Planungen und Bauten
Ein vergleich möglicher Varianten für einen Nord-Süd-Tunnel in Groß-Berlin
1. Aug 1990
Verschiedene Fahrgastverbände, Bürgerinitiativen und Arbeitsgruppen von in West-Berlin ansässigen Fördervereinen haben in den vergangenen zehn Jahren eine Reihe von Konzepten zur Wiederbelebung des Schienenverkehrs von und nach Berlin erstellt. Kennzeichnend für diese Konzepte waren sowohl eine übergreifende Netzplanung zwischen Westdeutschland und West-Berlin, die - unter Einbeziehung ehemaliger Strecken auch die auf Ost-Berliner Gebiet liegenden Streckenteile sowie alle durch die DDR führenden Trassen integrierte, als auch das Bemühen, die Pläne der alten DDR-Staatsführung zu durchkreuzen, die den Schienenfernreiseverkehr an West-Berlin vorbeiführen wollte. Dies alles gehört seit dem 9. November der Vergangenheit an, und wer sich heute Gedanken macht, wie die Zukunft der Eisenbahn in Berlin aussehen sollte, der ist nun kein Außenseiter mehr. Beispielhaft dafür ist die Diskussion um eine neue Nord-Süd-Strecke, die jetzt Politiker, Planer und viele Bürger in Ost- und West-Berlin bewegt.
Alle bisher vorliegenden Überlegungen und Konzepte setzen unterschiedliche Schwerpunkte und verfolgen abweichende Prioritäten. Als Beispiel für die Abhängigkeit von der politischen Großwetterlage sei der Beitrag des Verfassers “Bahnhof Zoo - quo vadis." in SIGNAL 9/89 genannt. Der folgende Beitrag versucht, durch Beschreibung der sich heraushebenden Varianten in Bezug auf die Nord-Süd-Magistrale lupenartig Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und kontroverse Zielsetzungen zu analysieren. Dabei bleibt festzuhalten, daß die ursprünglich verkehrsbezogenen Konzeptionen zunehmend von städtebaulichen und ökologischen Betrachtungen und Bewertungen durchsetzt und hinterfragt werden.
Besondere Aktualität erhielt die Eisenbahn-Planung durch die lebhafte Diskussion um die Zukunft des Potsdamer Platzes. Auch das Berlin-Studio des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) widmete seine kulturellen Themen vorbehaltene Sendung ASPEKTE am 15. Juni ausschließlich dem Thema der Stadtplanung am Potsdamer Platz, Welche Dimension die Planung an diesem einst verkehrsreichsten Platz Europas hat, den die junge Generation über 30 Jahre nur noch als Ödnis im Todesstreifen erleben konnte, zeigte die Feststellung eines Gastes, daß “der Potsdamer Platz in seiner Funktion als verkehrsreichste innerstädtische Drehscheibe schließlich eine Verkehrsmenge von 730.000 Passagieren der unmittelbar angebundenen Nah- und Fernbahnanlagen des Potsdamer (80.000) wie des Anhalter Bahnhofes (150.000) täglich zu bewältigen hatte".
Wie in allen westeuropäischen Großstädte mit einer Milionen-Bevölkerung vor der Jahrhundertwende hatten sich die Endbahnhöfe der privatbetriebenen Bahngesellschaften zunächst vor den Stadtmauem angesiedelt. Ein ankommender Passagier war immer auch ein Besucher der am Bahnhofsausgang beginnenden Metropole. Zeítgemäß benutzte er bıs zum Hotel oder einer Beherbungsstätte eine Droschke oder Schusters Rappen. Erst als sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in jeder Richtung der Windrose eine Bahngesellschaft etabliert hatte, entstand der Wunsch nach einer Verbindung der Bahnhöfe durch leistungsfähige Verkehrsmittel; der von einer Bahnlinie in die andere umsteigende Passagier verlangte das. Vor Entdeckung des elektrodynamischen Prinzips 1866 durch den Berliner Ingenieur Werner von Siemens waren das dampfbetriebene Stadtbahnen im Taktfahrplan-Betrieb.
