Fernverkehr
Gesetzentwurf sieht den Bund als Aufgabenträger im Fernverkehr vor
15. Mai 2017
Der Gewährleistungsauftrag des Bundes für ein Grundangebot im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) ist in Artikel 87e Absatz 4 Grundgesetz festgelegt. Das in diesem Artikel benannte Bundesgesetz, das die Daseinsvorsorge regelt, gibt es allerdings bis heute nicht. Die wiederholt vorgetragene Rechtfertigung des Bundes, er nehme diese grundgesetzliche Verantwortung bereits durch die Bereitstellung von Investitionsmitteln für die Schienenwege ausreichend wahr, entspricht keineswegs dem Anliegen des Gesetzgebers.
Die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Bremen, Brandenburg, Thüringen und das Saarland haben deshalb einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht (siehe Kasten). Dieser wiederum hat in seiner Sitzung am 10. Februar 2017 mehrheitlich dem Entwurf zugestimmt (Drucksache 745/16). Damit wird der nun in den Deutschen Bundestag eingebracht.
Wesentliche Regelungen des vom Bundesrat beschlossenen Entwurfs für ein Schienenpersonenfernverkehrsgesetz (SPFVG) betreffen den Gewährleistungsauftrag für ein Grundangebot im Schienenpersonenfernverkehr. Zu diesem Zweck soll ein
Schienenpersonenfernverkehrsplan (SPFVPlan) erstellt werden, in dem u. a. die zu befahrenden Linien, die anzubindenden Orte (so z. B. alle Oberzentren) und die tägliche Bedienzeit festgelegt werden. Das Zugangebot darf sich dabei nicht auf ein existenzielles Minimum beschränken.
Im Hinblick auf die europäische Integration sollen auch Ziele im benachbarten Ausland berücksichtigt werden, ebenso die Anbindung touristischer Regionen.
Darüber hinaus können im SPFV-Plan Vorgaben zur Qualität und den anzuwendenden Tarifen festgelegt werden.
Die Aufstellung des SPFV-Planes soll erstmals drei, spätestens jedoch sechs Monate nach Inkrafttreten des SPFV-Gesetzes erfolgen. Eine Fortschreibung und Veröffentlichung im Turnus von maximal drei Jahren ist ebenfalls berücksichtigt. Entgegen Aussagen aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird auf diese Weise sichergestellt, dass Angebote des Schienenpersonenfernverkehrs regelmäßig auch an geänderte Verkehrsströme angepasst werden können.
Der Deutsche Bahnkunden-Verband und der Berliner Fahrgastverband IGEB begrüßen die Bundesratsinitiative.
Mit einem Schienenpersonenfernverkehrsgesetz würden Verantwortlichkeiten endlich klarer geregelt. Insbesondere hat die im Jahr 1996 umgesetzte Regionalisierung, d. h. die Übertragung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) an die Bundesländer, zu der unbefriedigenden Praxis geführt, Fernverkehrsangebote einzustellen und als Schienenpersonennahverkehr durch die Bundesländer bestellen zu lassen. Dieses Verfahren entspricht jedoch nicht der Zweckbestimmung der Finanzmittel aus dem Regionalisierungsgesetz bzw. stellt eine nicht gesetzeskonforme Verantwortungsverlagerung vom Bund auf die Länder dar.
In der vorliegenden Form ist der Gesetzentwurf für ein Schienenpersonen- fernverkehrsgesetz in einigen Teilen allerdings sehr allgemein formuliert und ermöglicht daher entsprechend großzügige Auslegungsspielräume. Der Deutsche Bahnkunden- Verband und der Berliner Fahrgastverband IGEB halten deshalb einige Konkretisierungen für notwendig.
So sollte in § 1 SPFVG (Gewährleistungsauftrag) ausdrücklich festgeschrieben sein, dass die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung von Städten ab 50 000 Einwohnern mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonenfernverkehr eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist.
Die Gewährleistung des Bundes für den SPFV erstreckt sich dabei auf die öffentliche Beförderung von Personen auf der Schiene über 100 km.
Der Bund muss zu diesem Zweck – vergleichbar den SPNV-Aufgabenträgern in den Bundesländern – eine Aufgabenträgerorganisation für den SPFV auf Bundesebene einrichten.
Auch sollte in dem SPFV-Gesetz festgeschrieben werden, dass bei Fahrausweisen endlich der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent, entsprechend den Regelungen im SPNV, anzuwenden ist. Die Senkung von 19 auf 7 Prozent würde die politisch gewünschten Verkehrsverlagerungen vom Auto auf die Bahn fördern. Angesichts der zuletzt im Jahr 2016 deutlich gestiegenen Treibhausgasemissionen ist eine derartige Förderung des überwiegend elektrisch betriebenen Schienenverkehrs überfällig.
In § 2 SPVFG (SPFV-Plan) sollte die Beteiligung der bundesweiten Fahrgastverbände bei der Erstellung und Fortschreibung des SPFV-Plans verbindlich festgeschrieben werden.
Wie das Grundangebot des Schienenpersonenfernverkehrs aussehen soll, ist in dem Gesetzentwurf leider auch nicht beschrieben. Daher sollte konkret festgelegt werden, dass die Aufgabenträgerorganisation sicherzustellen hat, dass ein SPFV bundesweit mindestens im 2-Stunden-Takt von Montag bis Sonnabend zwischen 6 und 20 Uhr bzw. an Sonntagen zwischen 8 und 20 Uhr angeboten und ggf. auch entsprechend bezuschusst wird. Basis dafür soll das ehemalige InterRegio-Netz von 1996/1997 mit einem Gesamtnetz von rund 11 100 km sein.
Festzulegen sind außerdem Mindeststandards zu den auf den Fernverkehrslinien zum Einsatz kommenden Fahrzeugen, so z. B. hinsichtlich Komfort, Service im Zug (Bistro) und Anzahl von Fahrradstellplätzen. Solche zusätzlichen Regelungen sind auch deshalb erforderlich, weil Ausschreibungen von Linien bzw. Teilnetzen notwendig werden, sobald die Leistungen mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden.
Weiterhin gehört hierzu auch die Anforderung, dass ein bundesweit einheitlicher Tarif und ein bundesweit einheitliches Vertriebsnetz grundsätzlich unabhängig von Ergebnissen einer Teilnetzausschreibung sicherzustellen sind.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 2/2017 (Mai 2017), Seite 28-29