Titelthema urbane Seilbahnen
Die Seilbahn auf der Internationalen Gartenschau 2017 ist keinesfalls die erste ihrer Art in Berlin. Bereits vor 60 Jahren war eine Seilbahn mitten in der Stadt für den Personentransport in Betrieb.
7. Mär 2017
Bereits 1928/29 verfolgte der Konstrukteur Krukenberg Pläne für eine Seilbahn vom Funkturm in Charlottenburg über die Havelgebiete nach Potsdam, und er erhielt von den städtischen Behörden Unterstützung. Die Wirtschaftskrise verhinderte aber die Ausführung.
Am 1. Mai 1957 wurde eine Seilbahn über das Gelände der „Internationalen Bauausstellung“, die das Gelände des heutigen Hansaviertels umfasst, eröffnet. Die Seilbahn war das erste „Bauwerk“, das auf der Interbau eingeweiht wurde. Gebaut wurde die Bahn von der „Allgäuer Bergbahn-Baugesellschaft“ als „Einseilumlaufbahn mit abkuppelbaren zweisitzigen Sesseln nach Bauart der »Ludwig v. Roll´schen Eisenwerke in Bern«“. Inhaber war die Firma Carry Groß.
Auf der 1,349 Kilometer langen Strecke konnte man während der Interbau an den Bauwerken und Grünflächen entlangschweben. 95 Gondeln in Form von Sessellift-Doppelsitzen schwebten in 5 bis 12 m Höhe zwischen dem Bahnhof Zoo und dem Schloss Bellevue. Über
die 12 Stützen dauerte eine Fahrt bei 9 km/h 9 Minuten. So konnten 600 Personen pro Stunde und Richtung befördert werden, angetrieben durch einen 45 PS-Wechselstrommotor, der an der Station am Zoo eingebaut war. Die Rundfahrt für einen Erwachsenen kostete 1,50 DM.
Die Seilbahn war während der Bauausstellung ein Knüller bei den Besuchern. 1957 wurden bis zu 150 000 Fahrgäste pro Monat gezählt. Doch im folgenden Jahr nahm der Zuspruch deutlich ab. Der Betreiber beschwerte sich über die vielen Baustellen an den Zuwegungen zu den beiden Seilbahnstationen, die die Fahrgäste abschreckten. Außerdem musste bis zu fünfmal täglich der Seilbahnbetrieb eingestellt werden, weil Sprengarbeiten am nahegelegenen Zoo-Bunker ausgeführt wurden. So gab es vom 5. April bis Mitte Juni 1958 nur 35 000 Fahrgäste, was unwirtschaftlich sei.
Darüber hinaus stritten sich der Betreiber und das Berliner Finanzamt, ob für die Seilbahn die 12-prozentige Beförderungssteuer oder die 20-prozentige Vergnügungssteuer gelte.
Am 14. September 1958 endete der Betrieb und die Seilbahn wurde abgebaut.
1963 entstanden Pläne, auf dem nach dem Krieg entstandenen Trümmerhügel „Teufelsberg“ (120 m üNN) ein Wintersportzentrum zu errichten. Neben einer Gipfelstation mit Ausflugslokal war auch ein Skilift geplant. Zur Ausführung des Ausflugslokals kam es nicht, da das US-amerikanische Militär den Gipfel für den Bau einer Abhörstation beanspruchte. Der Skilift wurde trotzdem gebaut, und mit Schneekanonen wurde der Teufelsberghang für den Wintersport tauglich gemacht. Allerdings störten die Metallträger des Skiliftes die Abhöraktivitäten der US-Amerikaner. Im Jahr 1972 wurde der Skilift deshalb abgebaut.
Andreas Jüttemann und Florian Müller
aus SIGNAL 1/2017 (März 2017), Seite 9-10