In Berlin entstand angesichts der verkehrsreichen Ost-West-Ströme zunächst der Wunsch nach einer Verbindung der damals stark frequentierten Ost-Bahnhöfe - des Schlesischen und des Frankfurter Bahnhofs - mit dem Charlottenburger Bahnhof im Westen. Dies wurde 1882 nach 10-jähriger Bauzeit in Gestalt der 12 km langen Stadtbahn in Hochlage zwischen Charlottenburg (Brücke Holtzendorffstraße) bis West-Einfahrt Schlesischer Bahnhof (heute Hauptbahnhof, bis Dezember 1987 Ostbahnhof) realisiert. Diese Stadtbahnlinie, welche immer 4-gleisig geführt wurde, davon zwei Gleise für die Reisezug-Fernbahnlinie Paris-Moskau und zwei Gleise für die Stadt-Schnellbahn (später die “S-Bahn"), wurde 1961 im Bahnhof Friedrichstraße auf DDR-Gebiet willkürlich zurückgebaut und wird gegenwärtig wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Als Planungsaufgabe ungelöst blieb im Zeitalter des Dampfbetriebes eine Nord-Süd-Verbindung der Fernbahnen. Schon vor dem 1. Weltkrieg, im Jahre 1909, wurde im Rahmen des Wettbewerbes “Groß-Berlin“ ein Entwurf über eine Nord-Süd-Fernbahn preisgekrönt, der von Joseph Brix, Felix Genzmer und der Hochbahngesellschaft eingereicht worden war. Zum Ende des 1. Weltkrieges veröffentlichte der Stadtplaner Mächler, später Ordinarius an der TU Berlin, einen Entwurf für die sich anbietende unterirdische Verbindung der Endbahnhöfe Lehner und Anhalter Bahnhof, die in Industriekreisen sogar eine gewisse Resonanz fand. Unter Federführun der AEG wurde - zur Umgehung des Proplems der Abführung der Rauchgase und Kondensate bei Dampfbetrieb in der Tunnelstrecke - eine mit Stromschiene betriebene 6-achsige Drehgestell-Lokomotive (1' Bo + Bo 1') E 178 01 entwickelt (s. Abb. 3), welche im Tunnelbereich die Reisezuggarnituren mit den einsitzenden Passagieren zwischen Lehrter und Anhalter Bahnhof bewegen sollte, freilich um den Preis eines zweimaligen Lokwechsels auf einem 3,5 km-langen Streckenstück. Eine oberirdische Verbindung verbot sich wegen der in der Fluchtlinie liegenden Regierungsbauten.
Überlagert wurde die Mächler-Planung von der Variante einer Nord-Süd-Tunnelführung der S-Bahn, allerdings nicht zwischen dem Lehrter, sondern dem 1 km weiter östlich gelegenen Stettiner Bahnhof und dem Anhalter Bahnhof. Diese S-Bahn - die Nord-Süd-S-Bahn - wurde 1939 fertiggellt.
Die vom Magistrat von Berlin in den 20er Jahren geplanten und zur Realisierung vorgesehenen verkehrlichen und stadtplanerischen Maßnahmen wurden in den 38er Jahren zunächst weitergeführt. Nach Einrichtung des Amtes eines Generalbauinspekteurs, welches auf die Vorstellungen Hitlers und Albert Speers zugeschnitten war, wurden Mitte der 30er Jahre neben einer gigantischen Halle im Spreebogen eine Reihe weiterer Monumentalbauten vorgesehen, die sich entlang einer Nord-Süd-Achse vom östlichen Tiergarten bis nach Tempelhof erstrecken sollten. Der Lehner Bahnhof sollte nach Norden, der Anhalter/Potsdamer nach Süden verschoben und mit weiteren Gleisen und Bahnsteigen ausgestattet werden. Als Baustein einer Nord-Süd-Unterquerung wurde die S-Bahn vom Stettiner Bahnhof an unterirdisch verlegt und über Friedrichstraße, Potsdamer Platz zum Anhalter Bahnhof in Tieflage geführt. Die Anordnung erfolgte parallel zu den auf Ebene +1 liegenden 6 Ferngleisen in der Halle des Anhalter Bahnhofs. Nach Unterquerung des Landwehrkanals in der Ebene -2 tauchte die S-Bahn im Bereich Gleisdreieck wieder auf, um sich danach in zwei südliche Richtungen zu gabeln. Ein vom Anhalter Bahnhof auf Ebene -1,5 sich nach Osten erstreckender Tunnelast sowie ein nördlich des Potsdamer Platzes sich verzweigender Tunnelast in Richtung Lehrter Bahnhof - Nordring wurden als Baumaßnahme begonnen.
Die partiell eingeleiteten Baumaßnahmen hinterließen - außer den bereits im Kriege zerstörten oder nach dem Kriege zum Teil von den Alliierten geschleiften, zum Teil von den Bauverwaltungen beider Stadtteile abgetragenen oder umstrukturierten Oberflächenbauten, darunter sämtliche Kopfbahnhöfe! - auch einige unterirdische Tunnelbauwerke, die für S-Bahn- oder U-Bahn-Ergänzungsstrecken vorgesehen waren. Sie sind - in ihrem Zweck entideologisiert - auch damit sinnvoll nutzbar, wenn man - dem Stadtgrundriß folgend - die Trassen so weiterplant, daß sie im Sinne eines friedlichen wecken dienenden Stadtumbaus für anstehende Baumaßnahmen kostensenkend verwendet werden können.
Die Begründungen für derartig kostspielige Baumaßnahmen, deren betriebliche Untegrhaltung mit weiteren, allerdings sich im Rahmen haltenden Aufwendungen verbunden sind, speisen sich aus mehreren Quellen.
Wie eingangs gesagt wurde, lagen im Gründerzeitalter der Eisenbahnen die Anlagen als Kopf- oder “Sackbahnhöfe” vor der Stadtmauer, meistens auch noch vor dem “Akzise"-Tor, denn die Stadtväter wollten von dem Warenstrom Steuem und Zölle ziehen (Friedrich List, der deutsche Eisenbahnpionier, versuchte bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Bereich der ca. 70 deutschen Kleinstaaten, eine der EG ähnliche “Inlandregelung" zu bewirken, doch es gab zähe Widerstände).
