söp
15. Mai 2017
Der Beschwerdeführer wollte ursprünglich mit einem Zug um 10.56 Uhr von Güstrow nach Köln-Chorweiler fahren. Für diese Fahrt hatte er eine Fahrkarte zu einem Preis von 49 Euro erworben. Aufgrund von angekündigten Streikmaßnahmen fiel jedoch die gewählte Verbindung aus, so dass sich der Beschwerdeführer noch vor Antritt der Fahrt nach einer alternativen Verbindung erkundigte. Von der Reiseauskunft wurde ihm ein Zug mit Abfahrt bereits um 8.56 Uhr in Güstrow genannt.
Am Reisetag kam es auf der Fahrt zu einer weiteren streikbedingten Veränderung der Reiseplanung, so dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben tatsächlich erst um 9.01 Uhr in Güstrow losfuhr und Köln-Chorweiler um 20.30 Uhr erreichte. Planmäßig hätte er bereits um 18.49 Uhr dort ankommen sollen.
Nach der Fahrt wandte sich der Beschwerdeführer an das Servicecenter Fahrgastrechte und machte eine Verspätungsentschädigung geltend.
Das Servicecenter bezifferte die Verspätung auf 101 Minuten und zahlte eine Verspätungsentschädigung in Höhe von 12,25 Euro (25 Prozent des Fahrpreises). Im Rahmen der weiteren Korrespondenz bat der Beschwerdeführer, die ca. zwei
Stunden frühere Abfahrt in Güstrow bei der Berechnung der Verspätungsentschädigung mit einzubeziehen. Dies wurde vom Servicecenter abgelehnt, da „eine Verlängerung der Fahrzeit durch Nutzung eines früher fahrenden Zuges“ bei der Prüfung nicht berücksichtigt werden kann. Der Beschwerdeführer war damit nicht zufrieden und bat die söp um Prüfung.
Die söp prüfte das Anliegen des Beschwerdeführers und kam zu dem Ergebnis, dass der Entschädigungsantrag vom Servicecenter Fahrgastrechte korrekt bearbeitet worden ist.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 a) Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (VO) besteht ein Anspruch auf Verspätungsentschädigung bei Zugverspätungen ab 60 Minuten in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises und ab 120 Minuten 50 Prozent des Fahrpreises. In Art. 3 Nr. 12 VO wird „Verspätung“ als „die Zeitdifferenz zwischen der planmäßigen Ankunftszeit des Fahrgastes gemäß dem veröffentlichten Fahrplan und dem Zeitpunkt seiner tatsächlichen oder erwarteten Ankunft“ definiert. Planmäßig sollte der Beschwerdeführer um 18.49 Uhr an seinem Zielort ankommen, tatsächlich erreichte er Köln-Chorweiler aber erst um 20.30 Uhr. Die entschädigungsrelevante Verspätung lag also unter 120 Minuten, so dass nur ein Anspruch in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises geschuldet war. Entschädigungsansprüche wegen verfrühter Abfahrt oder Fahrzeitverlängerung sieht die VO nach ihrem Wortlaut nicht vor.
Die söp wies aber darauf hin, dass dem Beschwerdeführer durch die streikbedingten Verspätungen Unannehmlichkeiten und erhebliche zeitliche Einbußen entstanden sind. So musste er seine Reise ca. 120 Minuten früher antreten und kam trotzdem noch 101 Minuten später an seinem Zielort an. Seine Reise war damit über 3,5 Stunden länger als geplant. Darüber hinaus machte die söp deutlich, dass der Beschwerdeführer die Verspätung nur dadurch minimieren konnte, indem er sich bereits am Vortag über eine alternative Reiseverbindung informiert hatte. Wäre er wie geplant um 10.56 Uhr am Bahnhof erschienen, ist wohl davon auszugehen, dass die Verspätung am Zielort mehr als 120 Minuten betragen hätte. Dann hätte er einen Anspruch auf 50 Prozent der Ticketkosten gehabt. Diese Kosten hat der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin nunmehr erspart.
Die söp schlug daher vor, dem Beschwerdeführer aus Kulanz einen Reisegutschein im Wert von 10 Euro zu gewähren, um den Unannehmlichkeiten und der erheblichen Fahrzeitverlängerung Rechnung zu tragen. Die Beschwerdegegnerin zeigte sich nach Abwägung der Umstände, insbesondere aufgrund der um zwei Stunden vorverlegten Abfahrt, bereit, dem Beschwerdeführer entgegen zu kommen und akzeptierte den Vorschlag der söp. Auch der Beschwerdeführer war mit dem Gutschein einverstanden, so dass die streitige Angelegenheit einvernehmlich beigelegt werden konnte.
Dr. Katja Schmidt
Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff können von Verkehrsunternehmen wie von deren Kunden noch so gut geplant und organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen kommen, die Anlass zur Beschwerde geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger.
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Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen können sich an die söp wenden, wenn sie auf ihre Beschwerde hin von dem an der Schlichtung teilnehmenden Verkehrsunternehmen der Region keine sie zufriedenstellende Antwort erhalten haben.
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
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aus SIGNAL 2/2017 (Mai 2017), Seite 31