Berlin Breslau
Neue Rekordfahrt Berlin—Breslau—Oppeln über Horka
Am 15. Juli 2017 konnte ein Sonderzug von Berlin nach Oppeln (Opole) über Breslau (Wrocław) einen neuen Fahrzeitrekord erreichen: Berlin—Breslau in 3 Stunden 31 Minuten und Berlin—Oppeln in 4 Stunden 21 Minuten. Der Sonderzug „Ferdinand-Lassalle-Express“ mit 86 Teilnehmern war vom Fachausschuss Mobilität der SPD Berlin zusammen mit den polnischen Sozialdemokraten (SLD) organisiert worden.
5. Okt 2017
Teilnehmer waren Experten, Abgeordnete und Vertreter von Fahrgastverbänden, u. a. Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV), Pro Bahn, Initiative Deutsch-Polnischer Schienenpersonenverkehr und Ostbahn-Initiative. Sogar aus Stettin (Szczecin) waren Teilnehmer angereist, u. a. der frühere Vizedirektor des Marschallamtes Westpommern Ryszard Zajfert und jetzt Deutschland-Beauftragter der SLD.
Mit dieser Fahrt sollte auch ein Zeichen in Richtung Bundesverkehrsministerium und Konzernspitze der Deutschen Bahn gesetzt werden. Der frühere DB-Chef Rüdiger Grube hatte auf dem „Bahngipfel“ des Polen-Beauftragten der Bundesregierung, Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Woidke, zugesagt, die Wiederaufnahme des Fernverkehrs nach Breslau ab Dezember 2018 (nach Schließung der Elektrifizierungslücke Hoyerswerda—Horka) ernsthaft zu prüfen.
Der Bund muss seine politische Verantwortung für den grenzüberschreitenden Fernverkehr endlich wahrnehmen. Dazu gehört auch die Beseitigung aller bürokratischen Hemmnisse und Engpässe des
grenzüberschreitenden Verkehrs, die die Konkurrenzfähigkeit der Bahn verhindern. Der Personenverkehr zwischen Deutschland und Polen wächst. Aber der Anteil der klimafreundlichen Schiene liegt nur bei 2 bis 3 Prozent.
Um 9.37 Uhr verließ der Sonderzug Berlin Ostkreuz. Bereits um 13.08 Uhr wurde der Breslauer Hauptbahnhof erreicht, wo weitere polnische Gäste zustiegen, u. a. Marek Dyduch, stellvertretender Parlamentspräsident des Sejmik von Niederschlesien. In Oppeln hatten die dortigen Sozialdemokraten einen Empfang am Bahnsteig bei der Ankunft um 13.58 Uhr organisiert. Auch Angehörige der deutschen Minderheit und Vertreter von Presse und Fernsehen waren dabei. In der Wojewodschaft Opolskie gibt es traditionell familiäre und kulturelle Verbindungen nach Deutschland. Daher gab es auch hier zahlreiche Proteste gegen die Einstellung des Eurocity Wawel zwischen Berlin und Breslau im Dezember 2014.
Bemerkenswert sind die Fahrzeiten auch deshalb, weil sie tagsüber unter schwierigen betrieblichen Bedingungen realisiert werden konnten: Sonderzüge haben bei der Trassenvergabe eine niedrigere Priorität, und es musste der Engpass der im Abschnitt Lübbenau—Cottbus—Horka eingleisigen „Görlitzer Bahn“ durchfahren werden, wo es durch den Ein-Stunden-Takt im Regionalverkehr und umgeleitete Güterzüge zu Kreuzungs- und Abstandshalten kam. Planmäßige Halte gab es in Cottbus, Kohlfurt (Węgliniec) (6 Minuten), Liegnitz (Legnica) und Breslau. Insgesamt wurden die Bedingungen eines Interregio-Expresses realistisch „simuliert“.
Bereits am 16. Juli 2016 konnte bei einer ähnlichen Sonderzugfahrt demonstriert werden, dass ein Laufweg über Görlitz trotz des Umwegs gegenüber dem Laufweg des Kulturzuges über Forst eine attraktivere Fahrzeit von 3 Stunden 52 Minuten von Berlin nach Breslau ermöglicht (siehe SIGNAL 5/2016).
