Tarife
Vier, zwei, eins – Deins. Ganz einfach, oder? Sie sind verwirrt? Willkommen in Berlin. Als Einheimischer ist es oft schon schwierig, in dieser Stadt den Über- beziehungsweise Durchblick zu behalten. Wie ergeht es da erst den Touristen in unserer Stadt? Das versuchen wir uns jetzt einmal vorzustellen.
15. Mai 2017
Neben der allgemeinen Tarifvielfalt des VBB im Berliner Stadtgebiet und im Umland (Zonen Berlin A+B+C) haben Berlins Gäste zusätzlich die Qual der Wahl, aus 45 verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten das für sie optimale Touristenticket auszuwählen. Darin fließen nicht nur Überlegungen ein, welchen Geltungsbereich und welche Geltungsdauer das Ticket abdecken soll, sondern auch, welche touristischen Leistungen für die 45 verschiedenen Preise geboten werden!
Im Grunde steckt dahinter ein einziges Angebot des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg VBB: Eine Zeitkarte. Vor dem Kauf sind zunächst zwei Entscheidungen zu treffen: Wie weit und für wie lange soll das Ticket gelten? Als Geltungsbereich stehen BerlinABC (Berlin mit
nahem Umland) oder BerlinAB (Berlin ohne Umland) zur Wahl. Aber Achtung! Wer sich für Zone AB entscheidet, kann später nicht einfach einen Anschlussfahrschein für die Tarifzone C dazukaufen. Der ist nicht zugelassen! Es muss mindestens eine normale Einzel- oder Tageskarte BC zu den jeweiligen Konditionen gelöst werden.
Bei der Geltungsdauer kann man sich entscheiden, ob man ab Stempelaufdruck 48 bzw. 72 Stunden fahren möchte oder für 4, 5 bzw. 6 Kalendertage bis jeweils 24 Uhr des letzten Geltungstages. Auch die Dauer sollte mit Bedacht gewählt werden. Denn nur solange das Ticket gilt, können auch die touristischen Zusatzleistungen genutzt werden. Ein Nachkauf von Zusatztagen oder die Kombination mit regulären VBB-Tageskarten im Anschluss ist nicht möglich.
Das Ticket gilt für einen Erwachsenen, der bis zu drei Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren sowie einen Hund mitnehmen darf. Ein Fahrrad jedoch nicht. Der reine Fahrtkostenanteil erstreckt sich dabei zwischen 12,10 Euro für 48 Stunden Berlin AB und 33,30 Euro für 6 Tage Berlin ABC. Zum Vergleich: zwei Tageskarten Berlin AB kosten 14 Euro und eine 7-Tage-Karte Berlin ABC 37,50 Euro.
Alle touristischen Fahrausweise sind vom Umtausch ausgeschlossen. Die tarifliche Grundlage gilt laut VBB-Tarif zunächst bis zum Jahresende 2017.
Auf die Ticket-Konstruktion des VBB aufbauend haben zwei Anbieter jeweils zwei Angebotspakete mit bis zu 200 verschiedenen Kooperationspartnern geschnürt, eines davon sogar mit zwei Zusatzpaketen. Zum einen ist das die Berlin Tourismus & Kongress GmbH, die unter der Marke „Visit Berlin“ die „Berlin CityTourCard“ und die „Berlin WelcomeCard“ anbietet. Zum anderen die Eddietainment GmbH in Köpenick, die den „EasyCityPass Berlin“ und speziell für die schwul-lesbische Community den „QueerCityPass Berlin“ aufgelegt hat.
Und hier beginnt die Sisyphusarbeit. Welches der vier Pakete bietet die richtige Mischung an Kooperationspartnern und Vergünstigungen? Die beiden extremen Gegensätze sind da die spartanische City-TourCard mit lediglich 10 Vergünstigungen und das Multipaket WelcomeCard mit über 200. Davon verleiten allein 30 zu einem Besuch im benachbarten Potsdam.
„EasyCityPass“ und „QueerCityPass“ liegen mit etwas über 50 Kooperationen dazwischen. Zum Teil überschneiden sie sich – bieten gleiche Attraktionen an, aber unterscheiden sich auch zielgruppenbedingt. Beim Vergleichen der Info sollte man nicht nur darauf achten, welche Partner an jedem Paket beteiligt sind, sondern auch zu welchen Konditionen. Zwei Beispiele: Die Berliner Kabarett Anstalt bietet bei „QueerCityPass“ und „WelcomeCard“ 30 Prozent Nachlass auf den Eintritt, beim „EasyCityPass“ dagegen nur 20 Prozent. Das Schwule Museum kann mit der WelcomeCard zu 33 Prozent vergünstigt besucht werden, beim „QueerCityPass“ muss man zu zweit sein, damit das 2-für-1-Angebot etwas nützt.
