Regionalverkehr
Auf den meisten von und nach Berlin führenden Bahnstrecken gibt es ein attraktives Regionalzugangebot mit hohen und noch wachsenden Fahrgastzahlen. Doch die Wriezener Bahn führt seit jeher eher ein Schattendasein, obwohl sie nicht nur Berlin mit den Friedhöfen in Friedrichsfelde, Marzahn und Ahrensfelde auf dem Weg nach Wriezen verband, sondern auch weiter über die Oder führte. Die Einführung des Berliner Vororttarifes wurde 1913 allerdings verweigert, womit die sonst umlandtypische Entwicklung der Gemeinden entlang der Bahnachsen entlang der Wriezener Bahn ausblieb.
15. Mai 2017
Erst 1938 erfolgte die Aufnahme bis Werneuchen in den Vororttarif. Zugleich wurden große Pläne geschmiedet: Die S-Bahn sollte bis Ahrensfelde auf eigenen Gleisen ausgebaut und im Mischbetrieb bis Werneuchen verlängert werden. Die damals modernen Dieseltriebwagen waren für die schnelle Verbindung zwischen Berlin, Wriezen und Königsberg (Neumark), dem heutigen Chojna, angedacht. Der Zweite Weltkrieg verhinderte dies.
An den einstigen Wriezener Bahnhof in Berlin erinnert heute noch ein Straßenname in der Nähe des Ostbahnhofs. Bahnintern hat er als Bahnhofsteil überlebt und besteht heute noch aus einem Gleis parallel zur Helsingforser Straße, das der Anbindung des Talgo-Werkes an der Warschauer Straße dient. Mit dem Ausbau des Biesdorfer Kreuzes bis 1971 wurde die alte Streckenführung
über den Magerviehhof aufgegeben. Doch auch dieser Streckenteil existiert heute noch teilweise als Anschlussgleis des Güterbahnhofs Nordost. Die S-Bahn kam schließlich doch noch. Ab 1976 wurde sie schrittweise bis Ahrensfelde verlängert, um die Neubaugebiete zu erschließen. Der Regionalverkehr wurde entsprechend nach Ahrensfelde zum letzten Halt der S-Bahn zurückgezogen.
Die Entwicklung auf Brandenburger Gebiet verlief wenig erfreulich. Schon ab 1982 endete der Personenverkehr in Wriezen. Zwischen Wriezen und der Oder wurden die Gleise abgebaut und auf der Trasse 2005 ein Radweg angelegt. 1998 endete der Betrieb zwischen Tiefensee und Wriezen, 1999 folgte die Stilllegung. Die Strecke wurde zudem durch den „Schwarzbau“ der B167n kurz vor Wriezen unterbrochen.
Im Jahre 2006, während des Amtszeit von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, erfolgte schließlich die bisher letzte Abbestellung zwischen Werneuchen und Tiefensee. Nun, 10 Jahre später, ist diese Teilstrecke zur Abgabe ausgeschrieben. Den geringen jährlichen Instandhaltungskosten stehen derzeit keinerlei Einnahmen gegenüber, so dass mit der anschließenden Stilllegung und Entwidmung zu rechnen ist. Parallel zur B158 drängt sich hier die Anlage eines Radwegs geradezu auf.
Von der Wriezener Bahn gibt es somit nur noch den Abschnitt zwischen Berlin und Werneuchen, auf dem die RB 25 verkehrt. In Blumberg-Rehhan wurde 2013 ein neuer Bedarfshalt eröffnet und seit Dezember 2015 erreichen die Züge den Bahnhof Ostkreuz direkt – wenn auch mit teils längerer Standzeit in Lichtenberg.
Doch die Zukunft der Wriezener Bahn ist alles andere als gesichert, denn die Erfahrung mit anderen Bahnstrecken zeigt, dass Investitionen in die Infrastruktur keinesfalls eine weitere Bestellung von Verkehrsleistungen garantieren.