Seit Dezember 2016 steht die Verbindungskurve von Horka (die Verbindung von der Görlitzer Bahn auf die „Niederschlesische Magistrale“) zur Verfügung. Sie bietet eine Abkürzung zum Knotenpunkt Kohlfurt. Ab hier bis Oppeln steht auf polnischer Seite eine moderne zweigleisige elektrifizierte Bahnstrecke zur Verfügung. Diese ist fast durchgehend mit 160 km/h befahrbar. Sie wird derzeit mit dem europäischen Zugsicherungssystem ETCS ausgestattet. Es gibt sogar einen Zwei-Gleis-Wechselbetrieb, daher sind „fliegende Überholungen“ möglich.
Leider gibt es in Deutschland und in Polen keine Diesellok und keinen Dieseltriebzug, der für 160 km/h zugelassen und gleichzeitig mit der polnischen und deutschen Zugsicherung (SHP und INDUSI) ausgestattet ist. Sowohl der „Dresden—Breslau-Express“ als auch der „Kulturzug Berlin—Breslau“ dürfen maximal 120 km/h fahren.
Nur zwischen Stettin und Lübeck werden von DB Regio Triebzüge der Baureihe 623 eingesetzt, die 140 km/h fahren können. Da eines dieser Fahrzeuge an Wochenenden nicht benötigt wird, konnten wir es mit Zustimmung des dortigen Aufgabenträgers für unsere Rekordfahrt chartern. Mit einem Fahrzeug für 160 km/h wären zwischen Berlin und Breslau sogar Fahrzeiten von nur 3 Stunden 10 Minuten möglich.
In einer Studie des Büros ETC, finanziert mit Unterstützung der EU im INTERREG Programm „Via Regia Plus“, wurde eine mögliche Fahrzeit von nur 2 Stunden 55 Minuten errechnet, sofern die 72 km lange Lücke Cottbus—Spremberg—Horka elektrifiziert und zweigleisig ausgebaut würde. Immerhin werden ab Dezember 2018 über Cottbus—Senftenberg—Hoyerswerda—Horka trotz des Umweges Fahrzeiten von 3 Stunden 35 Minuten ohne Wechsel der Traktion möglich sein.
Unsere Rückfahrt nach Berlin am 15. Juli 2017 erfolgte als Tagesrand-Spätverbindung um 21.47 Uhr vom Hauptbahnhof in Oppeln. Einige Studenten, die in Breslau ausgestiegen waren, nutzen die Spätverbindung als „Disko-Zug“ und konnten nach Besichtigung der „Breslauer Szene“ um 22.37 Uhr vom Breslauer Hauptbahnhof noch nach Berlin zurückkehren.
Unser Ziel für 2019: Drei schnelle Züge Berlin—Breslau. Sobald der Flughafen BER in Betrieb geht, sollte eine Mittags- und eine Abendverbindung (von Berlin aus gesehen) auch den Flughafen-Bahnhof anbinden und die Potenziale der polnischen Fluggäste nutzen.
Es ist wahrscheinlich, dass unter den verkehrspolitischen Rahmenbedingungen diese Fernzüge nicht eigenwirtschaftlich angeboten werden können. Hier müssen Bund, Länder und auch die polnische Regierung zusammen einen Kompromiss zur Finanzierung erarbeiten. Auch der Sonderzug war extrem teuer. Weil die Trassenpreise besonders in Deutschland viel zu hoch sind, mussten für die Sonderfahrt über 3000 Euro an DB Netze und PLK gezahlt werden.
Dringenden Handlungsbedarf gibt es bei der Beschaffung von 160 km/h schnellen Schienenfahrzeugen, die mit INDUSI und SHP (ggf. ETCS für Polen) ausgerüstet sind. Die PKP Intercity verfügt nur über 10 Elektrolokomotiven (Baureihe EU 44 „Husar“), die den Fernverkehr von Warschau nach Berlin, aber auch nach Tschechien und Österreich bewältigen müssen. Hier sollte eine betreiberneutrale Pool-Lösung mit finanzieller Unterstützung der EU geprüft werden.
Dr. Jürgen Murach < br/> Stv. Vorsitzender des Fachausschusses Mobilität der SPD Berlin
aus SIGNAL 4/2017 (Oktober 2017), Seite 26-27