Weg mit den Fake-Live-Karten!
Zum 1. Oktober hat die Deutsche Bahn ihre App „Zugradar“ eingestellt. Auch die Website funktioniert nicht mehr. Mit „DB Zugradar“konnten die Nutzer auf einer Karte sehen, wie sich die Züge der Deutschen Bahn durch Deutschland bewegen.
4. Nov 2018
Zumindest theoretisch. Praktisch hatte das Dargestellte nichts mit der tatsächlichen Position der Züge zu tun. Denn es handelte sich keinesfalls um eine Echtzeitortung der Fahrzeuge beispielsweise per GPS – so wie es in Navigationssystemen für Autos, Fußgänger oder Radfahrer geschieht. Vielmehr wurde die ungefähre Position der Züge aufwändig berechnet.
Und das funktionierte so: Auf Grundlage des Fahrplans ist dem Programm bekannt, wann ein Zug am Startbahnhof starten und am Zielbahnhof ankommen sollte. Das Programm nimmt jetzt eine gleichförmige Bewegung des Zuges vom Startzum Zielpunkt an. Start- und Zielpunkt sind hierbei zwei aufeinanderfolgende Stationen der Zugfahrt. Exakt zur planmäßigen Abfahrtsminute setzt sich dann das Zugsymbol auf der Karte in Bewegung und bewegt sich unbeirrt gleichförmig auf die nächste Station zu, die es zweifellos sekundengenau nach Fahrplan erreichen wird.
Aber wie kommen jetzt die Echtzeitdaten da rein? Hier werden die Prognosedaten aus den Betriebsleitsystemen zuhilfe genommen. Diese berechnen aufgrund
der Echtzeitdaten des Zuges eine Prognose, um wie viele ganze Minuten sich ein Zug verspäten wird. Dieser ganzzahlige Minutenwert wird beim „Zugradar“ einfach auf die Planzeiten draufgerechnet.
Passiert dies, während der Zug unterwegs ist, kann man auf den Karten unter Umständen beobachten, dass der Zug plötzlich springt, also seine Position komplett verändert, als ob er sich in seiner Position zurückbeamen könnte. Je mehr sich bei der DB im Betriebszustand unplanmäßig veränderte, desto kurioser und willkürlicher zeigten sich die angeblichen Zugpositionen in der App.
Nach Jahren hat die DB nun offensichtlich erkannt, dass dies ihren eigenen Qualitätsansprüchen bei der Fahrgastinformation nicht gerecht wird. Das ist verständlich und die Entscheidung daher längst überfällig. Denn die technische Spielerei hatte nichts mit tatsächlicher Fahrgastinformation zu tun. Besonders auch im Zusammenhang mit dem irreführenden Namen „Zugradar“ suggerierte diese Nebelkerze der Marketingabteilung eine Funktionalität, die nie geben war und mit der verwendeten Technik auch gar nicht möglich gewesen wäre.
Hoffentlich lernen andere davon! Denn es gibt noch viele andere, die diese Technik weiterhin verwenden, mit genauso irreführenden Namen. Ganz vorn mit dabei: der VBB. Seine „Live-Karte“ ist das exakt identische Produkt wie der DB-Zugradar. Auch hier, bei der sogenannten VBB-Fake-Live-Karte, sollte schnellstmöglich der Stecker gezogen werden!
Und auch all die anderen Unternehmen sollten sich in diesem Punkt mal ein Beispiel an der Ehrlichkeit der DB nehmen und es ihr gleichtun. Nichtsdestotrotz wäre eine Kartendarstellung der tatsächlichen Zugpositionen durchaus hilfreich und sinnvoll – dann aber bitte mit den echten, tatsächlichen GPS-Daten! Denn wenn eine Position auf einer Karte dargestellt wird, sollte sie auch stimmen!
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 4/2018 (November 2018), Seite 23