Ein wichtiger erster Schritt zur Sicherung wäre die Herstellung der Barrierefreiheit durch Bahnsteigerneuerungen mit Erhöhung der Bahnsteigkanten auf 55 cm in Ahrensfelde Nord (bisher 34 cm), Blumberg (26 cm), Seefeld (38 cm) und Werneuchen (26 cm). Leider bleibt die Bahnsteighöhe uneinheitlich: Ostkreuz erhielt 76 cm (wie Ahrensfelde Friedhof); Lichtenberg, Ahrensfelde und Rehhan liegen bei 55 cm. Eine Vereinheitlichung ist (deutschlandweit) nicht in Sicht.
Weitere Investitionen sind für Gleise und Sicherungstechnik notwendig. Derzeit kreuzen die Züge im Biesdorfer Kreuz. Im Bahnhof Marzahn ist das zweite Gleis nicht mehr nutzbar, da die entsprechenden Weichen ausgebaut wurden, so dass keinerlei Reserve bei Verspätungen oder Störungen besteht. Die Ausweichmöglichkeit in Marzahn muss daher mit dem Bau des Elektronischen Stellwerks (ESTW) für das Biesdorfer Kreuz wiederhergestellt werden. Außerdem müssen die Langsamfahrstellen, bedingt durch schlecht einsehbare, technisch nicht gesicherte Bahnübergänge und erneuerungsbedürftige Weichen sowie Gleislagefehler, endlich beseitigt werden.
Angedacht ist die Aufgabe der Stellwerke Blumberg und Werneuchen und die Umstellung auf den sogenannten Zugleitbetrieb, bei dem der Lokführer mündlich statt per Signal die Erlaubnis zur Weiterfahrt erhält. Der Verzicht auf teure Anlagen eines ESTW bei geringen Zugzahlen ist nachvollziehbar, doch die Streckenkapazität darf dadurch nicht sinken. Blumberg muss als Kreuzungsbahnhof mit zwei Gleisen samt Bahnsteigen erhalten bleiben, um künftig einen 30-Minuten-Takt zu ermöglichen. Außerdem muss in Werneuchen die Behandlung von Güterzügen (rangieren, umlaufen der Lok) möglich bleiben.
Durch Beschleunigungsmaßnahmen ließen sich zusätzliche Halte realisieren. So liegt die Schloßparksiedlung zwischen Blumberg und Seefeld direkt zwischen Bahnstrecke und B158, besitzt bisher allerdings nur eine Schulbushaltestelle. Hier ließe sich wie in Rehhan ein Bedarfshalt einrichten, an dem die Züge nur bei Haltewunsch oder wartenden Fahrgästen anhalten müssen. Eine deutliche Attraktivitätssteigerung wäre mit dem Wiederaufbau des Bahnhofs Marzahn verbunden. Neben der Verknüpfung mit den dort verkehrenden Straßenbahn- und Buslinien kann die Anbindung des Eastgate-Einkaufszentrums zum Umstieg und Verzicht auf Autofahrten führen.
Taktverdichtung, Anschlusssicherung und Verlängerung der abendlichen Betriebszeit sind ebenfalls elementar für die Zukunftssicherung der Wriezener Bahn, denn bisher profitiert sie auch davon, dass der Autoverkehr ähnlich langsam ist. Das wird sich aber ändern, wenn für die B158 die geplante vierstreifige autobahnähnliche Ortsumgehung Ahrensfelde zwischen Märkischer Allee und BAB10 sowie die Ortsumgehungen für Blumberg und Seefeld realisiert sind und damit der Autoverkehr deutlich beschleunigt wird. Hier stehen Bund und Land als Vorhabenträger sowie Kreis und Gemeinden als Betroffene in der Verantwortung, das vorhersehbare Abwandern vieler Fahrgäste auf die Straße – und damit eine Abbestellung der RB 25 – durch eine deutliche Attraktivitätssteigerung des Bahnangebots zu verhindern.
Hoffnung besteht für die RB 25, weil die Landesplanung das Wachstum im Raum Berlin vor allem entlang der von und nach Berlin führenden Bahnstrecken fördern bzw. konzentrieren will. Doch das gelingt nur, wenn das Bahnangebot ausreichend attraktiv ist. (ge)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 2/2017 (Mai 2017), Seite 12-13