Fernverkehr
Nachdem der Hamburg-Köln-Express (HKX) bereits in der Zeit vom 22. Dezember 2017 bis 2. Januar 2018 durch eine Kooperation mit dem Fernbusanbieter FlixBus wieder verkehren konnte, dehnte nun die Muttergesellschaft FlixMobility ihre Aktivitäten auf der Schiene erfreulicherweise weiter aus – trotz weiterhin ungünstiger Rahmenbedingungen auf diesem Markt.
29. Jul 2018
Am 23. März 2018 erfolgte die Premierenfahrt des ersten FlixTrain in der Relation Hamburg—Essen—Düsseldorf—Köln; das Produkt HKX wurde damit ersetzt. Es wird auf dieser Strecke von Freitag bis Montag ein tägliches Zugpaar angeboten. Dienstags erfolgt nur eine Fahrt Köln—Hamburg, donnerstags nur eine Fahrt Hamburg—Köln. Ab 19. Juli 2018 wird das Angebot in der Relation Hamburg—Köln jedoch ausgeweitet.
Das Eisenbahnverkehrsunternehmen BTE (BahnTouristikExpress GmbH) aus Nürnberg führt dabei als Partner die Verkehre zwischen Hamburg Hbf und Köln Hbf durch, indem Zuggarnitur und Personal gestellt werden.
Tickets können über www.FlixTrain.de, per App, in den FlixBus-Shops und in kooperierenden Reisebüros erworben werden und sind zu Preisen ab 9,99 Euro erhältlich.
Auch auf der Locomore-Verbindung zwischen Stuttgart und Berlin gibt es entsprechende Änderungen. In dieser Relation konnte am 24. August 2017 nach der Insolvenz von Locomore der Zugbetrieb erfreulicherweise wieder aufgenommen werden. Das private tschechische Eisenbahnunternehmen LEO Express, welches 2009 in Prag gegründet wurde, führt seitdem mit seiner
neu gegründeten deutschen Tochtergesellschaft LEO Express GmbH den Betrieb fort. Als Vertriebspartner von LEO Express wurden Bahntickets für die Locomore-Strecke über die internationale Flixbus-Plattform und alle Vertriebswege des Fernbusanbieters verkauft.
Am 26. April 2018 fand nun auch auf dieser Strecke die Premiere für ein täglich verkehrendes FlixTrain-Zugpaar statt. Mehr noch: Ab Ende Juli sollte auf der Strecke Berlin—Stuttgart ein zweites FlixTrain-Zugpaar eingerichtet werden. Diese Angebotsausweitung wurde angesichts der großen Nachfrage sogar vorgezogen! Bereits seit dem 21. Juni 2018 verkehren nunmehr in der Relation Berlin—Stuttgart fast in der gesamten Woche zwei tägliche Zugpaare, so u. a. auch die bislang fehlende Frühverbindung ab Berlin.
Seit Juli ist als zusätzlicher Service auch eine Sitzplatzreservierung im FlixTrain möglich. Ungewohnt ist dabei die Preisstaffelung: Ein Fenstersitzplatz kostet 3,99 Euro, die anderen Plätze 3,49 Euro.
Die Resonanz auf die FlixTrain-Züge übertrifft den Angaben von FlixMobility zufolge die Erwartungen.
Erfolgversprechend sind die jüngsten Schienenaktivitäten nicht zuletzt deshalb, da die FlixTrain-Angebote stufenweise in das deutschlandweite Angebot von FlixBus integriert werden. Über Umsteigebeziehungen werden beide Verkehrsträger vernetzt und damit die Bedienung vieler verschiedener Relationen ermöglicht.
Für den kommenden Fahrplanwechsel im Dezember 2018 wurden beim Schienennetzbetreiber DB Netz AG daher auch bereits weitere Trassen angemeldet. Mit jeweils einem Zugpaar sollen dann auch die Relationen Berlin—Köln und Berlin—München bedient werden. Sofern die Nachfrage es zulässt, könnte sogar eine Erhöhung auf jeweils zwei bis drei Zugpaare erfolgen.
Unter den Gästen anlässlich der Feierlichkeiten zu der Premierenfahrt vom FlixTrain Berlin—Stuttgart befand sich auch viel politische Prominenz, so z. B. aus der Bundesregierung Verkehrsminister Andreas Scheuer und Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann. Letzterer wurde in der FlixTrain-Pressemitteilung u. a. mit den Worten zitiert: „Mehr Wettbewerb im Fernverkehr stärkt den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene“.
