Kurzsichtige Planungen von Lichtenrade bis Blankenfelde

Auf der Dresdener Bahn wird ein durchgehendes zweites S-Bahn-Gleis dauerhaft verbaut

Ein zweigleisiger Ausbau der S-Bahn-Strecke zwischen Berlin- Lichtenrade und Blankenfelde (Kreis Teltow-Fläming) wird durch die aktuellen Planungen der Deutschen Bahn (DB) zum Wiederaufbau der Dresdener Bahn für Fern- und Regionalzüge an vielen Stellen unnötig erschwert bzw. verhindert.


André Casper

1. Jun 2020

Der Bahnübergang am Bahnhof Blankenfelde wird durch eine Straßenunterführung ersetzt, die nur ein S-Bahn-Gleis berücksichtigen wird. Foto: André Casper

Ausgehend vom S-Bahnhof Lichtenrade gibt es in Richtung Süden auch künftig lediglich ein Streckengleis für die S-Bahn. Bis unmittelbar vor die Eisenbahnüberführung (EÜ) Wolziger Zeile wird ein zweites Gleis als Abstellgleis angeordnet, dieses wäre als Streckengleis nutzbar. Aber bei der EÜ Wolziger Zeile selbst wird eine zweite Gleisachse für die S-Bahn nicht berücksichtigt. Die westliche Rampe ist in Lage und Neigung so geplant, dass ein zweiter Überbau höher angeordnet werden müsste. Vor allem müsste dieser aufwändig separat gegründet werden, da die Flügelwände hierfür nicht vorbereitet sind.

aus: Planfeststellungsunterlagen Dresdener Bahn PFA 3 Grafik: DB-Netze

Weiter südlich auf Brandenburger Gebiet an den EÜ Ziethener Straße und Berliner Straße ergibt sich die gleiche Problematik. Eine geringfügige Anpassung der Rampen wäre in allen drei Fällen ohne wesentliche Mehraufwände möglich (gewesen), ebenso die entsprechende Ausbildung der Flügelwände. Lediglich an der dazwischen liegenden EÜ L 76 wurde von der Deutschen Reichsbahn (DR) Anfang der 1990er Jahre ausreichend vorgesorgt.

Gerade dieser Abschnitt zwischen der Landesgrenze Berlin/Brandenburg und dem S-Bahnhof Mahlow böte sich für einen ausreichend langen zweigleisigen Begegnungsabschnitt an. Stattdessen wird der für die Verspätungsübertragung anfällige Begegnungspunkt am S-Bahnsteig Mahlow von den Planern der DB nun auf Dauer zementiert.

Bahnsteigtunnel S-Bf Mahlow. Vom Bahnsteig (links) zum Empfangsgebäude (hinten) geht es im Tunnel treppab und treppauf, wo die Ferngleise den Tunnel überqueren werden. Diese Schikane wird beim Bau nicht beseitigt, sondern erneut so errichtet. Foto: André Casper

In Mahlow Treppen statt Rampen

Am S-Bahnhof Mahlow ist zu bemängeln, dass die DB den Bahnsteigtunnel unter den Fernbahngleisen in alter Lage neu errichtet, anstatt die Fernbahngleise hier auf Höhe der S-Bahn-Gleise leicht anzuheben und den Tunnel somit stufenlos zu gestalten. Die DR hatte dies in den 1990er Jahren mit der Höherlegung des S-Bahnsteigs noch fahrgastfreundlich begonnen, aber nun verbaut die DB hier eine sinnvolle und nachhaltige Lösung.

Schlimmer noch: Für die Anlage von Rampen fühlt man sich (als Infrastrukturbetreiber!) nicht zuständig, und das Eisenbahn- Bundesamt unterstützt diese Ansicht auch noch. Für die Fahrgäste bleibt es also für die nächsten 100 Jahre beim Treppab-Treppauf am Hauptzugang des Bahnhofs. Die bestehende Rampe-Tunnel-Aufzug-Lösung vom (westlichen) Hinterausgang bleibt zwar nutzbar. Vom Hauptzugang am (östlichen) Empfangsgebäude aus ist dieser barrierefreie Zugang aber nur durch einen großen Umweg durch den neu zu errichtenden Fußgänger-/ Fahrradtunnel 100 Meter südlich des Bahnhofes erreichbar.

Südlich des S-Bahnhofs Mahlow wird sich wieder ein Abstellgleis bis in Höhe des heutigen Bahnübergangs Trebbiner Straße anschließen, welches als Streckengleis nutzbar wäre. Die neuen Fußgänger- und Straßenunterführungen als Ersatz für den Bahnübergang sind infolgedessen für zwei S-Bahn-Gleise ausgelegt. Unmittelbar südlich im Bereich des Berliner Damms (L 792) rücken die Gleisachsen jedoch derart weit nach Westen, dass das einzelne S-Bahn-Gleis zwischen dem Rampenbauwerk der Mahlower Kurve und eben jener L 792 eingezwängt ist. Rampenbauwerk, Straßenquerschnitt und Bebauung lassen hier keinen Raum mehr für ein zweites S-Bahn- Gleis, obwohl die gesamten Gleis- und Tunnelanlagen problemlos vier Meter weiter östlich hätten angeordnet werden können.

