Darß

Darß wars noch lange nicht!

Im Juli 2017 verkündete Verkehrsminister Christian Pegel (SPD), die Entscheidung über den Wiederaufbau der Darßbahn von Barth nach Zingst/Prerow auf die Halbinsel Fischland/ Darß in Mecklenburg-Vorpommern werde nun frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2018 fallen. Der Anfang vom Ende der Darßbahn?


Berliner Fahrgastverband IGEB

5. Okt 2017

Prerow Bahnhof – verwaist seit 1947

Foto: BfVst

Die Darßbahn verband seit 1910 die Inselorte Prerow und Zingst mit dem Festlandstädtchen Barth und bei Velgast über den Streckenanschluss Rostock—Stralsund mit dem Rest der Welt. Sie bildete das Rückgrat für die wirtschaftliche Entwicklung und touristische Erschließung der Insel sowie der umliegenden Gemeinden. Nach dem verlorenen Krieg verlangte die sowjetische Administration Teile der Strecke als Reparationsleistung. Zunächst fielen die Gleisanlagen Prerow—Bresewitz, ab 1947 auch Bresewitz—Barth dem Abtransport zum Opfer. Auch wenn in den Jahren 1967/68 der Abschnitt Barth—Bresewitz aus militärischen Gründen wieder aufgebaut wurde, so blieb der öffentliche Personen- und Güterverkehr auf den verbliebenen Steckenteil Barth—Velgast beschränkt. Heute verkehren hier nur noch Regionaltriebwagen der Usedomer Bäderbahn UBB im Zweistundentakt. Wer nicht mit dem Auto abgeholt wird, fährt mit einem der Busse (im Sommer teilweise mit Fahrradanhänger) weiter.

Wiederaufbauplanung Darßbahn

Seit Mitte der 1990er Jahre wurden die Stimmen nach einem Wiederaufbau kontinuierlich lauter, Überlegungen konkreter, Planungsspiele auf diversen Schreib- und Kneipentischen durchexerziert, dem einen oder anderen Landespolitiker ein Wahlversprecher abgerungen. Sogar in den Koalitionsvertrag der letzten Landesregierung

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hatte die Idee als Randnotiz Einzug gehalten. Darin heißt es: „… Die Landesregierung spricht sich in Einzelfällen auch für eine wirtschaftlich tragfähige Ausweitung des Schienennetzes aus (Darßbahn)“ Alles nur, um die Gemüter zu besänftigen?

DB-Kursbuchkarte Dezember 2013. Grafik: DB AG

Dem scheint so, wenn man die Aktionen der letzten Jahre auf Seiten des Landes betrachtet. Dazu zählen unter anderem ein fragwürdiges Gutachten, das Torpedieren eines Planfeststellungsverfahrens, der Rückzug des Landes aus der Finanzierungsverantwortung und nicht zuletzt die angekündigte Stilllegung des noch befahrenen Streckenteils zum Ende 2017.

Das Gutachten

Das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte Intraplan mit einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der Darßbahn beauftragt. Der im Mai 2010 vorgelegte Ergebnisbericht kommt dabei mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 0,93, also unter 1, zu keinem ausreichend guten Ergebnis für den Wiederaufbau. Jedoch wird das Resultat angezweifelt, weil fehlerhafte Annahmen getroffen worden seien.

Andreas Schüler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Geographie und Geologie der Universität Greifswald, führt in seiner Stellungnahme zu dem Gutachten aus, dass beispielsweise die Orte Barth und Pruchten in den Berechnungen nicht berücksichtigt wurden. Ein weiterer Kritikpunkt sind zwei verkehrliche Erhebungen, die jeweils in der zweiten Hälfte des August und des September 2009 durchgeführt wurden. Somit fanden die ferienbedingten Verkehrsspitzen im Juli keine Berücksichtigung. Größtes Problem der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung sei jedoch der hohe Anteil an Schätzungen und Annahmen, basierend auf zu unzureichenden Daten. Eine Neuberechnung mit konkretisierten Daten führte den Autor zu einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 2,54, was einen Wiederaufbau als wirtschaftlich sinnvoll einstuft.

Die Planfeststellungsverfahren

Einen großen Schritt voran machte das Vorhaben des Wiederaufbaus durch die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens. Der sogenannte Vorhabenträger, die UBB, hat das in drei Planfeststellungsabschnitte (PFA) unterteilt:

Für den ersten Planfeststellungsabschnitt hatte die zuständige Aufsichtsbehörde, das Eisenbahnbundesamt, im April 2016 einen Planfeststellungsbeschlus erlassen. Mit dem positiven Ergebnis schien man wohl beim Land nicht zufrieden zu sein. Jedenfalls legte das Landesamt für Straßenbau und Verkehr Klage beim Oberverwaltungsgericht Greifswald ein. Hauptkritikpunkt sei die ungünstige Lage von drei Bahnübergängen, hieß es zur Begründung.