Die im Dampfzeitalter erforderliche Lok-Wartung sowie die relativ kurzen Betriebsentfernungen der Züge erforderten große Abstell- und Wartungsareale. Ziel heutiger Stadtverwaltungen ist es allgemein, im Zeitalter der elektrischen Zugförderungen mit sehr viel höheren Betriebsentfernungen der Züge die von den Eisenbahnverwaltungen eingesparten Flächen zurückzuerwerben und als Bauland (Büros, Läden, Wohnungen) sowie für ökologische Zwecke (Stadtparks, Freizeiträume, Tier- und Pflanzenreservate, Biotope, u.s.f.) zu nutzen.
Kopfbahnhöfe der herkömmlichen Technik waren wegen des Hin und Her beim Wenden der Züge und der Lok-Umsetzungen zeitlich und personell sehr aufwendig. Die neue Eisenbahnantriebstechnik mit zwei Triebköpfen (Hochgeschwindigkeitszug ICE) oder der Wendezugbetrieb im Regional- und Nahverkehr, soweit nicht Elektrotriebwagengarnituren eingesetzt werden, gestatten einen vereinfachten Umkehrbetrieb schon im Kopfbahnhof und eine weitere Vereinfachung, wenn der Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof umgewandelt wird - mit unterschiedlich hohem Aufwand.
Stadtplanerisch geht dies - um nicht ganze Stadtviertel für eine durchgehende Eisenbahntrasse abreißen und als Sicherung sehr viele Bahnschranken bei den Kreuzungen von Schiene und Straße installieren zu müssen - nur durch das Auweichen in die Tieflage. Dies ist die Erklärung für die Bemühungen vieler Initiativen in Berlin und neuerdings - als Folge des 9. November 1989 - auch der Verwaltungen in Ost und West, neben der bereits seit 1882 vorhandenen Ost-West-Durchquerung in Hochlage (auf den Stadtbahnbögen) nunmehr eine Nord-Süd-Durchquerung in Tieflage zu erreichen.
Die Wünsche der Bahnreisenden richten sich auf eine bequeme und schnelle Überwindung der Entfemungen und bei weiten wie auch nahen Reisen auf möglichst wenige Umsteigevorgänge. Mit dem Auto fährt man ja leicht von Tür zu Tür! Und das Gepäck hat man griffbereit im Kofferraum seines Wagens! Reiseverpflegung ist selbstverständlich. Die Eisenbahn aber bietet darüber hinaus (in der Regel) sanitäre Einrichtungen und Hygene und unterwegs Unterhaltung durch Fernsehen und Musikübertragung, In nicht allzufemer Zukunft läßt sich sogar das vollgepackte Auto als Gepäckstück im selben Zug mitnehmen, denn für viele Urlaubsguppen oder Familienreisen ist ein eigener Pkw zur Erreichung der Sommerpension und zur Nutzung im Umkreis des Urlaubsortes oft ein unverzichtbarer Komfort. Und die Automitnahme wird noch gar nicht einmal so teuer werden. Es gibt Untersuchungen, die die Kosten der jährlichen Autounfälle in der Bundesrepublik auf ca. 40 Milliarden DM beziffem. Dafür ließen sich schon eine ganze Menge Auto-Fahrkarten - anteilig - mitfinanzieren.
Zurück nach Berlin: Schön ist es dann, wenn der Reisende ganz nahe am Reiseziel eintrifft: Mitten in einer Großstadt wie Berlin, und dann vielleicht gleich im Untergeschoß eines Riesenwarenhauses, mit allen nur erdenklichen Informations- und Einkaufsmöglichkeiten!
Reisen soll entspannen, Spaß machen, Freude und Überraschungen bringen, Menschen kermenlernen und Landschaften und Städte erleben lassen! Auch diejenigen, die eine Stadt im Zug durchqueren, um ein fernes Reiseziel zu erreichen, freuen sich, wenn der Zug nach einem kurzen Halt weitereilt und die Warte- und Aufenthaltszeiten nicht die eigentliche Reisezeit um das Doppelte verlängern. Darum also Durchgangsbahnhöfe auch in einer Großstadt wie Berlin, mit kurzen Aufenthaltszeiten für alle, die weiter wollen - nach Paris oder Warschau, Moskau oder Prag, Wien, Budapest, Hamburg, Kopenhagen, Amsterdam, Brüssel, durch den Eurotunnel nach London, durch den Brennertunnel nach Mailand, Rom, Neapel, durch den Skandinavientunnel nach Kopenhagen, Oslo, Stockholm, in die Mitternachtssonne bis nach Narvik! Berlin kann als erste Weltstadt die Eisenbahn-Wartezeit-Mauern niederreißen! Freie Eisenbahnfahrt für freie Menschen - ab sofort nach West und Ost, nach Nord und Süd.
