söp

Gepäckbeschädigung im Fernbusverkehr


söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

24. Apr 2019

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer fuhr im Mai 2017 mit einem Bus eines Fernbusunternehmens von Kopenhagen nach Hamburg. Auf dieser Fahrt nahm er ein Fahrrad mit und erwarb für diese Fahrt eine Fahrkarte zuzüglich Fahrradmitnahme.

Der Beschwerdeführer schildert, dass sein Fahrrad vom Busfahrer unsachgemäß im Kofferraum verstaut worden sei. Einen Gepäckträger für Fahrräder habe es nicht gegeben. Der Transport des Fahrrades sei nur im Gepäckraum des Busses möglich gewesen, wobei es Sicherungsmaterialien für das Fahrrad (z. B. Gurte) nicht gegeben habe. Bei der Ankunft in Hamburg habe der Beschwerdeführer zahlreiche Schäden am Fahrrad festgestellt: Rückleuchte defekt, hinteres Schaltwerk verbogen, Kratzer an der Gabel, Sattel aufgerissen, Schutzblech verbogen.

Der Beschwerdeführer meldete sich beim Busunternehmen, schilderte den Sachverhalt und forderte eine Entschädigung in Höhe von 150 Euro, um die „Schäden am Fahrrad bestmöglich beseitigen zu können“. Darüber hinaus übersandte er Fotos vom beschädigten Fahrrad sowie vom Fahrrad im Gepäckraum des Busses.

Antwort der Beschwerdegegnerin

Das Busunternehmen lehnte die Zahlung einer Entschädigung ab, da keine überzeugenden Dokumente vorliegen würden, um den Schaden besser einordnen zu können. Mit dieser Antwort war der Beschwerdeführer

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nicht einverstanden. Der Schlichtungsstelle (söp) legte er einen Kostenvoranschlag für eine Reparatur durch eine Reparaturwerkstatt über 539 Euro sowie eine Rechnung über den Kauf des Fahrrades (gekauft am 8. September 2010, Preis: 1195 Euro) vor. Er bat um Durchführung eines Schlichtungsverfahrens.

Schlichtungsarbeit

Die söp prüfte das Anliegen des Beschwerdeführers und kam zu dem Ergebnis, dass ein Schadensersatzanspruch nicht ausgeschlossen ist. Zwar trägt der Beschwerdeführer die Beweislast dafür, dass der Schaden am Fahrrad durch den Transport entstanden ist und nicht schon vorher vorgelegen hat. Allerdings hat das Busunternehmen nicht bestritten, dass die Schäden am Fahrrad durch den Transport entstanden sind.

Ausgehend von den Beförderungsbedingungen des Busunternehmens (AGB) werden Fahrräder entweder auf dem Fahrradträger oder in dafür geeigneten Taschen im Kofferraum befördert. Eine für den Kofferraum geeignete Fahrradtasche hatte der Beschwerdeführer offenbar nicht. Vielmehr ging er davon aus, dass sein Fahrrad auf einem Fahrradträger befördert wird. Warum letztlich kein Fahrradträger vorhanden war, ist nicht bekannt. Zwar entscheidet nach § 11 Abs. 5 Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen (BefBedV) das Betriebspersonal, an welcher Stelle „Sachen“ unterzubringen sind. Gleichwohl trifft das Buspersonal eine Sorgfaltspflicht dahingehend, die Sachen so zu verstauen, dass sie nicht beschädigt werden.

Da der Beschwerdeführer mitteilt, dass das Fahrrad im Kofferraum untergebracht wurde, ohne dass es entsprechende Sicherungsgurte gegeben hätte, bestehen Bedenken, ob der Busfahrer dieser Sorgfaltspflicht in ausreichendem Maße genügt hat. Darüber hinaus wird nach den AGB des Busunternehmens in Fällen der leichten Fahrlässigkeit nur gehaftet, sofern wesentliche Vertragspflichten verletzt wurden. Da auch die Beförderung des Fahrrades geschuldet war, dürfte jedenfalls erwartet werden, dass fremdes Eigentum so verstaut wird, dass keine Beschädigungen entstehen. Eine Haftung wegen der Fahrradbeschädigung kommt daher nach §§ 280, 241 Abs. 2 BGB in Betracht, wenn das Busunternehmen oder seine Erfüllungsgehilfen eine Pflicht aus dem Beförderungsvertrag verletzt und sie diese Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Dies könnte vorliegend gegeben sein, da das Fahrrad offenbar nicht ordnungsgemäß verstaut worden ist. Das Verschulden des Busunternehmens wird vermutet, wobei unklar ist, ob sich dieses ggf. entlasten könnte.

Nach § 249 Abs. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte auch in Geld entschädigt werden (§ 249 Abs. 2 BGB). Maßgeblich ist, wie hoch der Zeitwert des Fahrrades zum Zeitpunkt der Beschädigung war. Der Wertverlust beträgt im ersten Jahr 25 Prozent und danach pro Jahr ca. 10 bis 15 Prozent (http://www.movesto.de/wie-vielist-mein-gebrauchtes-fahrrad-wert). Da das Fahrrad des Beschwerdeführers ca. 7 Jahre alt war, verbleibt noch ein Zeitwert von 26,2 Prozent, mithin 313,09 Euro. Der Wiederbeschaffungswert einer wirtschaftlich gleichwertigen Sache liegt in der Regel etwa 20 bis 25 Prozent über dem Zeitwert, vorliegend bei ca. 391,36 Euro. Angesichts des Kostenvoranschlages dürfte es sich hier jedoch um einen sogenannten „wirtschaftlichen Totalschaden“ handeln, da die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrrades deutlich übersteigen. Selbst wenn man – wie bei Kfz üblich – einen Integritätszuschlag von 30 Prozent berücksichtigen wollte, beliefe sich der Wiederbeschaffungswert auf einen Betrag von 508,76 Euro und läge damit immer noch unter den veranschlagten Reparaturkosten in Höhe von 539 Euro. Der Beschwerdeführer kann daher lediglich den Wiederbeschaffungswert in Höhe von 391,36 Euro ersetzt verlangen.

Die söp schlug in Anbetracht dessen eine Zahlung i.H.v. 391,36 Euro vor. Das Busunternehmen bot eine Vergleichszahlung i.H.v. 250 Euro an, die der Beschwerdeführer annahm. Die Angelegenheit konnte damit einvernehmlich beigelegt werden. (Dr. Katja Schmidt)

Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff können von Verkehrsunternehmen wie von deren Kunden noch so gut geplant und organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen kommen, die Anlass zur Beschwerde geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger. Derzeit beteiligen sich rund 370 Verkehrsunternehmen am Schlichtungsverfahren der söp.

SIGNAL-Leserinnen und -Leser können in jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls einen Einblick in die praktische Arbeit der söp bekommen.

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Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
www.soep-online.de

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aus SIGNAL 1/2019 (Mai 2019), Seite 31