Straßenbahn- und Busbetrieben im Berliner Umland. Alles andere ist zum Scheitern verurteilt. Dann wäre die Seilbahn ein Ausflugsziel, aber kein Verkehrsmittel.

Fazit

Die Seilbahn eignet sich generell durchaus als attraktives urbanes Transportmittel. Doch mit den bestehenden Seilbahnstationen wird sie es nicht leicht haben, sich zu behaupten. Ohne bauliche Maßnahmen, die die Seilbahnstation dichter ans Wohngebiet und die Bushaltestellen heranbringt, wird es zusätzlich schwierig. Kommen dann für die potenziell wenigen regelmäßigen Nutzer noch zusätzliche Kosten zur Umweltkarte dazu, ist das Scheitern als ÖPNV-Angebot vorprogrammiert. (hm)

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 1/2017 (März 2017), Seite 6