Neue U-Bahn-Fahrzeuge

IK geht in Serie
Bewertung des neuen Kleinprofilzugs für die Berliner U-Bahn

Bereits vor fast zwei Jahren war der Probezug der neuen Kleinprofilbaureihe IK der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Seit einem Jahr ist er nun im Fahrgastverkehr für alle Berliner erfahrbar und testbar. Zeit, um ein Fazit aus Fahrgastsicht zu ziehen.


IGEB Stadtverkehr

7. Mär 2017

Optisch gibts von außen nichts zu meckern. Der Zug sieht aus wie ein moderner U-Bahn-Zug und ist seinem Vorgänger HK gar nicht so unähnlich. Da die beiden Baureihen auch untereinander gekuppelt verkehren können, erscheint das sehr sinnvoll.

Mehr Platz durch „Bombierung”

Die bewährte Ausführung als durchgängiger Halbzug prägt auch den IK. Leider verschlechtern die Monitore den Raumeindruck und die übertrieben dicke Einbautiefe verbraucht wertvolle Staufläche im Türraum. Foto: Tom Gerlich

Im Zugverband IK/HK deutlich sichtbar ist die Bombierung der neuen Fahrzeuge. Das heißt, die Wagen sind oben und unten gleich breit wie ihre Vorgänger, aber in der Mitte nach außen gewölbt, sodass der Wagenkasten merklich breiter ist, ohne dafür die Infrastruktur wie Bahnsteige und Tunneleinbauten insgesamt verändern zu müssen. Lediglich einige wenige Umbauten waren zuvor erforderlich gewesen.

Doch betritt man das Fahrzeug, ist davon gar nicht mehr so viel zu merken. Es wirkt tatsächlich bedrückend eng. Die neuen Plastik-Hartschalensitze verschenken nämlich den konstruktionsmäßig hart erkämpften Platz durch ihre Einbautiefe.

Überhaupt wirkt die Inneneinrichtung wenig durchdacht. Schön hell ist es zwar, doch wird die Fahrzeugweite optisch durch die eigentlich zu begrüßenden Einbaumonitore stark eingeschränkt. Diese sind doppelseitig an jeder zweiten gläsernen Türseitenwand angebracht und zeigen einige nächste Stationen an. Dabei sind sie aber so dick, dass sie viel vom hart umkämpften Türraum einnehmen – die Stelle, an der man normalerweise an die Glaswand gelehnt den Ein- und Ausstieg kaum behindert. Den Platz nimmt jetzt der Monitor ein, und der Fahrgast steht etwas weiter in der Tür – und damit im Weg.

Mehrzweckbereiche falsch angeordnet

Die Türen zeigen noch ein wenig Mechanik, die Türsäulen links und rechts sind mit ihrer Platzverschwendung ein Ärgernis. Foto: Florian Müller

Auch die Anordnung der Sitze im Fahrzeug ist – vorsichtig ausgedrückt – gewöhnungsbedürftig. Sind im Vorgängermodell HK die Mehrzweckbereiche an den Wagenübergängen angeordnet, damit eben dieser Wagenübergang sinnvoll genutzt werden kann, so sind im neuen Modell IK genau da jeweils zwei feste Sitze eingebaut, von denen einer wohl fast immer frei bleiben wird, da selbst dünne Menschen sich dort mehr reinquetschen, als bequem sitzen können.

Die Klappsitze sind dafür an die Stelle von früheren 4er-Bänken gewandert. Damit sind die Mehrzweckbereiche beim IK nun genau an der Stelle, wo sie beim ähnlich aussehenden Vorgängerfahrzeug HK gerade NICHT sind und umgekehrt. So müssen sich die Fahrgäste nach dem Einstieg jedes Mal neu orientieren, wo denn heute die Mehrzweckbereiche sind – und das zementiert für Jahrzehnte. Schlecht. Sehr schlecht sogar.

