söp
15. Jan 2019
Die Beschwerdeführerin fuhr mit einem Bus eines Fernbusunternehmens von Münster Hbf. nach Rostock ZOB. Für diese Fahrt hatte sie bei dem Busunternehmen eine Fahrkarte zu einem Preis von 22,00 Euro erworben. Die Beschwerdeführerin schilderte, dass sie auf dieser Fahrt einen Koffer mitgenommen habe, der im Gepäckraum des Busses verstaut worden sei. Nach der Ankunft in Rostock sei der Koffer nicht mehr auffindbar gewesen. Stattdessen habe sich lediglich der Koffer eines anderen Fahrgastes im Gepäckraum des Busses befunden. Im Koffer der Beschwerdeführerin hätten sich hauptsächlich Kleidungsstücke, Kosmetik, Schmuck sowie ein Laptop befunden. Den Wert des Koffers mit Inhalt bezifferte die Beschwerdeführerin auf 2857,72 Euro.
Die Beschwerdeführerin meldete den Verlust umgehend dem Busfahrer, der den übrig gebliebenen Koffer in das zuständige Fundbüro gebracht habe. Nach eigenen Angaben wandte sich die Beschwerdeführerin
auch an das Busunternehmen, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten. Erst nach mehreren erneuten Nachfragen teilte das Busunternehmen mit, dass das Gepäckstück der Beschwerdeführerin nicht habe ausfindig gemacht werden können.
Die Beschwerdeführerin war damit nicht zufrieden und forderte erneut eine Entschädigung vom Busunternehmen für den verschwundenen Koffer. Daraufhin wurde der Beschwerdeführerin eine Zahlung in Höhe von 350,00 Euro angeboten. Die Beschwerdeführerin hielt dieses Angebot aber für nicht ausreichend und wandte sich zwecks juristischer Prüfung an die Schlichtungsstelle (söp).
Die söp prüfte das Anliegen der Beschwerdeführerin und kam zu dem Ergebnis, dass ein Schadensersatzanspruch der Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen ist. Da die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 einen Anspruch für den Fall eines Gepäckverlustes nur in Verbindung mit einem Unfall vorsieht, es einen solchen aber nicht gegeben hat, sind u. a. die Bestimmungen in den Beförderungsbedingungen des Busunternehmens (AGB) maßgeblich.
Zugunsten des Busunternehmens hat die söp zunächst festgestellt, dass aufgrund der AGB ein Anspruch der Beschwerdeführerin jedenfalls zum Teil fraglich sein könnte. In Ziffer 18.5.1 AGB heißt es: „Wertsachen, wie z. B. Bargeld, Schmuck, […], Laptops, iPads, Tablet-PCs […] sind im Handgepäck und nicht im Reisegepäck zu befördern und obliegen der Sorgfaltspflicht des Fahrgastes.“ Werden Wertgegenstände dennoch im Reisegepäck befördert, besteht kein Anspruch auf Haftung. Die Beschwerdeführerin hatte Schmuck und einen Laptop im Koffer verstaut (Wert insgesamt: ca. 1500 Euro), obwohl diese Sachen im Handgepäck hätten untergebracht werden müssen. Eine Entschädigung könnte insoweit daher bereits aus diesem Grund ausscheiden.
In Ziffer 21.4.2 AGB heißt es weiter: „Für Verlust von Gepäckstücken, der nicht im Zusammenhang mit einem aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfall steht, sowie für Vertausch oder Diebstahl der Gepäckstücke wird die Haftung, außer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, ausgeschlossen.“ Der Koffer der Beschwerdeführerin wurde offenbar von einem Dritten an sich genommen, so dass eine Haftung ausgeschlossen sein könnte. Problematisch ist jedoch, wie die Verantwortung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Busunternehmen zu verteilen ist.
Unabhängig von den Bestimmungen in den AGB des Busunternehmens trifft die Beschwerdeführerin die Beweislast dafür, dass sich die benannten Gegenstände auch tatsächlich in ihrem Koffer befunden haben. Inwieweit ihr dieser Beweis gelingen kann, ist im Schlichtungsverfahren mangels Beweisaufnahme nicht aufklärbar.
