Stadtverkehr
In einer öffentlichen Veranstaltung haben Senatsverkehrsverwaltung und BVG am 17. Januar 2017 die Planungen für die Straßenbahnverlängerung von der Wissenschaftsstadt Adlershof (WISTA) zum Bahnhof Berlin-Schöneweide vorgestellt – bekannt auch als Projekt WISTA II (siehe u. a. SIGNAL 3/2014). Und hierbei machte der neue Senat von Berlin alles richtig: Er veranstaltete eine frühzeitige Bürgerbeteiligung zu seinen Plänen, er hatte für das Projekt einen guten Entwurf dabei, und er konnte in diesem speziellen Fall einen raschen Bau mit gesicherter Finanzierung in Aussicht stellen.
15. Mai 2017
Welch ein sperriger Titel: „Neubaustrecke Adlershof II – Gemeinsame frühe Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß §25 Abs. 3 VwVfG der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens“. Aber die Veranstaltung selbst war verständlich und informativ. Damit die von der Strecke profitierenden Anwohner es leichter hatten, fand diese Veranstaltung am Ort des Geschehens statt – im Forum Adlershof am 2011 eröffneten ersten Abschnitt der WISTA-Strecke.
Mit dem neuen Staatssekretär für Verkehr, Jens-Holger Kirchner, und seinem Referatsleiter, Matthias Horth, als Vortragende wurde sichtbar, wie ernst es der neuen Landesregierung sowohl mit der Verkehrswende als auch mit der demokratischen Ausgestaltung derselben ist. Auch die BVG war mit den für Angebots- und Infrastrukturplanung zuständigen Herren Klaus Emmerich und Wulf Heineking gut vertreten. Beide konnten selbst Detailfragen aus dem Publikum beantworten. Die gesamte „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ fand denn auch in guter Atmosphäre ohne grundsätzliche Konflikte statt. Das lässt auf eine schnelle Bewältigung des Planfeststellungsprozesses hoffen.
Wenn diese Strecke so schnell kommt wie versprochen, dann tritt hier erstmals nach dem Ende der DDR der Fall ein, dass die hierher ziehenden Anlieger von Beginn an eine
gute Verkehrsverbindung haben. Dadurch müssen sie sich gar nicht erst an die Automobilität gewöhnen.
Gezeigt wurde, dass zunächst auch abwegig erscheinende Streckenführungen ernsthaft untersucht wurden, um alle möglichen Auswirkungen der neuen Strecke einschätzen zu können. Für Fachleute wenig überraschend erwies sich am Ende die Führung von der jetzigen Endstelle Karl-Ziegler-Straße zum Groß-Berliner Damm und weiter auf dessen Mittelstreifen bis zur neu zu gestaltenden Kreuzung mit dem Sterndamm als die beste Variante. Auf fast der gesamten Streckenlänge kann die Bahn ungestört vom Autoverkehr fahren, und damit ist diese Strecke den unrühmlichen Planungen der Vorgängerregierungen in der Invaliden- und Bernauer Straße von vornherein überlegen.
Selbstverständlich wurden auch hier wieder Vorrangschaltungen für die Straßenbahn an den Lichtsignalanlagen (LSA) versprochen. Doch wer die Entwicklungen der Vergangenheit in dieser Stadt kennt weiß, wie wenig er diesen Zusagen trauen kann. Genau darum sind bauliche Maßnahmen wie separate Bahnkörper so wichtig – sie können von konkurrierenden oder „sabotierenden“ Behörden nicht einfach durch Abschalten torpediert werden.
Ebenfalls eindeutig positiv ist das geplante Betriebsprogramm. Das Grundangebot soll die vom Bahnhof Schöneweide verlängerte Metrolinie 17 bilden, die mit allen Fahrten (also im 10-Minuten-Takt) zum S-Bf Adlershof verlängert werden soll. Damit das Gebiet auch von Köpenick erreichbar bleibt, wird die Stammlinie 63 im unveränderten 20-Minuten-Takt über die Neubaustrecke bis Schöneweide verlängert. Mindestens im Werktagsverkehr ergänzt die Linie 61 dieses Angebot, so dass dann auch aus Köpenick unverändert alle 10 Minuten eine Bahn dorthin fährt – allerdings nicht durchgehend bis Schöneweide, sondern nur bis zur Zwischenendstelle Hermann-Dorner-Allee, was angesichts des sonst schon dichten Taktes als Anfangsangebot ausreichen wird.
