Titelthema Straßenbahn

Die Fahrkartenautomaten bei der BVG – eine Never Ending Story

Alle Jahre wieder lesen Sie hier einen Artikel zu den Fahrkartenautomaten der BVG. Leider hat es die BVG bis heute nicht geschafft, in ihre Straßenbahnen zeitgemäße und vor allem funktionsfähige Automaten einzubauen. Die Liste der Pannen ist lang und peinlich.


IGEB Stadtverkehr

6. Aug 2017

Rückblick

2008 – Die BVG stellte ihre neueste und modernste Straßenbahn vor: den Flexity Berlin. In allen vier Prototypen waren Fahrkartenautomaten eingebaut, die Geldscheine annahmen und eine Kartenzahlung zuließen. Sie hatten nur ein Problem: Sie waren mehr defekt als funktionsfähig.

2011 – Am 10. September 2011 stellte die BVG ihren ersten Flexity-Serienwagen vor – mit einer Überraschung: Es wurden die alten Automaten eingebaut, Automaten die keine Geldscheine annehmen und erst recht keine Kartenzahlung haben. Die Tatsache, dass die langen Flexity zwei Automaten bekamen. kann nicht über die Mängel hinwegtrösten.

Bereits am 5. April 2011 war im Amtsblatt der EU eine Ausschreibung für 583 stationäre

ANZEIGE

und 312 mobile Automaten für die BVG-Straßenbahn bekannt gemacht worden.

2012 – In SIGNAL, Heft 6 wiesen wir das erste Mal auf die Problematik hin.

Keine Annahme von Geldscheinen in den Fahrkartenautomaten der Straßenbahn – obwohl viele angebotenen Fahrscheinen nur mit seiner größeren Anzahl von 2-Euro-Stücken zu zahlen sind Foto: Michael Dittrich

2013 – Bei der Anpassung der Prototypen des Flexity Berlin wurden die neuen Automaten ausgebaut und, wie bereits in der Serie, durch alte Automaten ersetzt.

Im Amtsblatt der EU wurde die Vergabe des Auftrages aus der Ausschreibung vom 5. April 2011 bekannt gegeben. Der Auftrag ging an die Firma Höft & Wessel AG Almex Division.

2014 – SIGNAL, Heft 4 berichtete erneut über die Problematik. Anlass waren die Antworten auf zwei Anfragen im Abgeordnetenhaus.

So wurde zu einer Anfrage ein „Rollout“ neuer Automaten für das erste Quartal 2015 angekündigt, in der Antwort zur zweiten Anfrage erklärte die BVG, wie stark sie von Manipulationen ihrer Automaten betroffen ist.

2015 – Am 31. Mai 2015 waren es exakt zwei Jahre, seit der Auftrag für neue Automaten vergeben wurde. Passiert war nichts: Keine neuen Automaten, keine Scheinannahme in der Straßenbahn und immer wieder Verdruss bei den Kunden – nachzulesen in SIGNAL, Heft 5.

2016 – Die Firma Höft & Wessel AG wurde 2015 in METRIC mobility solutions AG umbenannt. Am 28. Juni 2016 meldete das Unternehmen Eigeninsolvenz an, welche vom Amtsgericht Hannover am 1. Juli 2016 zugelassen wurde. Die Firma METRIC gab am 8. Juli 2016 in einer Pressemitteilung bekannt, dass die Berliner Verkehrsbetriebe vom Vertrag zurücktreten. Die Auslieferung der Automaten war für den Zeitraum Oktober 2016 bis zur Jahresmitte 2017 vorgesehen. Eine Erklärung der BVG gab es dazu nicht.

Der aktuelle Stand der Dinge

Änderung der Akzeptanz bei Kartenzahlungen zum 1. Januar 2018

Neben der Zahlung mit einer Kreditkarte ist auch die Zahlung mit der girocard und der PIN möglich. Im Falle einer Störung darf die Magnetstreifentechnologie künftig aber nicht mehr angewendet werden. Die Autorisierungszentralen lehnen bereits Autorisierungsanfragen auf Basis von Magnetstreifendaten ab. Im Sinne der Ausfallsicherheit ist daher eine zeitnahe Umstellung auf TA 7.1 erforderlich.