Während die Variante Nr. 4 des Fördervereins Anhalter und Lehrter Bahnhof Berlin e.V. (FALB) bereits im Rahmen der IBA-Wettbewerbe 1984 und 1986 erstmals der (Fach-)Öffentlichkeit vorgestellt wurde, entstanden die peripheren Lösungsvorschläge verschiedener Bürgerinitiativen erst in jüngster Zeit. Ebenfalls aus Arbeitsgruppen fachkundiger Bürger und engagierter Initiativen entstammen die Ansätze der Varianten Nr. 1 und 3. Sie wurden aus Kreisen der Altemativen Liste (AL) in die öffentliche Diskussion eingeführt und mit Blickrichtung zu einem ökologischen Stadtumbau (Vorrang für die Bahn) seit dem Sommer 1989 thematisiert. In den gleichen thematischen und zeitlichen Rahmen ist die Variante Nr. 2 einzuordnen, die von dem vormaligen Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Prof. Dr, Jürgen Starnick, in die öffentliche Diskussion getragen wurde.
Ein gemeinsames Anliegen aller dieser Bürgerinitiativen und Arbeitskreise ist die Bevorzugung des Rad-Schiene-Systems mit dem Ziel einer Verflechtung des innerdeutschen mit dem mitteleuropäischen Fernbahnnetz. Aus überregionaler Sicht ergeben sich daraus die Anforderungen an die Einbindungswege und ihre konzeptionelle Verflechtung mit dem innerberliner Fernbahnnetz, die von den Autoren nicht immer in ausgefeilter Konzeption, aber doch zumindest ansatzweise erwähnt wird. - Die in einer breiten Fachdiskussion nach dem 9. November 1989 einsetzenden Überlegungen der in der DDR wie in Ost-Berlin ansässigen Experten konnten - da noch nicht ausreichend bekannt und reflektiert - hier nicht einbezogen werden. Es ist beabsichtigt, dies ggf. in einem Folgebeitrag nachzutragen.
Die Variante 1 beinhaltet die weiträumigste - und in ihrem stadtplanerischen Ansatz - radikalste Überlegung zu einer Einbeziehung großräunıiger überregionaler Verkehrsströme des Fernreiseverkehrs auf der Schiene in das innerstädtische Leben der zu revitalisierenden Kemgebiete im Bereich Mitte. Der als Folge der Sektorenaufteilung zunächst vom Netz abgetrennte und als Folge der politisch-wirtschaftlichen Zurückentwicklung in der DDR funktionslos gewordene Stettiner Kopfbahnhof fiel als erster einer Radikalsanierung der östlichen Stadtplanung zum Opfer und wurde abgebrochen - mit Ausnahme der Anlagen der Nord-Süd-S-Bahn. Dem Stettiner Bahnhof - klassischer Berliner Fernreisebahnhof zu den deutschen Ostseebädern sowie zu den Fährverbindungeng nach Skandinavien - vorgelagert war der im Wedding gelegene Umsteige- und Verteilungsbahnhof Gesundbrunnen, der in Richtung Berlin die Aufteilung der aus dem Norden und Nordosten einlaufenden Fernzüge (auch der Güterzüge) auf den Nordring wie zum Stettiner Bahnhof und zum nachgelagerten (Güter-)Bahnhof Eberswalder Straße übernahm (Versorgung der industrie- und bevölkerungsreichen Nordviertel).
Dieses “Tor zum Norden" soll nun - im Sinne der Konzeptidee - die aus Mecklenburg und Vorpommem sowie die im Fährverkehr aus Skandinavien nach dem Süden strebenden Passagiere über Berlin führen (in Konkurrenz zur Vogelfluglinie) und sie zu einem Zwischenstop in Berlin verleiten. Dasselbe analog in entgegengesetzter Richtung. Zieht man die Varianten 2, 3 und 4 sowie 5 (Ostkreuz) in Vergleich zur Variante 1, ergeben sich bei dieser - verkürzt - alle Vorteile von 2, 3, 4 zu einem höheren Investitions- und Zeitaufwand, während die Nachteile - bei geforderter ökologischer Betrachtungsweise - insofern vermindert werden, als für Bahnhofsverkehrsflächen benötigtes Brachland außerhalb des Innenbereiches dort im Bereich Gesundbnmnen - eher - verfügbar ist. Im Lichte des 9. November bröckelt dieses Konzept etwas, weil es durch die Grenzöffnung zu Verkehrwerzweigungen über die nord-östlichen Eingangsbahnhöfe mit dem Schwerpunkt Lichtenberg kommen wird, während die eigentlichen Zielfunktionen mit dem Endpunkt Berlin-Mitte zweckmäßiger und mit kürzeren Umsteige- und ÖPNV-Fahrzeiten auch von den anderen Konzepten (Varianten 2 bis 4) erbracht werden können.
