Schöneiche

Neue Niederflurstraßenbahnen für Schöneiche

Die Stimmung im Land Brandenburg hat sich gewandelt. Jahrelang forderten Städte und Betriebe von der Landesregierung, mehr Geld für die vorhandene Elektromobilität auszugeben, sprich: Geld bereitzustellen für Investitionen in die Straßenbahnen und Obusse. Aber jahrelang stießen sie auf taube Ohren.


IGEB Stadtverkehr

15. Jan 2019

Bereits im Jahr 2012 arbeiteten die Meterspurbetriebe in Brandenburg an der Havel, Cottbus, Frankfurt (Oder) und Schöneiche bei Berlin an einem gemeinsamen Lastenheft für neue Straßenbahnfahrzeuge, denn alle Betriebe hatten Erneuerungsbedarf, und eine gemeinsame Ausschreibung versprach geringere Preise als bei einer Einzelbeschaffung. Doch eine Finanzierung kam nicht zustande.

Nach immer stärker werdenden Protesten begann die Landesregierung sich zaghaft zu bewegen. Und Schöneiche ist nun der erste Betrieb, der davon profitiert.

Ähnlich wie 2013 in der Stadt Strausberg, die sich zwei Flexity-Straßenbahnen aus der Berliner Lieferung sichern konnte, gelang nun in Schöneiche ein besonderer Coup. Die Straßenbahn in Helsinki beschafft derzeit neue Fahrzeuge und trennte sich dabei von

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den beiden erst vier Jahre alten Prototypen ihrer Artic-Tram. Der Hersteller Transtech, inzwischen zu Škoda gehörend, kaufte die beiden Fahrzeuge zurück und verkaufte sie für zusammen 3,7 Millionen Euro an die Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn (SRS). Zu jeweils 42,5 Prozent finanzieren die beiden Landkreise Märkisch-Oderland und Oder-Spree die Fahrzeuge und nutzen dabei auch jene hart erkämpften Landesmittel. Ein weiterer Coup gelang der SRS zusammen mit der Technischen Aufsichtsbehörde, denn die Zulassung des ersten Fahrzeugs erfolgte innerhalb eines Monats – eine Geschwindigkeit, die in der Bahnbranche mit teils jahrelangen Verzögerungen völlig ungewohnt ist.

Artic-Tram 52 nähert sich der Schöneicher Haltestelle Waldstraße. Völlig unscheinbar passiert die Bahn hier die Landesgrenze Berlin/Brandenburg und damit auch die Tarifgrenze. Begrenzt ist leider auch das Berliner Interesse an der Strecke. Foto: Florian Müller

Seit dem 24. Oktober 2018 ist der Wagen mit der Nummer 52 zuverlässig im Einsatz. Brandenburgs Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung, Kathrin Schneider, begrüßte zusammen mit SRS-Geschäftsführer Detlef Bröcker die ersten Fahrgäste in Schöneiches erstem 100%-Niederflurfahrzeug. Zusammen mit den bald vier teilniederflurigen KTNF6 kan die SRS künftig alle Fahrten mit barrierefreien Fahrzeugen anbieten. Hilfreich ist dabei auch der Kapazitätsgewinn, denn die wachsende Metropolregion treibt auch immer mehr Pendler in die Bahn.

Das „Raumschiff“ steht abfahrbereit in Berlin-Friedrichshagen. Eingekreist von parkenden Pendler-Autos auf dem völlig überfüllten P+R-Platz. Nur mit einem 10-Minuten-Takt zur HVZ (und Parkraumbewirtschaftung) werden sich weitere Pendler in die Bahn locken lassen. Foto: Tom Gerlich

Zwei Länder, ein Verbund – so wirbt der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg VBB, dem die SRS angehört. Doch während sich das eine Bundesland bewegt hat, ignoriert das andere Bundesland weiterhin hartnäckig seinen zweitgrößten Straßenbahnbetrieb und dessen Fahrgäste. Als die neue Bahn mit der Brandenburger Ministerin und Vertretern der beteiligten Landkreise und Gemeinden am 24. Oktober in Berlin-Friedrichshagen eintraf, wurde sie nicht empfangen. Weder das Land Berlin noch der Bezirk Treptow-Köpenick schickten einen Vertreter zur Ankunft. Dieses Berliner Armutszeugnis tat der Feierlaune an jenem Tag allerdings keinen Abbruch, und so verteilte eine Brandenburger Ministerin in Berlin Kuchen an die ersten Fahrgäste in der neuen Bahn.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 5-06/2018 (Dezember 2018/Januar 2019), Seite 40-41