Den großen Touristen-Pluspunkt bietet die „Berlin WelcomeCard“. Nicht nur mit der riesigen Auswahl beispielsweise bei verschiedensten geführten kostenpflichtigen Berlin-Touren und Stadtrundfahrten, sondern auch mit sechs verschiedenen Routenempfehlungen im ca. 170-Seiten starken Begleitbüchlein. Und das alles in vier Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch und Italienisch. Obendrein ist auch noch ein Stadtplan enthalten.
Um die Verwirrung jedoch zu vergrößern, werden von der „Berlin WelcomeCard“ noch weitere Abwandlungen mit inkludierten Zusatzleistungen angeboten:
Die „Berlin WelcomeCard+Museumsinsel“ beinhaltet komplett den Eintritt für Alte Nationalgalerie, Altes Museum, Bode-Museum, Neues Museum sowie Pergamonmuseum, wird aber ausschließlich zusammen mit einer 72-Stunden-Fahrkarte zum Gesamtpreis von 44 Euro (AB) bzw. 46 Euro (ABC) verkauft.
Die „Berlin WelcomeCard all inclusive“ geht noch einen Schritt weiter. Wobei das „all inclusive“ jedoch äußerst irreführend ist, da es nicht für alles gilt! Hier sind (nur) 30 Berlin-Attraktionen bereits im Preis mit enthalten. Für alle anderen gelten lediglich die standardmäßigen Vergünstigungen. Die Ticketversionen werden als ABC-Ticket für 95 Euro (48 Std.), 109 Euro (72 Std.) und 129 Euro (4 Tage) offeriert – auf Wunsch auch ohne Fahrkarte für 79, 89, 99 Euro! Angeboten wird dies „all inclusive“ – jedoch nicht über die Verkehrsunternehmen.
Nebenbei sei bemerkt: Mit mehr Sicherheit im „Nahverkehr“ punktet der „Queer-CityPass“ bei den Fahrgästen. Als ein besonderes Special gibt es ein kostenloses „Queer-City-Pack“ (5 Kondome + 1 Tube Gleitgel) in „Berlins schwules Informations- und Beratungszentrum Mann-O-Meter“.
Während die BVG sich ausschließlich auf die Berlin CityTourCard und die Berlin Welcome-Card beschränkt, bieten die Verkaufsstellen von DB Regio und der Berliner S-Bahn die ganze Vielfalt – also auch den EasyCityPass und den QueerCityPass – an. Wer sich bereits vor der Berlin-Reise einen Überblick verschaffen will, ist auf der Homepage der S-Bahn gut aufgehoben. Hier kann man unter www.s-bahn-berlin.de nicht nur die aktuellen Info-Faltblätter aller Anbieter als PDF anschauen und die Konditionen am besten vergleichen, sondern im Vorfeld ALLE gewünschten Tickets gleich bestellen. Für tiefergehende Detailinformationen zu einzelnen Ermäßigungen und Angeboten wird man von dort gleich auf die Anbieter-Seiten verlinkt.
Man kann natürlich jedes der verschiedenen Tickets auch beim jeweiligen touristischen Anbieter beziehungsweise bei deren Vertriebspartner (z. B. bei verschiedenen Hotels) erwerben. Ein Kauf am Automaten birgt das Problem, dass hier die Begleithefte/-informationen nicht mit ausgegeben werden. Dazu müsste man erst eine personenbediente Verkaufsstelle aufsuchen.
Die Tickets sind ein Spiegel der Stadt. Die Vielfalt ist Programm und überfordert den Unwissenden. Wer unbedarft mit einem Koffer in Berlin ankommt, und sich dann ad hoc entscheiden muss – die Warteschlange am Schalter hinter sich, trifft schnell die falsche Wahl.
Um die Auswahl zu vereinfachen, empfiehlt sich eine Ausdünnung des Angebotes. Beispielsweise sollten, um ungewolltes Schwarzfahren über die Stadtgrenze zu vermeiden, alle Tickets nur als BerlinABC-Ticket erhältlich sein. Eine Beschränkung auf 1-, 3- sowie 7-Tageskarten dürfte ausreichend sein
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 2/2017 (Mai 2017), Seite 18-19