Die zurzeit genutzte Schleife Karl-Ziegler-Straße war bekanntlich schon bei ihrer Eröffnung nur ein Provisorium für den ersten Bauabschnitt. Die Weiterführung der Strecke soll an dieser Stelle diagonal zum geplanten Straßenraster verlaufen und erst an der Ecke Groß-Berliner Damm/Hermann-Dorner-Allee wieder den rechtwinkligen Straßenverläufen folgen.
An eben dieser Stelle soll auch die neue, allerdings nur für Zweirichtungswagen nutzbare Zwischenendstelle entstehen. Im Gegensatz zur Anlage an der Wuhlheide, die nur aus einer Richtung benutzbar ist, wird hier durch nur eine zusätzliche Weiche eine beidseitige Anbindung geschaffen. In Störungsfällen wird die BVG für diese Weitsicht noch dankbar sein. Im Regelbetrieb soll hier nur die zweite Linie aus Köpenick enden. Erst wenn die fortschreitende Bebauung zwischen Adlershof und Schöneweide eine weitere Verdichtung des Angebots notwendig macht, kann durch eine Verlängerung auch dieser Linie bis Schöneweide kostengünstig nachgesteuert werden.
Ein Kapitel für sich wird die neue Schleifenanlage am Bahnhof Schöneweide. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Zunächst war geplant, diesen multimodalen Umsteigeknoten gemeinsam mit der Neubaustrecke zu planen und zeitgleich mit der Bahnhofsmodernisierung der Deutschen Bahn zu bauen. Da die Bauarbeiten am Regional- und S-Bahnhof aber, wie hier und heute leider üblich, wesentlich länger dauern als geplant, geriet die Realisierung der Straßenbahnstrecke in Gefahr. Senat und BVG entschlossen sich daher, die eigentliche Strecke bis einschließlich der Kreuzung Sterndamm/Groß-Berliner Damm nun planfestzustellen, um den Bau nicht zu verzögern, aber die Bus- und Straßenbahnschleife in Schöneweide aus diesem Verfahren auszulagern. Da sich für diesen Problembereich eine Verspätung von mehreren Jahren abzeichnet, ist eine provisorische Lösung mit Anbindung an das Bestandsnetz nicht nur rascher zu bauen, sondern auch wirtschaftlicher, als die gesamte Neubaustrecke zu verzögern.
Die diagonale Strecke zwischen Karl-Ziegler-Straße und Hermann-Dorner-Allee wird als unabhängiger Bahnkörper in Rasengleisbauweise ausgeführt. An der Westseite geht dieses nahtlos in die angrenzenden Parkwiesen über, an der Ostseite soll ein niedriger Gabionenwall ein leichtfertiges Überqueren der Trasse verhindern und zugleich eine Lärmbarriere für die Anwohner bilden. Die Haltestelle Hermann-Dorner-Allee wird in Seitenlage zur namensgebenden Straße angelegt und die Wendeanlage entsteht dann nach der 90-Grad-Kurve im Mittelstreifen des Groß-Berliner Damms.
