Ausgezeichnet
Laudatio für Jürgen Huber, dritter Bürgermeister von Regensburg, zur Verleihung des diesjährigen Kommunalpreises des Deutschen Bahnkunden-Verbandes am 5. November 2018 im Abgeordnetenhaus von Berlin
15. Jan 2019
Wir ehren heute Jürgen Huber, Bürgermeister von Regensburg, mit dem Kommunalpreis des Deutschen Bahnkundenverbandes für sein persönliches Engagement in Politik und Gesellschaft zur Wiedereinführung der Straßenbahn in Regensburg.
Jürgen Huber ist nicht nur ein Politiker, sondern auch ein Künstler. Denn er hat das Kunststück vollbracht, die Wiedereinführung der 1964 abgeschafften Straßenbahn für Regensburg durchzusetzen.
Die Abschaffung passierte in Regensburg, wie in vielen anderen deutschen Städten, zugunsten eines Bussystems, das fast täglich im Stau steht.
Alle 11 Jahre wurde in Regensburg die Stadtbahn geprüft: 1995, 2006 und 2017. Und dank Jürgen Huber und seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Regensburg weder eine U-Bahn noch eine Busbahn oder gar eine Seilbahn braucht. Regensburg braucht und bekommt eine Stadtbahn.
Regensburg, das ist die süddeutsche Stadt an der Donau mit gut 150 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, bekannt für ihr schönes mittelalterliches Zentrum, viertgrößte Stadt Bayerns – nach München, Nürnberg und Augsburg – mit einer hohen Arbeitsplatzdichte, viel Kultur und einem Bischofssitz. Und mit der Fußballmannschaft „SSV
Jahn Regensburg“, die in der 2. Bundesliga gestern in Regensburg gegen den „1. FC Union Berlin“ unentschieden gespielt hat. Interessanterweise kamen auch in Regensburg die Hauptwiderstände gegen die Stadtbahn in den vergangenen 20 Jahren vor allem aus der Stadtverwaltung. Man hielt Regensburg für zu klein, die Stadtbahn für nicht förderungswürdig, das Bussystem für ausreichend.
Dass man drei- bis viermal so viele Personen je Zug transportieren kann, die Betriebskosten wesentlich niedriger sind als beim Bus, Stadtbahnen auch eher in ein Konzept für autonomes Fahren integriert werden können als Busse, und dass gerade entwickelte Hybridfahrzeuge wesentlich umweltfreundlicher sind, hat am Ende wohl selbst die schärfsten Schienengegnerinnen und -gegner überzeugt.
Auch in seinem bürgerlichen Leben ist Jürgen Huber ein Künstler. Er ist Maler und kann auf eine erfolgreiche Karriere blicken, mit zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen. Aber der Maler macht Pause, wie er 2016 in einem Interview sagte.
Seit 2007 ist Jürgen Huber Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Von 2008 bis 2014 war er für seine Partei Stadtrat in Regensburg, und seit 2014 ist er einer von drei Bürgermeistern, zuständig für das Umweltreferat und die Energieagentur der Stadt. Er ist ein Smart City-und Schienenverkehrsenthusiast.
Kein Bürgermeister von Regensburg vor ihm hatte ein Elektroauto als Dienstwagen und ein E-Bike als Dienstfahrrad. Und wenn er nicht gerade Hilfsgüter in die Regensburger Partnerstadt Odessa in der Ukraine kutschiert, ist er zu Fuß oder elektrisch unterwegs. Fahrrad fährt er nur mit Helm. Und wie sollte der anders aussehen als grün.
Politisch sozialisiert wurde Jürgen Huber, wie viele von uns, in der Anti-Atom- und Friedensbewegung, und im Widerstand gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf, besser als „WAA“ bekannt.
Für Jürgen Huber ist eine Stadtbahn für seine Stadt, über die er gerade mit seiner Ehefrau Gisela Bender das Buch „Rrrr – Regensburg, wie es wirklich ist“ herausgegeben hat, die beste und mit dem größten Effekt wirkende Infrastrukturmaßnahme aus der zurückliegenden Zeit und für die kommenden Jahrzehnte.
Regensburg hat, wie die meisten Städte in Deutschland, noch einen hohen MIV-Anteil. Lärm und Abgase lassen das Leben an Orten, an denen der Autoverkehr dominiert, immer unattraktiver werden. Deshalb braucht auch Regensburg viele Umsteigerinnen und Umsteiger auf den Umweltverbund. Und als Umweltbürgermeister weiß Jürgen Huber, dass die moderne Stadtbahn für mehr Lebensqualität und Umweltschutz sorgen kann.
Das zeigen auch die zahllosen, seit 1978 neu gebauten oder in Planung befindlichen Straßenbahnsysteme in Europa und weltweit. Auch „Die Renaissance der Straßenbahn“ genannt.
Es ist kein anderes Verkehrsmittel bekannt, das nachhaltige Stadtentwicklung, Verkehrsfunktion und Umweltschutz so gut miteinander verbinden kann.
Im Gegensatz zu stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen, die Stadtteile regelrecht zerschneiden, lassen sich Straßenbahnen gut in ihr Umfeld integrieren. Und sie bieten als emissionsfreies Verkehrsmittel auch die Möglichkeit, den öffentlichen Raum im positiven Sinne neu zu gestalten.
Die Straßenbahn ist dort, wo sie in den vergangenen 40 Jahren neu oder wieder eingeführt worden ist, zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Insofern kann man der Stadt Regensburg nur zu diesem verhandlungsklugen und durchsetzungsstarken Bürgermeister gratulieren und der Stadt viel Glück auch auf der Schiene wünschen!
(…)
„Die Regensburger“, so Jürgen Huber, „lieben
ihre alte Tram, die seit Jahrzehnten abgeschafft
ist, immer noch.“ Und so verbindet
er sein Ziel für mehr Ökogerechtigkeit mit
dem Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger,
ihre Stadt so bald wie möglich wieder auf
der Schiene erleben zu können.
Wir ehren mit Jürgen Huber heute einen Mann, der manchmal die Malerei vermisst, und der es toll findet, Bürgermeister zu sein. Einen Mann, der sich eine Politik ohne Lagerdenken und ideologisches Abgleichen wünscht, der für Mensch und Umwelt eintritt, und der sich mit dem Wiederaufbau der Stadtbahn in Regensburg ein großes Ziel gesetzt hat.
In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch und weiterhin gutes Gelingen!
Im Berliner „Bündnis Pro Straßenbahn“ arbeiten
zusammen: ACE Kreis Berlin, Bündnis 90/
Die Grünen Berlin, Deutscher Bahnkunden-
Verband e. V. – Regionalverband Berlin, Berlin
21 e. V., BFBahnen Bezirk Berlin-Brandenburg,
BUND Berlin, DIE LINKE Landesverband
Berlin, Fachausschuss Mobilität SPD Berlin,
FUSS e. V., Grünzüge für Berlin, Berliner Fahrgastverband
IGEB e. V., NaturFreunde Berlin,
Piratenpartei Deutschland Berlin, PRO BAHN
Landesverband Berlin-Brandenburg e. V.,
VCD-Nordost e. V., VDV Ost, ver.di, VIV e. V.
Mehr unter www.prostrassenbahn-berlin.de
Sybille Uken
Vorsitzende des Fachausschusses Mobilität der SPD Berlin
Co-Sprecherin vom Berliner Bündnis Pro Straßenbahn
aus SIGNAL 5-06/2018 (Dezember 2018/Januar 2019), Seite 39