Zugunsten der Beschwerdeführerin stellte die söp darauf ab, dass die Beschwerdeführerin mit dem Busunternehmen einen Beförderungsvertrag abgeschlossen hatte. Das Busunternehmen trifft daher die Nebenpflicht zur unversehrten Ankunft des Fahrgastes und seiner Sachen. Eine Haftung wegen des Verlustes des Koffers kommt nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB dann in Betracht, wenn das Busunternehmen oder seine Erfüllungsgehilfen eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzen und das Busunternehmen diese Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Dies könnte vorliegend gegeben sein. Insbesondere die Praxis der Gepäckherausgabe des Busunternehmens könnte dafür sprechen, dass die Sorgfaltspflichten nicht in ausreichendem Maße beachtet wurden. Allerdings war die Situation vor Ort für die Schlichtungsstelle im Nachhinein nicht überprüfbar.
Wo genau der Koffer abhandenkam, ist nicht klar. Grundsätzlich trifft den Busfahrer aber eine Obhutspflicht, so dass er auch verpflichtet ist, das Gepäck während der Zwischenaufenthalte zu beaufsichtigen. Das hat z. B. das AG München am 8. Dezember 2015 festgestellt (283 C 5956/15). Es spricht einiges dafür, dass vorliegend entweder der Obhutspflicht nicht in ausreichendem Maße Genüge getan wurde oder aber die Praxis der Kontrolle bei der Gepäckherausgabe und Gepäckentgegennahme mangelhaft war, was ein höheres Organisationsverschulden des Busunternehmens begründen könnte.
Anhaltspunkte, die ein Mitverschulden der Beschwerdeführerin am Verlust ihres Gepäcks begründen könnten, sind nicht erkennbar. Das AG München (s.o.) hat insoweit festgestellt, dass es Busreisenden nicht zuzumuten sei, bei Zwischenstopps das Fahrzeug zu verlassen, um ihr im Gepäckraum befindliches Gepäck vor Diebstahl zu schützen. Das sei Aufgabe des Buspersonals.
Da ein Schadensersatzanspruch nicht ausgeschlossen werden konnte, war maßgeblich, wie hoch der Zeitwert der abhandengekommenen Gegenstände – mit Ausnahme der Wertsachen – war. Nach den Ermittlungen der söp und unter Zugrundelegung der Zeitwerttabelle vom Deutschen Textilreinigungs-Verband e. V. (DTV) belief sich der Zeitwert für die belegten Gegenstände auf einen Betrag in Höhe von 687,00 Euro und der der nicht belegten Gegenstände auf 150,00 Euro. Zwar hatte das Busunternehmen bereits ein Zahlungsangebot in Höhe von 350,00 Euro unterbreitet. Allerdings wurde nicht erläutert, wie sich dieses Angebot zusammensetzt.
Angesichts der Beweislast auf beiden Seiten hat die söp eine Zahlung in Höhe von 750,00 Euro für angemessen erachtet. Dieser Betrag setzt sich aus dem gesamten Zeitwert der belegten Gegenstände sowie ca. 50 Prozent des Zeitwertes der nicht belegten Sachen, ausgenommen der Wertsachen, zusammen.
Das Busunternehmen hat diesen Vorschlag angenommen, so dass die Angelegenheit einvernehmlich beigelegt werden konnte. (Dr. Katja Schmidt)
Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff können von Verkehrsunternehmen wie von deren Kunden noch so gut geplant und organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen kommen, die Anlass zur Beschwerde geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger. Derzeit beteiligen sich rund 370 Verkehrsunternehmen am Schlichtungsverfahren der söp.
SIGNAL-Leserinnen und -Leser können in jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls einen Einblick in die praktische Arbeit der söp bekommen.
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
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söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
aus SIGNAL 5-06/2018 (Dezember 2018/Januar 2019), Seite 61