Obwohl die weitere Streckenführung bis Schöneweide im seit Jahren freigehaltenen Mittelstreifen keine baulichen Probleme bereitet, waren zwei Aspekte bei diesem Anhörungstermin interessant: Zum einen das eingepflasterte Stück vor der Feuerwache, gelegen an der Ecke Greifstraße und Pietschkerstraße, wo eine spezielle LSA im Regelfall eine sichere Fußgängerquerung gewährleisten soll, aber über eine Beeinflussung durch die Feuerwehr sicherstellt, dass bei Alarm ausrückende Fahrzeuge Vorrang vor der Straßenbahn haben. Zum anderen der Bereich zwischen Pietschkerstraße und Sterndamm, wo zurzeit eine Überfahrt über den Mittelstreifen als Kaufhauszufahrt dient. Obwohl diese Querung schon bei ihrer Inbetriebnahme als Provisorium bis zum Bau der Straßenbahn erklärt wurde, regte sich auf der Veranstaltung Protest gegen deren Schließung. An diesem Beispiel war gut erkennbar, warum die „zeitweilige“ Nutzung von Straßenbahntrassen eine zwiespältige Entscheidung ist, die immer gegen die Schwierigkeiten abgewogen werden sollte, die sich daraus für die spätere Straßenbahn-Nutzung ergeben. Mit dem Boulevard der Stars gibt es ein weiteres Beispiel in Berlin, das der Verwaltung und BVG noch Schwierigkeiten bereiten wird.
Ein weiteres Thema der Veranstaltung war der geplante neue Straßenbahn-Betriebshof Südost, der allerdings nicht Teil des Verfahrens für die Neubaustrecke ist. Der gegenwärtig genutzte Straßenbahnhof Köpenick steht unter Denkmalschutz und ist nicht für Niederflurwagen geeignet. Ein Ersatzbau war ursprünglich auf einem der Grundstücke des ehemaligen Rangierbahnhofs Schöneweide vorgesehen, weil diese Fläche ausschließlich für gewerbliche Nutzung (also ohne Anwohnerbeeinträchtigung) geplant war und strategisch günstig mit Zugang zu verschiedenen Netzteilen liegt. In diesem Fall läge die Anbindung als Abzweig vom Groß-Berliner Damm im Planfeststellungsbereich.
Weil diese Planung aufgegeben wurde, aber ein neuer Betriebshof weiterhin nötig ist, wurde ein ehemaliges Güterbahnhofsgelände hinter der Wendeschleife Adlershof von der BVG als neuer Standort entdeckt. Zur optimalen Anbindung an das Bestandsnetz muss allerdings die Zufahrt zur Wendeschleife umgebaut werden. Bisher ist diese nur aus Richtung Köpenick möglich, was auch für die vorgesehene Führung der verlängerten M 17 schlecht wäre. Nun wird die Erweiterung zu einem vollständig zweigleisigen Dreieck geplant. Da diese Baustelle am schon fertig gestellten ersten Bauabschnitt liegt, wurde sie am 17. Januar nicht ausführlich besprochen, sondern nur kurz vorgestellt.
Eine wichtige Frage für WISTA II ist die mögliche Bauzeit. In der Veranstaltung wurde einmal mehr deutlich, dass das größte Beschleunigungspotenzial heute in einer raschen Planfeststellung liegt. Wenn diese sowie die anschließende Bau-Ausschreibung abgeschlossen sind, dann stellen die eigentlichen Bauarbeiten keine große Hürde mehr da. Laut Aussagen der BVG-Verantwortlichen werden auf dieser schon vorbereiteten Trasse nur etwa 10 Tage für 100 Meter Strecke benötigt. Entscheidend für eine Fertigstellung noch in dieser Legislaturperiode ist also ein früher Baubeginn, dann sind die insgesamt 2600 Meter in weniger als einem Jahr fertig.
Die heutigen und mehr noch die künftigen Fahrgäste in diesem aufstrebenden Wirtschafts- und Wohngebiet hoffen nun auf die versprochene schnelle Feinplanung, Genehmigung und Fertigstellung dieser wichtigen Netzergänzung. Diese relativ einfache Strecke ist zugleich ein guter Prüfstein für den neuen Senat, ob er es besser als sein Vorgänger versteht, seine verkehrspolitischen Versprechen umzusetzen. Der Fahrgastverband IGEB wird dieses Projekt beobachten und bei Bedarf unterstützen, um ein positives Gegenbeispiel zu den zahlreichen Baupannen dieser Region zu ermöglichen. (af)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 2/2017 (Mai 2017), Seite 14-17