Planung und Bauten

Wir machen hier keine Verkehrspolitik

Dieser denkwürdige Satz stammt von Herrn Linsenmaier, dem Vertreter der Aufsichtsbehörde, während des Erörterungstermins zum Planfeststellungsverfahrens zur U5-Verlängerung Alexanderplatz - Brandenburger Tor am 5. Mai 1999. Der Satz steht für die Entwicklung des Berliner Verkehrswesens in den letzten zehn Jahren.

Über Sinn oder Unsinn der U5-Verlängerung ist diskutiert worden. Den IGEB lehnt nach wie vor die Westverlängerung der U5 um jetzigen Zeitpunkt ab. Inhalt einer Anhörungsveranstaltung ist nicht die verkehrliche Diskussion. Sie soll die Belange aller Betroffenen sichern. Die IGEB hatte sich bei der Auslegung der Pläne zu den geplanten Anlagen geäußert (vgl. SIGNAL 2/96 ). Immerhin wurden eine Reihe von Einwendungen aufgegriffen. Etwas überrascht war die IGEB, da im Antwortschreiben ausgiebig die verkehrliche Bedeutung der U5-Verlängerung erläutert wurde.

Auf einen Haupteinwand wurde jedoch nicht ernsthaft eingegangen: Die IGEB hatte von Anfang gefordert, die Straßenbahn stärker zu berücksichtigen. Dies geschah in der in Berlin üblichen Weise: die Leistungsfähigkeit der Straßenbahn wurde schlecht gerechnet. Auf Argumente wie Parallelverkehr zwischen U5 und Stadtbahn wurde nicht eingegangen und stattdessen behauptet, die U5-Verlängerung würde die Verkehrsverhältnisse für Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen (!) verbessern.

Und so stand die IGEB bei der Anhörung in dem Zwiespalt, daß sie die kurzfristige Verlängerung der U5 zugunsten anderer Maßnahmen ablehnt, aber wenn sie schon gebaut wird, dann sollte sie so fahrgastfreundlich wie möglich werden.

Eine grundlegende Änderung der Planungen ergibt sich daraus, daß entgegen der ursprünglichen Planung fast die gesamte Strecke im Schildvortrieb gebaut werden soll. Diese Änderung ist wohl vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Straße Unter den Linden nicht für längere Zeit mit einer offenen Baugrube „verschönert" werden soll.

Alle Bahnhöfe werden nunmehr so tief liegen, daß überall Rolltreppen erforderlich sind. Wer läuft gerne schon neunzig Stufen (zum Beispiel U-Bahnhof Spreeinsel) auf- oder abwärts, bevor er auf dem Bahnsteig steht?

U-Bahnhof Berliner Rathaus

U-Bahngleise
Hier sollen später Züge zum neuen Bahnhof Berliner Rathaus weiterfahren (Blick in die Kehranlage Alexanderplatz). Foto: Marc Heller

Der U-Bahnhof Berliner Rathaus wird in offener Bauweise realisiert und kompliziert und teuer. Er ist unnötigerweise als Turmbahnhof konzipiert, so daß für den späteren Bahnsteig der im Flächennutzungsplan geplanten U3 (Adenauerplatz - Potsdamer Platz - Alexanderplatz - Weißensee) erhebliche Vorleistungen sofort erbracht werden müssen. Im oberen Stockwerk werden die beiden Seitenbahnsteige für die U5 gebaut. Jeder Seitenbahnsteig erhält einen Aufzug, der später bis zu den Bahnsteigen der U3 weiterführen soll. Das untere Stockwerk für die U3 wird nicht mit Bahnsteigen versehen. Stattdessen werden vier Gleise als Aufstellanlage der U5 gebaut. Für den Bau von Abstellanlagen war in Berlin schon immer genug Geld da.

Immerhin kann durch den Bau der Aufstellanlage unter den U5-Bahnsteigen auf eine weitere Anlage hinter dem U-Bahnhof Berliner Rathaus verzichtet werden. Dafür ist nur ein Gleiswechsel vorgesehen, um auf Störungen und Bauarbeiten reagieren zu können. Hinter diesem Gleiswechsel beginnt der Bereich des Schildvortriebes in Richtung Westen. Er wird unter Spree und Palast der Republik bis zum nächsten Bahnhof Spreeinsel führen.

