Stadtverkehr
Nach der endlos erscheinenden Planungsphase rund um den Bahnhof Karlshorst haben nun die Bauarbeiten unter der Bahnbrücke angefangen, während oben die DB den S-Bahnsteig abreißen und neu bauen will. Leider haben die Berliner Planer bei der Planung zum Umbau der Treskowallee kein glückliches Händchen bewiesen und ein eher enttäuschendes Ergebnis planfeststellen lassen.
14. Mai 2018
Zunächst übernehmen die Berliner Wasserbetriebe das Zepter. Bis Mai 2019 werden die Leitungen unter der Treskowallee erneuert. Hierfür wurde der Individualverkehr auf der östlichen Fahrbahn mit einem Fahrstreifen pro Richtung konzentriert, und die Buslinie 396 wurde über die Marksburgstraße umgeleitet. Radfahrer sollen einen größeren Umweg durch die Hentigstraße fahren. Von Juni bis August 2018 wird die Sperrung der westlichen Fahrbahn in der zweiten Phase bis zur Sewanstraße ausgedehnt, bevor sie in der anschließenden dritten Phase wieder zur Marksburgstraße verkürzt wird. Die Bauarbeiten geben dabei schon mal einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie es bei der Straßenbahn wohl künftig sein wird: Warten auf F1 (Fahrt frei).
In Simulationen wurde zwar nachgewiesen, dass das künftige Verkehrskonzept funktioniert. Es basiert aber auf dem „perpetuum mobile“ der Planer: Die Straßenbahn soll Pulkführer sein. In der Realität bedeutet das eher kurze Freigabe- und lange Standzeiten.
Unternehmen wir eine virtuelle Fahrt mit der Straßenbahn von Süd nach Nord.
Wenn die Straßenbahn sich nähert, hat idealerweise die Querstraße Wandlitzstraße/Am Carlsgarten „Grün“, und die Autofahrer biegen von dort in die Treskowallee ein. Nun erhält die Straßenbahn, idealerweise ohne Halt, die Pulkführerschaft und darf aus der Mittellage in den rechten Fahrstreifen wechseln, um unter
der Bahnbrücke am Bordstein zu halten. Hierbei können allerdings jene Fahrzeuge, die kurz zuvor in die Treskowallee eingebogen sind, das Erreichen der vorgesehenen Halteposition blockieren, da sie ihrerseits nun erst „Grün“ bekommen. Damit kann sich die CDU/FDP-Klientel in ihrem Straßenbahnvorurteil bestätigt fühlen, denn die Straßenbahn ist nun für einen Ampelumlauf Verkehrshindernis im rechten Fahrstreifen, während die Auto-Ampel „Grün“ zeigt.
Ist der Fahrgastwechsel abgeschlossen, braucht es nun die passende Phase, um vom rechten Fahrstreifen wieder in die Mittellage zu wechseln. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Straßenbahn tatsächlich an erster Stelle vor der Ampel wartet und sie nicht durch einen Rechtsabbieger blockiert wird, der sie eben noch überholte und nun „Rot“ hat. Die Straßenbahn kann die Haltestelle nur dann als Pulkführer wieder verlassen, wenn kein Fahrzeug vor ihr steht. Gleiches gilt für eine Phase nach dem Autoverkehr: Es darf sich keiner vordrängeln.
In Fahrtrichtung Süd besteht dieses Problem weniger, da die Bahn hier nach der Haltestelle zunächst in rechter Seitenlage einen eigenen Bahnkörper erhält, von dem aus sie anschließend in die Mittellage zurück schwenkt.
Dabei ist die dem Verschwenk zugrundeliegende Idee richtig. Nachdem man in Adlershof gelernt hat, dass eine zu schmale Haltestelle in Mittellage einige Probleme verursacht und nicht wirklich umsteigefreundlich ist, wurde in Karlshorst mit Haltestellen in Seitenlage direkt vor dem Bahnhofszugang geplant. Ursprünglich sollte die Straßenbahn dabei in beiden Fahrtrichtungen eine abmarkierte Spur erhalten, doch in der Planung blieb nur ein schmaler Gehweg übrig, den sich Fußgänger, wartende Fahrgäste und Radfahrer teilen sollten. Es folgten verschiedene Variantenideen, die schließlich zur oben geschilderten Lösung mit der Haltestelle im rechten Fahrstreifen führten.
Auf der ursprünglich angedachten ÖPNV-Spur befindet sich nun der Wartebereich für die Fahrgäste, durch ein Gitter abgegrenzt zum dahinter geführten Rad- und anschließendem Gehweg. Damit sind Konflikte vorprogrammiert, denn die Radfahrer unterliegen nicht der Wartepflicht gegenüber dem Fahrgastwechsel. Umsteiger von und zur S-Bahn müssen jedoch den Radweg zwischen Haltestelle und Bahnhofseingang kreuzen.
Besser gewesen wäre aus Fahrgastsicht eine Radwegführung in Form eines überfahrbaren Haltestellenkaps, wie sie sonst überall in Berlin aktueller Standard beim Neubau von Haltestellen sind. Damit unterliegen Radfahrer zwar der Wartepflicht gegenüber Ein- und Aussteigern, bleiben aber zugleich im Sichtfeld der Autofahrer. Zudem kann so auf Gitterorgien hinter dem Wartebereich verzichtet werden und die Trennung zwischen Gehweg und Wartebereich kann entfallen.
Es stellt sich auch die Frage, ob der Autoverkehr wirklich zwei Fahrstreifen pro Richtung benötigt, wenn in der nördlichen Treskowallee sowieso durch parkende Fahrzeuge nur eine Spur nutzbar ist. Die Einengung auf einen Streifen sollte dann bereits vor der Verschwenkung der Straßenbahn erfolgen und der rechte Streifen als ÖPNV-Spur ausgewiesen werden.
Spätestens mit Eröffnung der Tangentialen Verbindung Ost (TVO) muss die Kapazitätsreduzierung für den Autoverkehr in der Treskowallee erfolgen, damit die gewünschte Verkehrsverlagerung eintritt.
Fazit: Was lange währt, muss noch lange nicht gut werden. Eine deutliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Situation wird die neue Haltestelle mit deutlich kürzeren Umsteigewegen aber in jedem Fall bringen.
Unter Beachtung von §1 der Straßenverkehrsordnung „Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“ müssen sich Fahrgäste und Radfahrer stets arrangieren. Der Senat macht es ihnen mit dieser Radwegführung allerdings unnötig schwer. (ge)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 2/2018 (Mai/Juni 2018), Seite 11-12