Ihr Autor verweist auf die bisher vernachlässigten vorhandenen wie auch zu erwartenden Passagierströme von Skandinavien nach dem Süden und lehnt sich insofern sowohl an Planungen von 1909 der Hochbahngesellschaft wie auch der DDR-Verkehrs planung an, die vor der Öffnung der Mauer von einer längerfristigen Umorientierung des durchgehenden Verkehrs aus der West-Ost-Relation in die zunehmend dominierende Nord-Süd-Relation (unter Umgehung West-Berlins) ausgingen.
Der Potsdamer Platz beherbergte ehemals auf seiner Südseite den Potsdamer Bahnhof, und es liegt nahe, eine verkehrsintensive Drehscheibe des Straßen- und (unterirdisch) des spurgebundenen ÖPNV mit einer Fernbahntrasse zu verzahnen. Ein scheinbarer Vorteil ist die Möglichkeit, die Trasse der Potsdamer Bahn, derzeit brachliegend, für wenig störende Auftauchpunkte neu zu verwenden. Bei näherer Prüfung ergibt sich jedoch als gravierender Nachteil ein Verzahnungshemmnis mit den bereits betriebenen oder (nach Umverlegung der M-Bahn) zu revitalisierenden vorhandenen Bahnsteigen und Gleisanlagen von S- und U-Bahn in zwei übereinanderliegenden Ebenen (Lichtenrade - Frohnau, Krumme Lanke - Pankow).
Ein Ausweichen in die Ebene -3 bringt neue und höhere Kostendimensionen; ein Ausweichen nach dem Westen eröffnet neue Flächenplannutzungsdískussionen und damit zusammenhängende zeitliche Verzögerungen, von der Tangierung des Kulturforums wie auch von den kontrovers diskutierten Interessenlagen um die von Daimler-Benz ins Auge gefaßten Flächen einmal abgesehen. Ein Ausweichen nach dem Osten konkurriert sehr mit der Variante 4 in ihrer Trassenführung über den Anhalter Bahnhof. Der Autor räumte in einem Fachgespräch ein, daß sein Entwurf ein Überdenken erfordere - ganz abgesehen von der in dieser Variante noch fehlenden und nur schwer machbaren Drehscheibenfunktion für den Ost-West-Verkehr.
Im Dezember 1984 wurde die erste neu gestaltete Anlage eines "Museums für Verkehr und Technik" im Hause Trebbiner Straße Nr. 9 eröffnet. Inzwischen sind die Außenanlagen, darunter die Lok-Schuppen 1a und 1 samt Drehscheiben für schwere Dampfloks, hinzugekommen. Es ist verstänlich, wenn nun aus Kreisen des Museums und nahestehender Senatsverwaltungen Varianten in die Öffentlichkeit gelangen, die durch alternative Trassenführungen um diesen Komplex herum und durch Hinweise auf Forderungen im Rahmen des ökologischen Stadtumbaus die Erhaltung der Biotope und Grünflächen für unantastbar darstellen.
Ein bedingter Nachteil dieser Variante ist die Lage der Trasse am Rande vorhandenen Brachgeländes. Berührte Fremdgrundstücke könnten nicht ohne Einleitung langwieriger Planungsverfahren umgenutzt werden, oder die Trasse müßte sogar abschnittsweise unter Kreuzungen mit Wasserstraßen und Linen des S- und U-Bahn-Netzes unter schwierigen Steigungsbedingungen hindurchgeführt werden.
Diese vom Förderverein Anhalter und Lehrter Bahnhof auf den Grundlagen des Entwurfes von 1909 der Hochbahngesellschaft und des späteren Entwurfs von Prof. Mächler 1984 nach zeitgemäßen eisenbahntechnischen Erkenntnissen und Lastenheften ausgearbeitete Konzeptvariante fußt weitestgehend auf der Verfügbarkeit “ererbter" Bahnflächen und Trassen. Diese Variante könnte daher durch Anpassung an technische Zusatzausstattungen - wie einer elektrischen Oberleitung mıt geringfügiger Verbreiterung des Lichtraumprofiles - vom Genehmigungsverfahren her in vertretbarem Zeitrahmen und mit auf mehrere Baustufen verteilten Finanzierungsanforderungen in Realisierungsnähe geführt werden.
Hervorzuheben ist die räumlich zentral gelegene und verkehrsmäßig gut erschlossene Lage in der südlichen Friedrichstadt, mit Schnittstellen zum Zentralen Bereich. Neu ist die Verlegung der Gleisanlagen in die Ebene -2, welche eine konfliktfreie Unterfahrung des Landwehrkanals, der S- und U-Bahn zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor, der Spree vor dem Lehner Bahnhof und der U-Bahn-Linie 7 zwischen Landwehrkanal und Yorckstraße ermöglicht. Diese von Prof. Mächler geforderte Umwandlung von zwei bedeutenden, verkehrsstarken Kopfbahnhöfen in Durchangsbahnhöfe in der gewünschten Nord-Süd-Relation könnte in der 1. Stufe sogar - wie Experten des FALB versichem - kostensparend ohne eine Wiedererrichtung der Oberflächenbauwerke erfolgen. Im Anhalter Bahnhof böte sich der Vorteil einer sehr schnellen Umsteigemöglichkeit in die ebenengleich und parallel gelegene Nord-Süd-S-Bahn (S1, S3) sowie in die ebenengleich kreuzenden U-Bahn-Linien 1 und 7.