Für den zweiten Abschnitt läuft das Verfahren noch. Die Unterlagen können zurzeit noch unter „www.strassenbauverwaltung. mvnet.de/planfeststellung/anhoerung_eisenbahn/“eingesehen werden. Die Meiningerbrücke, die Insel und Festland verbindet, hat man aber ausgeklammert. Nicht unbegründet, stellt die beim Bau der Straßenbrücke vorgenommene unglückliche Straßenführung doch ein zusätzliches besonderes Hindernis dar. Die Straßen auf der Insel und dem Festland nähern sich von östlicher Seite der Trasse an. Dennoch hat man die Straßenbrücke auf der westlichen Seite gebaut. Somit findet unnötigerweise auf beiden Uferseiten eine Kreuzung von Straße und Bahntrasse statt.

Für den dritten Abschnitt ist noch kein Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden und gegenwärtig auch nicht geplant. Zunächst will man sich auf die Anbindung von Zingst konzentrieren. Da hier die innerörtlichen Trassen teilweise bereits anderweitig bebaut sind, wird die Streckenführung den Ort vermutlich nur am westlichen Ortsrand tangieren. Am sinnvollsten von den drei Vorschlägen im PFA2 scheint der dritte zu sein, der einen Kopfbahnhof in etwas innerörtlicher Lage mit unmittelbarer Strandnähe vorsieht. Das verkürzt die Fußwege und ist wesentlich attraktiver für die Fahrgäste, als ein Bahnhof „im Wald“. Von hier könnte in einem späteren Bauabschnitt dann auch Prerow angebunden werden.

Ist Geiz wirklich geil?

Auch wenn es heute so aussieht: Das ist keine Grenzsicherungsanlage. Die Meiningerbrücke verband einst auch auf Schienenwegen die Insel mit dem Rest der Welt. Die ungünstige Lage der heutigen Straßenbrücke kann eine Wiederinbetriebnahme der Bahn jedoch erschweren. Foto: BfVst
Erst vor wenigen Jahren wurden Stecke und Bahnhof umfangreich erneuert und zukunftsfähig gemacht. Soll nun der Verfall die Zukunft sein? Foto: BfVst

Für das gesamte Wiederaufbauprojekt werden etwa 38 bis 40 Millionen Euro veranschlagt. Im Jahr 2011 hatte der Geschäftsführer der UBB, Jörgen Boße, in einem Interview (Punkt3 Nr. 03/2011) verkündet, es hätte eine Zusage des Landes Mecklenburg-Vorpommern gegeben, 29 Millionen bereit zu stellen. Davon will man dort heute nichts mehr wissen. Verkehrsminister Pegel schiebt die Finanzierungsverantwortung nun weit von sich und macht die Fortführung des Projektes von der vollständigen Finanzierung durch Mittel des Bundes abhängig. Vielmehr erweckt der Minister den Eindruck, wegen der unzureichenden Erhöhung der Regionalisierungsmittel künftig noch knauseriger sein zu wollen.

Um Regionalisierungsmittel einsparen zu können, hat das Land einige Regionalzugverkehrsleistungen zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2017 abbestellt. Dazu gehört auch der noch befahrene Streckenteil der Darßbahn Barth—Velgast(—Stralsund). In Kombination mit der Ankündigung des Verkehrsministers vom 14. Juli 2017, die Entscheidungsfindung zum Wiederaufbau erst in der zweiten Jahreshälfte 2018 fortführen zu wollen, wird offensichtlich versucht, unumkehrbare Tatsachen zu schaffen.

Ein Schachzug, der für die Darßbahn und einen ökologisch nachhaltigen Tourismus das „Aus“ bedeuten würde. Da aber ein verbessertes Verkehrsangebot naturgemäß den Tourismus und somit auch die wirtschaftliche Stärke der Region verbessert, was wiederum öffentliche Kassen an anderer Stelle entlastet, sollte vielmehr gemeinschaftlich nach alternativen Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten gesucht werden. Für viele Ausflügler ist eine umsteigefreie bzw. umsteigearme Bahnanbindung ein entscheidendes Kriterium bei der Zielauswahl. Berücksichtigt man insbesondere die begrenzten Übernachtungsressourcen und Straßenverkehrskapazitäten auf der Insel, dann hat eine umweltfreundliche Anreise von Tagesbesuchern einen hohen Stellenwert.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 4/2017 (Oktober 2017), Seite 23-24