U-Bahnhof Spreeinsel

Der Bahnhof Spreeinsel wird unter dem Kupfergraben südlich der Schloßbrücke liegen. IGEB-Hinweise für die Gestaltung der Ausgänge wurden aufgegriffen. So ist jetzt ein Ausgang in Richtung Staatsoper vor dem Kronprinzenpalais geplant, der ursprünglich nicht vorgesehen war. In westlicher Richtung ist ein weiterer Ausgang zwischen Zeughaus und Neuer Wache geplant. In Richtung Osten sollen Ausgänge auf den Schloßplatz und den Lustgarten gebaut werden. Ein Aufzug auf den Bahnsteig ist am Westufer des Kupfergrabens geplant.

U-Bahnhof Unter den Linden

Der U-Bahnhof Unter den Linden wird an der Straßenkreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße als Kreuzungsbahnhof zur U6 in offener Bauweise gebaut. Auch hier ist man auf Wünsche der IGEB eingegangen: Der Bahnhof wird in T-Form gebaut (ursprünglich L-Form). Den Querbalken des T's bildet der Bahnsteig der U5. Die U6 erhält Seitenbahnsteige.

U-Bahnhof Französische Straße

Der Bahnhof mit seinen vor einigen Jahren verlängerten Bahnsteigen wird aufgegeben. Die bauliche Gestaltung wird dem U-Bahnhof Leopoldplatz ähneln. Ausgänge werden an jeder Ecke der Straßenkreuzung und am südlichen Ende der U6-Bahnsteige gebaut. Ausgänge Richtung Osten (Charlottenstraße) zur besseren Erreichbarkeit von Staatsbibliothek und Humboldt-Universität werden nicht gebaut.

Die ursprünglich westlich des U-Bahnhofs Unter den Linden geplante Aufstellanlage ist nicht mehr geplant, es wird ein Gleiswechsel gebaut.

S/U-Bahnhof Brandenburger Tor

Der jetzige S-Bahnhof Unter den Linden wird bei Fertigstellung der U5 in Brandenburger Tor umbenannt. Er liegt unter dem Mittelstreifen der „Linden" und so eingepaßt, daß zum Erreichen des 5S-Bahnsteiges die vorhande Passarelle am westlichen und östlichen Ende des S-Bahnhofs genutzt werden kann. Es wird ein Zugangsbauwerk für S- und U-Bahn geben.

Die Umsteigewege werden sehr unbequem sein, weil kein direkter Verbindungsgang zwischen S- und U-Bahnhof geplant ist. Umsteiger müssen die Passarellen benutzen. Davon werden bis zur Realisierung der S21 auch Fahrgäste aus südlicher Richtung betroffen sein, die hier zum Erreichen des Lehrter Bahnhofs umständliche Wege zurückzulegen haben. Das Zugangsbauwerk an der westlichen Passarelle erhält eine aufwendige gegenläufigen Treppenanlage. Erschwerend, daß bei Gestaltung auf die Zwänge des Straßenraumes Pariser Platz/Unter den Linden Rücksicht genommen werden muß. Der Aufzug muß sich in die Baum-Fluchtlinie einordnen müssen.

Ein zusätzlicher Ausgang ist von der Mitte der westlichen Passarelle auf die Fußgängerinsel am Pariser Platz geplant. Dies ist sozusagen als Dienstleistung für die Touristen gedacht, die das Brandenburger Tor aus einer guten Entfernung fotografieren wollen.

Wichtiger wären jedoch aus Sicht des Berliner Fahrgastverbandes IGEB zusätzliche Ausgänge von der westlichen Passarelle auf die nördlichen und südlichen Bürgersteige in Richtung Brandenburger Tor. Angeblich steht dem unter anderem die Vorfahrt des Hotels Adlon entgegen. Die IGEB fordert, auch hier noch einmal zu prüfen und ggf. im Sinne der Fahrgäste nachzubessern.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 4/1999 (Juli 1999), Seite 18

 

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