Ein weiterer Vorteil ist seine die Oberflächenbiotope erhaltende Anordnung. Sie ist eine beabsichtigte Folge der unterirdischen Trassenführung. Der Tunnelmund dieser Anlage speziell zwischen Yorckstraße und Schöneberger Kreuz hätte an dieser Stelle in Höhe des S-Bahnhofes Papestraße in planungsvertraglicher Anordnung einen südlichen Auftauchpunkt. Der Auftauchpunkt des Nordausganges hätte seinen Tunnelmund zwischen Perleberger Straßenbrücke und Putlitz-Straßenbrücke auf planfestgestelltem Bahngelände.
Die Anlagen wie auch Planungen des Museums für Verkehr und Technik auf den Brachflächen des Gleisdreieck-Bahngeländes blieben unangetastet, und alle Naturfreunde der bewußtlebenden Kreuzberg-Schöneberger Bevölkerung mit ihrem betonten Anspruch auf Grünflächen und Naturnähe in der Mitte einer Großstadt sahen sich in der Lage, das umweltfreundliche Rad-Schiene-System unterstützen zu können.
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil läge in der bereits vom FALB durchkonzipierten Möglichkeit, am Südausgang des Lehrter Bahnhofs in Tieflage einen direkten Zugang zum Reichstag zu schaffen. In der sich sicherlich, unbeschadet von der derzeitigen kontroversen Hauptstadtdiskussion in jedem Fall über Jahre hinziehenden Übersiedlung von Legislative und Exekutive aus Bonn nach Berlin könnten die Abgeordneten sowie Mitglieder der Bundestagsausschüsse und der Länderkammer ein Vorbild für die Beamten und Angestellten setzen, indem sie von Bonn nach Berlin im ab 1997 verkehrenden Hochgeschwíndigkeitszug in drei Stunden den Ort wechseln, ohne - von Ausnahmefällen abgesehen - auf das teurere und in dieser Relation (unter 500 km Luftlinie) umweltunfreundliche Flugzeug angewiesen zu sein.
Als ein weiterer Vorteil dieser Variante kann gelten, daß sie eine Option zur Durchbindung des Fernverkehrs in östlicher Richtung, und zwar in Ebene -2 im nördlichen Ausgangsbereich des Anhalter Bahnhofsgrundrisses, anbietet. Hier ließe sich vorteilhaft ein ebenengleicher Passagierwechsel (geometrisch als unterirdisches Fernbahndreieck angeordnet) durchführen. Der Fernverkehr wird im Vor- und Nachlauf dieser Anlage durch gerade unterirdische Streckenführungen beschleunigt, und es ließe sich zugleich eine bahnsteiggleiche Verknüpfung mit den S-Bahn-Linien 1 und 2 herstellen, in späterer Ausbaustufe zusätzlich mit der Verlängerung der S1 zum Nordring über Lehrter Bahnhof.
Diese Denkweise nimmt Anleihen bei der Flughafenplanung. Die Flughafenentwicklungen der Airports Kennedy, Heathrow, Charles de Gaulle, Schiphol - um nur einige zu nennen - verlagerten die Quellen und Senken der Luft-Boden-Verknüpfung weit vor die bewohnten Stadträume, um in Ballungsräumen für die Bedürfnisse der Flughafenerweiterung im expansiven Luftverkehr Geländereserven als Pufferzonen zu schaffen.
Im Prinzip mag dies auch für den Schienenverkehr zutreffen - aber wohl eher für den Teil des Güterverkehrs (Beispiele Hamburg-Maschen, München-Nord), weniger für den Personenverkehr. Der Vorteil des Personen-Sclıienenverkehrs gegenüber seinem Konkurrenten Luftverkehr im Bereich von 250 bis 500 km Entfemung liegt im Zeítgewinn beim Erreichen des Zielpunktes - und der liegt gewöhnlich im Stadtzentrum, oder in nachgeordneten zentralen Bereichen wie auch Oberzentren.
In Berlin kommt hinzu, daß die ins Gespräch gebrachten Standorte, z.B. Westkreuz oder Ostkreuz, sich auf den ersten Blick durch eine vorhandene Infrastruktur mit Knoten des ÖPNV hervorheben. In beiden Knoten kreuzen sich die S-Bahn-Linien des Ringes wie der Ost-West-Achse, im Ostkreuz sogar der Berliner Außenring, von der DDR-Reichsbahn ebenfalls mit S-Bahn-Doppelstockzügen befahren. In Westkreuz locken Verkehrsmagnete: das Messegelände, die Anbindung der Deutschlandhalle und im Nordwesten das Olympiagelände.