Dass die ohnehin nur wenigen Wettbewerber im Schienenpersonenfernverkehr in der Regel bislang gescheitert sind, wurde erwartungsgemäß nicht erwähnt, wird aber zu einem erheblichen Teil durch die ungünstigen bundespolitischen Rahmenbedingungen verursacht.
Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen für die Nutzung der Schienenwege hohe und noch dazu kontinuierlich steigende Trassen- bzw. Stationsgebühren entrichten. Auch das Beispiel Locomore hat dabei erneut die erheblichen wirtschaftlichen Risiken gezeigt, Fernverkehrsangebote im umweltschonenden Schienenverkehr zu etablieren. Der Einstieg von FlixBus bzw. die entsprechende Erweiterung des Geschäftsfeldes muss deshalb als Glücksfall bezeichnet werden.
Die Trassenpreise sind im Schienenverkehr leider ein ganz wesentlicher Kostenfaktor. Ähnlich wie in dem am 23. Juni 2017 vorgestellten „Masterplan Schienengüterverkehr“ beschrieben, wären Korrekturen bezüglich der Trassenpreise auch für den Schienenpersonenfernverkehr dringend notwendig. Ziel müsste dabei sein, die Trassenpreise auf die europarechtlich vorgesehene Höhe der Grenzkostenbepreisung abzusenken und somit eine Abkehr von der derzeitigen Vollkostenrechnung zu erreichen!
Und die politischen Aktivitäten hierzu? Fehlanzeige!
Entsprechend den Zielen des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD sollen bis 2030 im Vergleich zu heute doppelt so viele Bahnkunden gewonnen werden, was angesichts von 142 Millionen Fahrgästen 2017 allein im Schienenpersonenfernverkehr als ehrgeiziges Vorhaben gewertet werden muss. Umso unverständlicher ist, dass an den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die maßgeblich für das Gelingen oder Scheitern des Vorhabens sind, offensichtlich keine Korrekturen vorgenommen werden sollen.
Entsprechend Artikel 87e Absatz 4 des Grundgesetzes wird dem Bund eindeutig die Verantwortung für den Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) bzw. der Gewährleistung von Verkehrsangeboten auf dem Schienennetz zugewiesen. Die seitens des Bundes bislang praktizierte ausschließliche Beschränkung auf den Infrastrukturausbau ist als alleinige Maßnahme ungeeignet, um zu gewährleisten, dass anschließend entsprechende Verkehrsangebote im SPFV auch tatsächlich erbracht werden. So sind Großstädte, wie z. B. Chemnitz, weiterhin ohne jegliche Fernverkehrsangebote auf der Schiene oder haben, wie z. B. Jena, jüngst sogar einen Großteil des Fernzugangebotes verloren.
Um benannte Gesetzeslücke zu schließen, wurde seitens des Bundesrats auf Initiative der Länder Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen ein Entwurf für ein „Gesetz zur Gestaltung des Schienenpersonenfernverkehrs (Schienenpersonenfernverkehrsgesetz – SPFVG)“ beschlossen und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (Bundestagsdrucksache 19/2074 vom 9. Mai 2018).
Doch die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf war negativ: „Die Bundesregierung lehnt den Gesetzentwurf ab, da er insbesondere die mit der Bahnreform 1993 geschaffenen Verhältnisse (ausschließliche Eigenwirtschaftlichkeit des SPFV) umkehren und mit hohen zusätzlichen finanziellen Belastungen für den Bund einhergehen würde.“
„Finanzielle Belastungen“ waren bei anderen Verkehrsprojekten allerdings kein Hemmnis, insbesondere beim Kfz-Verkehr. Ein Beispiel von vielen ist die Subventionierung von Elektroautos, deren Kauf mit 600 Millionen Euro Steuergeldern gefördert wird. Darüber hinaus subventioniert der Bund noch die erforderliche Ladeinfrastruktur mit weiteren 300 Millionen Euro.
Die beschriebene gesetzliche Regelungslücke zu Lasten der Bahnkunden soll nach dem Willen der Bundesregierung also bestehen bleiben.
Zwar könnte sich der Bundestag über die Bedenken der Bundesregierung hinwegsetzen und dem Gesetzentwurf zustimmen – die Beratung steht noch aus. Aber auf der Bundesebene haben CDU, CSU und SPD bisher wenig Bereitschaft zur Unterstützung solcher den Bahnverkehr fördernder Gesetzesinitiativen erkennen lassen.
Der Deutsche Bahnkunden-Verband e. V. (DBV) und der Berliner Fahrgastverband IGEB e. V. haben auf der Basis der Initiative aus Rheinland-Pfalz einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet – siehe SIGNAL 2/2016 und 4/2016.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 3/2018 (August 2018), Seite 26-27