Südlich vom S-Bf Mahlow beginnt künftig das Ausfädelungsbauwerk für die neue Mahlower Kurve für den Flughafenenpress. Die neuen Flügelwände stehen dann so dicht an der benachbarten Straße Berliner Damm, dass nur ein S-Bahn-Gleis dazwischen passt. Ein problemloses Verschieben des Bauwerks um vier Meter hätte für das zweite S-Bahn-Gleis Platz gelassen.
Das Kreuzungsbauwerk der Dresdener Bahn mit dem Berliner Außenring ist für eine Zweigleisigkeit der S-Bahn bereits vorbereitet. Das Bauwerk wird abgerissen und für zwei Fernbahngleise und nur ein S-Bahn-Gleis neu gebaut.
Anfang der 1990er Jahre baute die Reichsbahn bereits weitsichtig die S-Bahn-Brücke über die L76 für zwei Gleise und die Widerlager für vier Gleise.
Südlich des Bahnhofs Blankenfelde ist der Durchlass des Glasowbachs bereits seit Reichsbahnzeiten für zwei S-Bahn-Gleise vorbereitet. Auch hier wird der Durchlass neu gebaut, berücksichtigt aber dann nur noch ein S-Bahn-Gleis. alle Fotos: André Casper

Weitsichtige Vorleistungen werden zurückgebaut!

Im weiteren Verlauf bis zum (heutigen) S-Bahnhof Blankenfelde ist dann wieder ausreichend Platz für ein zweites S-Bahn-Gleis. Leider berücksichtigt die DB-Planung dieses jedoch bei den Ingenieurbauwerken in diesem Abschnitt nicht bzw. baut entsprechend vorgeleistete Bauwerke sogar aktiv zurück!

So wird das Kreuzungsbauwerk mit dem Außenring zwar komplett neu errichtet, die Widerlager werden – im Gegensatz zum heute viergleisigen Zustand – jedoch nur für zwei Fernbahn- und ein S-Bahn-Gleis neugebaut. Das weiter südlich folgende Kreuzungsbauwerk über die Potsdamer Kurve (Süd-West-Verbindung) wurde von der Reichsbahn jeweils zweigleisig vorbereitet und wird nicht verändert.

Die anschließende EÜ Tunnelweg der S-Bahn wurde von der DR ebenso weitsichtig zweigleisig ausgelegt, wird nun aber abgebrochen und eingleisig (!) neu gebaut.

Die am Bahnhof Blankenfelde geplante EÜ Karl-Marx-Straße sieht „natürlich“ ebenfalls nur ein einzelnes S-Bahn-Gleis vor und verhindert mit ihrer knapp kalkulierten Rampenlage auch eine einfache Erweiterung.

Auf die Situation südlich davon mit dem Parkhaus auf der Westseite als Zwangspunkt nimmt die DB-Planung dann keinerlei Rücksicht mehr, dort wird sich durch die ungünstige geplante Lage der Bahnsteige auf Dauer kein zweites S-Bahn-Gleis unterbringen lassen. Vom Rückbau der südlich des Bahnhofs liegenden EÜ Glasowbach, die unsere Altvorderen bereits für zwei (!) S-Bahn-Gleise vorbereitet hatten, nahm die Bahn nach einer Planänderung wieder Abstand und berücksichtigt nach Intervention nun zumindest ein einzelnes S-Bahn-Gleis für die geplante Verlängerung nach Rangsdorf.

Darüber hinaus werden in nahezu allen Abschnitten zwischen Berlin-Lichtenrade und Blankenfelde Lärmschutzwände umfangreich auf denkbaren Flächen für das zweite S-Bahn-Gleis angeordnet, die mit bis zu sechs (!) Metern Höhe immer irrwitzigere Dimensionen annehmen.

Alle Beteiligten haben versagt

Insgesamt ist zu bemängeln, dass die verantwortlichen Projektleiter und Planer der Deutschen Bahn es für unnötig halten, auch ohne konkreten Projektauftrag ein zweites S-Bahn-Gleis zumindest bei der Trassierung zu berücksichtigen. Dies war über 100 Jahre lang und bis Anfang der 1990er Jahre bei der Eisenbahn aus guten Gründen so üblich, wie sich in vielen Lageplänen anhand einer gestrichelten Linie für eine entsprechende Gleisachse gut nachvollziehen lässt. Diese Linie auf dem Papier kostete nichts außer ein bisschen Nachdenken, erleichterte aber folgenden Generationen erheblich eine entsprechende Infrastrukturerweiterung.

Leider haben die streng nach Regelwerk arbeitenden Bahn-Verantwortlichen eine solche nachhaltige und verantwortungsvolle Arbeitsweise aber vollständig verlernt, wie nicht nur hier an der Dresdener Bahn, sondern ganz aktuell auch an der Stettiner Bahn beklagt werden muss.

Vorgebrachte Einwände von Fahrgastverbänden und Anwohnern wegen der fehlenden Berücksichtigung eines zweiten Gleises wurden im Planfeststellungsverfahren vom Eisenbahn-Bundesamt mit einem verantwortungslosen Achselzucken abgelehnt. Aber auch die Länder Berlin und Brandenburg müssen sich vorwerfen lassen, nicht rechtzeitig durch entsprechende Vorplanungen bzw. Bestellungen eine Berücksichtigung des zweiten S-Bahn-Gleises erzwungen zu haben.

Es bleibt zu hoffen, dass bei allen Beteiligten schnellstens ein Rückbesinnen auf frühere Tugenden erfolgt! Ein solches Planungsdesaster wie hier beim Wiederaufbau der Dresdener Bahn darf sich nicht wiederholen.

André Casper

aus SIGNAL 2/2020 (Juni 2020), Seite 12-15