Fahrgastinformation verbesserungsbedürftig

Der klassische Innenanzeiger an den Wagenenden und -übergängen ist noch immer die sinnvollste Anzeige und neben der Ansage die wichtigste Informationsquelle für die nächste Station. Darüber eine der vielen Überwachungskameras. Der Datenschutz ist durch das planmäßige Löschen nach 72 Stunden schon im Fahrzeug berücksichtigt. Foto: Tom Gerlich
Die farbigen Liniensignets sind im verzweigten Kleinprofilnetz unverzichtbar. Die Lesbarkeit ist allerdings verbesserungswürdig. Gut funktionierende technische Umsetzungen gibt es aber am Markt. Foto: Tom Gerlich

Zum Thema Fahrgastinformation gibt es ebenfalls mehr Verwunderung als Entzückung. Grundsätzlich ist der Einzug von mehr digitaler Fahrgastinformation im Fahrzeug ja zu begrüßen, gern auch in Form von Monitoren. Doch die im Vorserien-Testfahrzeug angebrachten, bereits oben erwähnten Monitore bieten wenig Mehrwert. Gleichzeitig rauben sie Platz im Türraum und schränken die Sicht durch das Fahrzeug extrem ein. Komischerweise kleben direkt daneben die analogen Perlschnüre in kaum lesbarer Miniaturschrift, da man aus Kostengründen unbedingt das komplette Kleinprofilnetz draufquetschen musste. Doch gerade die Perlschnur, die als einziges Informationsmedium im Zug im Gegensatz zu den geplanten Monitoren den gesamten Fahrtverlauf abbildet, will man nicht ins 21. Jahrhundert bringen. Schade.

Es gibt auch bewährte Fahrgastinformationseinrichtungen im Fahrzeug. Die Lautsprecheransagen erscheinen angemessen und deutlich. Frontanzeiger sind mit LED-Punkten realisiert und das Liniensignet wird trotzdem korrekt farbig dargestellt. Das ist zu begrüßen, auch wenn diese technisch noch etwas verbessert werden könnten, was Schriftbild und Kontrast zur Hintergrundfarbe betrifft.

Die LED-Stationsanzeigen im Inneren haben ein seltsames Format. Sie sind höher als ihre Vorgänger und gleichzeitig schmaler. Damit können Stationen wie „Pankow“ nun zwar deutlich größer dargestellt werden, jedoch – Sie ahnen es – wirkt sich das negativ auf lange Stationsnamen, wie „Mendelssohn-Bartholdy-Park“ aus. Also in der Serienausführung bitte gerne etwas breiter, der Platz dafür ist da.

Ausstiegspfeile verwirren oder fehlen

Erstmals moderne Infomedien in der U-Bahn! Leider mit schlecht programmierten Inhalten und in klobiger, wenig smarter Ausführung am falschen Standort. Stattdessen wären … Foto: Tom Gerlich
… digitale Versionen der Perlschnur, wie hier bei der Straßenbahn in Prag, wesentlich sinnvoller. Diese sollten die geklebten Perlschnüre ersetzen, welche wegen der Mikroschrift schwer zu lesen sind, da sie aus Kostengründen mehrere Linien enthalten. Foto: Holger Mertens

Bemerkenswert an allen Anzeigern: Offenbar haben sie Probleme damit, die Ausstiegsseite korrekt anzuzeigen. Anzeiger, die in Fahrtrichtung hängen, müssen den Pfeil bei „Ausstieg rechts“ demnach rechts anzeigen. Anzeiger, die entgegengesetzt der Fahrtrichtung angebracht sind, entsprechend links. Logisch. Das beherrschen die Anzeiger im Probezug aber nicht, was schon regelrecht peinlich ist. Bei den Monitoren hat man sich gar nicht erst an die Ausstiegspfeile herangewagt und zeigt einfach nur das Wort „rechts“ oder „links“ an. Hier bitte unbedingt die Hausaufgaben machen!

Wer es eilig hat, wird wohl ebenfalls nicht grün mit dem neuen Zug. Besonders, wenn dieser gemeinsam gekuppelt mit einem Zug der Vorgängerbaureihe HK fährt, stellt man fest, dass die Türelektronik auf Schlafmützentechnik beruht. Die Türfreigabe erfolgt verzögert, die Zeit, die die Tür zum Öffnen benötigt, ist nochmals länger als beim ohnehin schon langsamen Vorgänger. Ebenfalls schließen sich die Türen im Schneckentempo. Für ein großstädtisches Massentransportmittel eindeutig unangemessen. Hier muss ebenfalls dringend nachgebessert werden.

Die Chance nutzen

Ungeachtet der hier angebrachten Kritikpunkte ist es aber ein gutes Fahrzeug mit ansprechender Optik und guten Fahreigenschaften. Und um die oben herausgearbeiteten Mängel herauszufinden, baut man ja schließlich ein Vorserienfahrzeug und testet dies. Räumt man diese aus, so hat man alles richtig gemacht und die Berliner können sich auf ein hervorragendes Serienfahrzeug freuen. (hm)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 1/2017 (März 2017), Seite 16-17