Fernverkehr
Die ICE 3-Züge der DB-Baureihen 403 und 406 sind für eine Lebensdauer von insgesamt rund 30 Jahren ausgelegt. Aber nach mittlerweile fast 17 Jahren im Fahrplaneinsatz ist die Modernisierung der Fahrzeuge unumgänglich. Erfreulicherweise ist ein solches Vorhaben bei Schienenfahrzeugen auch meist möglich, und so hat die DB AG beschlossen, ihre 66 Züge umfassende Flotte der ersten beiden ICE 3-Serien einem Redesign zu unterziehen und damit an neue technische Standards anzupassen.
15. Mai 2017
Wichtig bei derartigen Vorhaben ist das Eingehen auf Kundenbedürfnisse, und da haben diese Züge mittlerweile einigen Nachholbedarf. Ähnlich wie bei dem Neubaufahrzeug ICE 4 wurde im Rahmen des Redesigns erfreulicherweise mehr Platz für Gepäck berücksichtigt. Die Gepäckregale sind im Großraumbereich der Wagen angeordnet, so dass die Bahnkunden ihre Koffer bzw. Taschen im Blick haben.
Die bisherigen Sitze werden komplett ersetzt. Hieraus ergibt sich ein Bedarf von insgesamt 29 604 neuen Sitzen. Bei der bereits vom ICE 4 bekannten Konstruktion werden die Sitze beim Verstellen in die Ruheposition nicht mehr nach hinten gestellt, sondern
innerhalb der Sitzschale nach vorn gezogen. Die hinteren Sitznachbarn werden auf diese Weise weniger beeinträchtigt.
Die Reservierungsanzeige von Sitzplätzen ist in die Kopfstütze am Mittelgang integriert. Die Erkennbarkeit ist damit deutlich günstiger gelöst als die bisherige Anzeige an der Gepäckablage. Ähnlich wie beim ICE 4 stimmt die Sitzteilung leider auch beim ICE 3 nicht mit der Fensterteilung überein.
Erfreulich dagegen: Statt des bislang sehr bescheidenen Serviceangebots mit einem Bordbistro wird nun wieder ein Bordrestaurant mit insgesamt 20 Sitzplätzen eingebaut. Dies ist letztlich ein Wettbewerbsvorteil der Verkehrsträgers Schiene gegenüber anderen Verkehrsmitteln!
Auch für Bahnkunden mit Mobilitätseinschränkungen wurden Verbesserungen realisiert: Rollstuhlfahrern stehen pro Zugeinheit jetzt zwei Plätze an höhenverstellbaren Tischen zur Verfügung – vor dem Redesign gab es lediglich einen Platz. Für Kunden mit eingeschränktem Sehvermögen wurde ein taktiles Wegeleitsystem realisiert. Neu bzw. attraktiver gestaltet ist auch das Kleinkindabteil.
Außerdem wurde die Fahrgastinformation ergänzt bzw. verbessert. Im Rahmen des Redesigns werden insgesamt 2.542 Monitore in den 66 ICE 3-Zügen installiert. Informationen zum Reiseverlauf und zu Anschlusszügen werden den Reisenden in Echtzeit angezeigt.
Ein Angebot, das während der Konzeptionsphase und auch noch während der Indienststellung als „nice to have“ galt, mittlerweile aber essentiell ist, betrifft die Realisierung einer leistungsfähigen und stabilen W-LAN-Versorgung im GANZEN Zug. Waren in den frühen 2000er Jahren von 450 Passagieren vielleicht 10 Prozent mit W-LAN-fähigen Geräten unterwegs, so trägt der moderne Reisende mittlerweile mehr als eine Funkbake mit sich herum. Dieser Gerätepark muss versorgt werden, und deshalb muss die Netzinfrastruktur im Zug dringend verbessert werden. Die DB plant dazu die Verlegung von Glasfaserkabeln für bessere W-LAN-Versorgung über den ganzen Zug, verbunden mit dem Einsatz von Repeatern und Access points.
Im Rahmen des Redesigns werden alle ICE 3-Einheiten auch mit dem Europäischen Zugkontrollsystem ETCS ausgerüstet. Damit wird ab Dezember 2017 der Einsatz u. a. auf den Neubaustrecken Halle/Leipzig—Erfurt bzw. Erfurt—Ebensfeld in der Relation Berlin—München ermöglicht.
Die Fahrzeuge werden für die Modernisierung außer Betrieb genommen und kommen für rund neun Wochen in das Werk der DB-Fahrzeuginstandhaltung in Nürnberg. Dort werden die Züge entkernt, das heißt die Inneneinrichtung wird komplett demontiert, und es erfolgt ein Neuaufbau. Das ist ein zwar aufwendiges, aber nachhaltiges Verfahren, denn die gute Grundsubstanz der Züge wird weiter genutzt. Parallel sind stets drei Züge für das Redesign im Werk. Der letzte modernisierte ICE 3 soll Ende 2020 das DB-Werk Nürnberg verlassen. Insgesamt investiert die Deutsche Bahn in das Redesign der ICE 3-Flotte 210 Millionen Euro.
Absolut unverständlich ist, dass auch nach der Modernisierung die Fahrradmitnahme in diesen ICE-Zügen nicht möglich sein wird. Es gibt auch zukünftig keine Fahrradabteile und keine Nischen oder sonstigen Abstellplätze. In Zeiten einer zunehmenden Fahrradnutzung ist das ein Armutszeugnis und eines Mobilitätsdienstleisters, der sich in seiner PR gerne als „grün“ darstellt, unwürdig.
Die Vernetzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel sollte mittlerweile eine Selbstverständlichkeit sein. Offensichtlich hat die Bahn hier den Zug der Zeit noch nicht erkannt. Da muss nachgebessert werden! Und das möglichst schnell! In dieser Frage weitere 15 Jahre auf den Ersatz der Züge zu warten, halten DBV und IGEB für nicht angebracht. Der Einbau von Fahrradabstellmöglichkeiten an einem Zugende sollte, ähnlich wie bei dem ICE 4, eine Selbstverständlichkeit sein.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 2/2017 (Mai 2017), Seite 20-24