Doch Experten weisen darauf hin, daß im Bereich Westkreuz bereits eine hohe Verdichtung von Straßenverknüpfungen (AVUS-Anbindung, Stadtring-Ein- und Ausfädelungen) die lokalen Verkehrswege als Flächenreserven aufgezehrt und bereits zu Mehr-Ebenen-Bauwerken geführt hat, über deren Umweltbelastungen und Stadtbildbeeinträchtigungen nicht weiter referiert werden muß. Es wird ferner in der begründenden Argumentation keine Analyse der wellenfömngen Tagesganglinie des Verkehrsaufkommens vorgenommen. Verhängnisvoll sind nämlich die Überlagerungen von Stoßzeitströmen, die zu Dauerstaus in den Hauptachsen und zu Dauerrückstaus in den Neben- und Pufferzonen führen. Es muß doch wohl bedacht werden, daß Kongreß- und Ausslellungsbesucher Beginn- und Abschlußzeiten frei wählen können und nicht zu Geiseln von Stop and Go degradiert werden wollen.
Hinzu kommt die erschwerende Anforderung, ankommende Fernreisende azentrisch von Westkreuz (analog Ostkreuz) über den Stadtraum zu verteilen. Dies führt zu Verzerrungen der Verkehrsströme und langfristig zu Verlagerungen von Ober- und Unterzentren in Richtung Quelle/Ziel. Der Gedanke dagegen, die Verkehrsströme zu teilen, indem man in West- und in Ostkreuz einen Verteilungsbahnhof für den Fernverkehr einrichtet, führt sofort zu dem Folgeproblem, umsteigende Fahrgäste anteilig als überlagernde Welle im Verkehrsstrom (auch im S-Bahn-Innenring) wechselseitig von der Quelle-West zum Ziel-Ost (und umgekehrt) zu schaffen, von Zeitverlusten und Gepäckbeförderungsproblemen sowie den Kosten ganz abgesehen.
Es ließe sich dagegen fast zwanglos einrichten, West- und Ostkreuz als Haltestellen im überregionalen Fernverkehr einzurichten, mit Sonderzugverkehren zu besonderen Veranstaltungen, wie dies z.B. bei der sehr aufkommensstarken Hannover-Messe mit offenen Bahnsteigen auf dem Messegelände der Fall ist.
Wenn das bei Bewertung der Pro- und Contra-Punkte übrigbleibende Sachargumente auf das Vorhandensein eines ÖPNV-Knotens hinausläuft, dann muß auch die Frage erlaubt sein, ob es solche Verknüpfungspunkte nicht auch in der Nähe des Stadtkernes als dem maßgeblichen Zentrum gibt. Dies soll in dem nachfolgenden Versuch einer Skala der qualifizierenden und quantifizierenden Kriterien umrissen werden.
In der eingangs zitierten Sendung des ZDF zum Thema Potsdamer Platz kam auch der Altmeister der Berliner Bauhistoriker, Prof. Julius Posener, zu Wort. Er wies in kargen Worten daraufhin, daß sehr viel Bausubstanz trotz der verheerenden Flächenangriffe während des 2. Weltkrieges in der Innenstadt noch vorhanden war - im Hinblick auf die Identität der bauhistorischen Entwicklung wie der darauf ruhenden Perspektiven von Straßenzügen, Platzensembles und Achssymmetrien von unerläßlicher wie unermeßlicher Bedeutung. Doch diese Klage blieb in der nicht gerade unterbesetzten Runde ohne Widerhall - hier manifestierte sich die Geisteshaltung der Stunde Null, die bereits den Vergangenheitsbewältigungsdrang der Wiederaufbaugeneration abgeschüttelt hat. Und auch zu jener Zeit der 50er und 60er Jahre war - beiderseits der Mauer - der Erhaltungswille zur Bewahrung eines republikanisch gesinnten bauästhetischen Ansatzes in Architektur und Stadtgestaltung nicht gerade ausgeprägt.
Auch ein Verkehrsplaner kann sich nicht der Frage nach jenem Teil seines Bewußtseinsinhaltes entziehen, in dem die Determinanten einer identitätsbewahrenden Formentradition um historische Fassadenfronten und Fluchtlinien um Traufhöhen und Geschoßzahlen des neuzugestaltenden Stadtensembles abgelegt sind. In der eingangs zitierten ZDF-Runde wirkte der Stadthistoriker Dieter Hoffmann-Axthelm zunächst wie ein einsamer Rufer in der Berliner Stadtwüste, als er seine Meinung zu den geplanten weltweiten Ausschreibungen nur anstehenden Stadtplanung kundtat: es ist nämlich zu befürchten, daß der Schaden größer sein werde als der erhoffte Nutzen, denn “in den historischen Grundrissen der Straßen und Quartiere sei doch alles vorgegeben; die Parzellierungen seien, so man bereit sei, Eigentum und Ursprungsverfügung zu achten, in den Grundbüchern vermerkt, und es blieben als Planungs- und Gestaltungsgegenstand lediglich noch die Traufhöhen der Straßenzüge und die Fluchtpunkte der Achsengeomtrie als eine ästhetische Kategorie". An diesem Punkt sei doch wohl eher der Bauhistoriker mit dem Bild vertrauter Umrisse des Stadtbildes vor seinem inneren Auge in beratender Funktion gefragt als ein Avantgardist des Stilumbruches.
