Brandenburg

CDU-Gutachten mit bemerkenswerten Analysen und Vorschlägen

Entwicklungsstrategie für den SPNV in Berlin und Brandenburg


Berliner Fahrgastverband IGEB

6. Aug 2017

Mit der im Auftrag der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg erarbeiteten und im März 2017 veröffentlichten „Entwicklungsstrategie für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in Berlin und Brandenburg“ setzte die größte Oppositionspartei im Landtag ein bemerkenswertes Zeichen für besseren SPNV.

Die Autoren Hans Leister und Detlef Woiwode beschreiben viele Defizite und machen interessante Vorschläge. Wer sich schon lange mit der brandenburgischen Verkehrspolitik beschäftigt, erfährt dabei zwar wenig wirklich Neues, aber Landtag und Landesregierung haben sich solchen und ähnlichen Analysen und Vorschlägen bisher stets verweigert, denn sie sind nicht gerade schmeichelhaft für die brandenburgische SPNV-Politik.

So ist in der Zusammenfassung zu lesen: „Das Konzept liefert die Begründung für viele dringend benötigte Infrastruktur-Ausbaumaßnahmen. Zurückhaltende Bestell-Politik des Landes hat bisher dazu geführt, dass Forderungen nach Infrastruktur-Ausbauten nicht überzeugend begründet werden konnten.“

Dem setzen die Autoren ihr neues Regionalverkehrs-Konzept entgegen: „Die hier vorgestellte progressive Regionalverkehrs-Strategie wird die Verbindungen aus den Städten und Regionen im

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Land Brandenburg massiv verbessern. Zielvorgabe war dazu die Forderung, alle Ober- und Mittelzentren schneller mit Berlin und Potsdam zu verbinden; auch die Städte, die relativ weit von Berlin entfernt sind, sollen in weniger als 90 Minuten erreichbar werden.“

Und wie soll das alles finanziert werden?

Zur Finanzierung schreiben die Autoren: „Das Regionalverkehrs- Netz ist bei weitem nicht so gut, wie es sein könnte. Von den vom Bund bereitgestellten Regionalisierungsmitteln für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) verwendet das Land Brandenburg nur rund 80 Prozent für Regionalzüge und S-Bahnen, ein erheblicher Teil fließt entgegen der Intention des Regionalisierungsgesetzes in die Finanzierung des Schülerverkehrs und in den Straßen-ÖPNV, der dafür keine Landesmittel erhält.

Mit der heutigen Drosselung des Regionalverkehrs und des öffentlichen Verkehrs insgesamt durch Unterfinanzierung schadet das Land Brandenburg der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung. Wenn die Städte und Vororte im Land schneller und öfter mit Berlin und Potsdam verbunden werden, kann die positive Landesentwicklung deutlich verstärkt werden.

Die Regionalisierungsmittel müssen mittelfristig komplett für Regionalverkehr und S-Bahn verwendet werden, der ÖPNV aus Landesmitteln gefördert werden!“

In dem von der brandenburgischen CDU vorgelegten Konzept ist die Stammbahn ein wesentlicher Bestandteil zur Verbesserung der Bahnverbindungen zwischen der Bundeshauptstadt Berlin und der Landeshauptstadt Potsdam. Zu diskutieren ist allerdings, dass hier auf die wichtigen Zwischenhalte in Berlin-Steglitz (U 9 und regionales Einkaufszentrum) und Berlin-Schöneberg (Ringbahn) verzichtet wird. Quelle: Innoverse GmbH: Entwicklungsstrategie für den Schienenpersonennahverkehr in Berlin und Brandenburg. Erstellt für die CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg. Potsdam, 3/2017.

Vollkommen richtig! Die Brandenburg zur Verfügung stehenden Regionalisierungsmittel würden ausreichen, wenn sie nicht zweckentfremdet würden. Zwar handelt es sich nicht um eine Zweckentfremdung im rechtlichen Sinn, weil das Gesetz diese erlaubt, aber in der Sache ist es eine. Wie gut, dass das in der CDU-Studie so klar benannt wird. Es bleibt zu hoffen, dass die CDU als größte Oppositionsfraktion im Landtag, und erst recht, wenn sie das nächste Mal an der Landesregierung beteiligt ist, das Thema „Zweckentfremdung der Regionalisierungsmittel“ beharrlich weiterverfolgt.

Allerdings ist auch diese, leider viel zu selten geführte Debatte nicht neu. Bereits in der Diskussion um den brandenburgischen Landesnahverkehrsplan 2008 bis 2012 kritisierte die seinerzeitige „Projektgruppe Brandenburgnetz 2020“ (Christfried Tschepe, Jens Klocksin, Martin Schlegel, Jörg Podzuweit und Axel Kruschat) die SPNV-Finanzierung im Land Brandenburg und schrieb 2007:

„Das Land Brandenburg gab im Jahr 2006 rund 83 Millionen Euro für Zuschüsse an die Landkreise und kreisfreien Städte für deren ÖPNV-Bestelllungen und für die gesetzlichen Erstattungszahlungen zum Schülerverkehr aus. Von diesem Betrag sind 81 Millionen Euro den vom Bund für SPNV-Bestellungen zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmitteln entnommen worden. Somit ist ein Fünftel der Regionalisierungsmittel nicht mehr für SPNV-Bestellungen einsetzbar. Lediglich 2 Millionen der 83 Millionen Euro sind Landesmittel. Beide Ausgabepositionen, ÖPNV und Schülerverkehr, sollen künftig vollständig aus dem Landeshaushalt finanziert werden, damit die Regionalisierungsmittel allein für den Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung stehen. Damit erfolgt zugleich der Wiedereinstieg in die anteilige Finanzierung des ÖPNV aus Landesmitteln. Seit 2002 werden vom Land alle entsprechenden Zuschüsse an die Landkreise und kreisfreien Städte ausschließlich durch Weiterreichung von Bundesmitteln finanziert.“ (siehe auch SIGNAL 5/2007, Seite 19)

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 3/2017 (August 2017), Seite 19