Ältere Geräte, wie die der BVG, können aber nicht durch einen Softwarewechsel angepasst werden. Deswegen muss die BVG diese Geräte nun schnell ersetzen.

Auch im Jahr 2017 gibt es keine neuen Fahrkartenautomaten für die Straßenbahn, nicht einmal eine neue Ausschreibung wurde bisher gestartet. Stattdessen hat die BVG im Amtsblatt der EU eine Freiwillige Ex-ante-Transparenzbekanntmachung über die Vergabe eines Lieferauftrages ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb veröffentlicht. Inhalt des Auftrages ist der Austausch der Kartenlesegeräte in den stationären Automaten der BVG, bedingt durch eine Forderung der Deutschen Kreditwirtschaft (siehe Kasten auf Seite 15).

So etwas ist nur möglich, wenn sehr strenge Regeln erfüllt sind und für den Auftraggeber unvorhersehbare Ereignisse vorliegen. Das ist für die BVG gegeben mit der (gescheiterten) Vergabe des Auftrages vom 31. Mai 2013 (also vor vier Jahren) und mit der Insolvenz des Auftragnehmers, dem wegen Leistungsverzug gekündigt werden musste. Eine Prüfung aller erdenklichen Möglichkeiten habe ergeben, dass der Einsatz der älteren Automaten weiterhin erforderlich ist. Somit kann nur der Hersteller der Automaten die gewünschten Geräte liefern.

Vertane Chancen

Seit 2011 versucht die BVG, neue Fahrkartenautomaten für U-Bahn und Straßenbahn zu bekommen. In anderen Betrieben lief das besser. Für Potsdam wurden 2009 neue Fahrkartenautomaten ausgeschrieben, und im ersten Quartal 2012 konnte das Programm „Austausch der Automaten“ beendet werden. Die damals neuen Variobahnen wurden mit den neuen Automaten geliefert.

Ob der Vertrag wegen der Insolvenz der Firma METRIC gekündigt werden musste, ist nach Meinung der IGEB auch etwas zweifelhaft. Alle Aufträge wurden an die Firma Almex abgegeben, womit die BVG heute über neue Automaten verfügen könnte.

Auch ist nicht nachvollziehbar, warum nicht sofort eine neue Ausschreibung gestartet wurde. Ein Lastenheft für die neuen Automaten ist ja vorhanden, denn es wurden ja Automaten bestellt und die Technik ändert sich zwar, aber so schnell dann doch nicht.

Mit neuen Automaten hätte die BVG heute nicht das Problem, die Kartenlesegeräte austauschen und damit erneut in alte Automaten investieren zu müssen.

Das größte Problem bleibt aber immer noch ungelöst: Wie zahlt ein Kunde in der Straßenbahn seinen Fahrschein, wenn er kein Kleingeld hat? Die Antwort der BVG ist dabei einfach nur eine Unverschämtheit: Der Fahrgast hat sich vor Antritt einen gültigen Fahrausweis zu beschaffen oder genügend Kleingeld bei sich zu führen. Dass die Automaten keine 2-Euro-Münzen annehmen bzw. dieses nur mit Widerwillen, verschärft das Problem. Natürlich verkaufen die Kontrolleure der BVG keine Fahrausweise, sie behandeln Fahrgäste, die kein Kleingeld haben, als Schwarzfahrer.

Wann greift der Senat endlich ein?

Unverständlich ist auch die Passivität des Berliner Senats. Auf der einen Seite soll die BVG die Einnahmen aus Fahrgeldern steigern, auf der anderen Seite befördert sie zahlungswillige Fahrgäste quasi kostenlos, da die sich keinen Fahrschein kaufen können. Welche Summe der BVG dadurch jedes Jahr verloren geht, kann nicht ermittelt werden, aber jeder einzelne Fahrgast, der zahlen will und unfreiwillig zum Schwarzfahrer wird, ist einer zu viel. (md)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 3/2017 (August 2017), Seite 14-15