Ein Verkehrsplaner ist in dieser Hinsicht mehrfach gebunden, denn er hat ja ein bestehendes Erbe in Gestalt von vorhandenen Trassen, von verkehrlich vorgeprägten Stadtquartieren und von Verknüpfungspunkten bestehender Teilsysteme des öffentlichen Nahverkehrs in seine Konzepte einbeziehen, von den dahinterstehenden Milliardenwerten eines über Kriegszeiten hinweggeretteten Volksvermögens vorerst abgesehen, welches zudem in den nachfolgenden Jahrzehnten des Wiederaufbaus und Ausbaus um weitere Sachmittel-Milliarden vermehrt worden ist.
Diese Werte - gut und schön! Doch in der Betrachtung der Stunde Null gewinnt die Zukunft überhand: Ein neuer Ton macht andere Musik: Was sind diese Werte gegen die von Daimler-Benz angebotenen 600 Millionen - und die einer solchen Initialzündung zwangläufig nachfolgenden Investitions-Milliarden anderer Investoren? Die “seien schließlich für Berlin kein Fliegendreck” - so ließ sich im Gegenlicht der baupolitischen Argumentation Senator Wolfgang Nagel in derselben ZDF-Sendung vernehmen, Kant´s kategorischer Imperativ -. nur volkstümlich gewendet. Edzard Reuter, Senatspartner im Milliardenspiel und ein philosophisch beschlagener Topmanager, versucht nach eigenen Verlautbarungen, dieser inneren Stimme als Maxime seines Handelns glaubhaft zu folgen: der Zeitgeist behält die Postmoderne fest im Griff.
Doch im Widerstreit der Meinungen übt hier und heute Berlin entweder “Den aufrechten Gang", oder es gibt so bald wieder keine Chance, einer aus dem Dornröschenschlaf erwachenden Metropole das Lächeln des Wiederbesinnens auf eine große republikanische Epoche zu entlocken. Und das bedeutet nichts anderes als Spiegelung individueller Freiheit vor dem Hintergrund sozialer Einbindung in zukunftweisender offener Architektonik, die allgegenwärtig Zugänglichkeit atmet.
Der Zweck dieses Exkurses zielt auf die Erkenntnis, daß alle diese Überlegungen nur zu tragfähigen Teilkonzepten verdichtet werden können, wenn es gelingt, die Verkehrsinfrastruktur als ein nicht übergeordnetes, gleichwohl integratives Gestaltungselement im Sinne einer behutsamen Stadterneuerung einzusetzen. ln dieser Blickweise sind die in Abb. 11 zusammengestellten, städtebaulich gewichteten Kriterien für die Eignung der Tunnelvarianten entworfen worden.
Eine Reihenfolgefestlegung nach vorteilhaften und weniger vorteilhaften Eigenschaften wird erschwert durch die sich herauskristallisierenden Gemeinsamkeiten und Trends in den Grundzügen der Trassenührung. Hervorzuheben ist die allen Varianten gemeinsame Unterfahrung des Standortes Lehrter Personenbahnhof. Von den peripheren Trassenführungen im West- und Ostkreuz wird abgesehen. Ein weiteres gemeinsames Merkmal ist die von Spree und Landwehrkanal erzwungene Trassenabsenkung im Kernbereich auf Ebene -2, also Tieflage in Tunnelbauweise. Bei gemeinsamer Durchfahrung des Lehrter Bahnhofes tritt die tangentiale Anschmiegung an den Zentralen Bereich und die darausfolgende Nähe zum Stadtkern schon fast in den Hintergrund.
Ein anderer Gesichtspunkt ist die Zeitdauer der Durchquerung des Stadtgebietes von seiner Grenze bis zum ersten im Zentralen Bereich gelegenen Haltepunkt, und zwar in Abhängigkeit von der Trassenführung aus unterschiedlichen Verkehrsrichtungen (“Relationen"). Hier ergeben sich Abstufungen, die tabellarisch zugeordnet werden können. Ähnliches gilt für die Verknüpfungen mit den Subsystemen des öffentlichen Nahverkehrs.
Läßt sich auf Dauer die kurvenreiche und für einen Hochgeschwindigkeitsverkehr deshalb weniger geeignete Stadtbahntrasse irı geeigneter Weise umfahren, ohne den Zentralen Bereich vom hochwertigen Schienenfernverkehr in der Zugfolgedichte und einem umsteigefreien Direktfahrplan zu allen deutschen und europäischen Hauptstädten abzuschnüren? Als Fernplanziel mit Optionscharakter wird dies in Variante 4 gegen einen Investítionsaufpreis angeboten.
Der Aufsatz wind fortgesetzt und abgeschlossen mit einer Abwägung der Realisierungsbedingungen, mit Kostenabschätzungen, einem Entwurf zur Erfassung baulicher anforderungen, den offenen Fragen einer Mitwirkung Ost-Berlins sowie Kriterien für eine Machbarkeitsstudie.
Norbert Krichler
aus SIGNAL 6/1990 (August 1990), Seite 11-23