Nahverkehr
Berlin besitzt mit 176 km Streckenlänge und 30 Linien das größte Straßenbahnnetz Deutschlands, doch zugleich ist die Berliner Tram eine der langsamsten. Das soll sich nun ändern! Im Auftrag der BVG entstand eine Studie, die die Handlungsgrundlage für eine schnelle und attraktive Straßenbahn in der Bundeshauptstadt bietet. Momentan beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit der Straßenbahn 17,4 km/h, in ein paar Jahren könnten es deutlich über 20 km/h sein. Nachdem wir in SIGNAL 2/96 ein überwiegend pessimistisches Bild des derzeitigen Zustands zeichnen mußten, gibt dgs Beschleunigungskonzept Anlaß zu Hoffnung.
1. Sep 1996
Stellen Sie sieh einmal vor, sie wohnen in Berlin-Hohenschönhausen in der Nähe der Gleisschleife Falkenberg und arbeiten in Berlin-Mitte, nahe dem S-Bahnhof Hackescher Markt. Bislang dauert die Fahrt mit der Linie 4 von Falkenberg bis zu ihrem Arbeitsplatz 37 Minuten, künftig aber legt die Bahn die 11,l km in weniger als einer halben Stunde zurück. Auf einen Tag bezogen beträgt dann ihr Zeitgewinn eine reichliche Viertelstunde! Dafür müssen keine teuren Tunnel gegraben, Haltestellen stillgelegt oder schnelleren Züge eingesetzt werden. Das Geheimnis: Die Bahn erhält an fast allen Ampeln sofort freie Fahrt, weiter nichts. Zugegeben - gerade in Berlin klingt das alles noch wie Zukunftsmusik. Doch glaubt man der BVG. liegt diese Zukunft nicht mehr in allzu weiter Ferne.
In den vergangenen Jahren haben sich Politiker aller Parteien immer wieder fast einstimmig zum öffentlichen Nahverkehr bekannt. So wurde schon 1991 vom Senat beschlossen, daß in der Innenstadt das Verhältnis von öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) zu motorisiertem Individualverkehr (MIV) bei 80:20 liegen soll. Ebenfalls zu Beginn der Legislaturperiode 1991 - 1995 faßte der CDU/SPD-Senat einen Beschluß zur Beschleunigung des ÖPNV.
Anfang 1994 erfuhr der überraschte Fahrgast vom damaligen Verkehrssenator, daß es bei der Straßenbahn schon etliche Vorrangschaltungen gibt. Bei seiner Aufstellung ging Herr Haase von 15 vorranggesteuerten Anlagen aus (siehe SIGNAL 4/94 ). Allerdings enthielt die Liste gravierende Irrtümer, viele der damals als Vorrangschaltung deklarierten Lichtsignalanlagen (LSA) verfügten nicht einmal über Anforderungseinrichtungen Für die Straßenbahn. Ausgerechnet die Ampeln, die der Straßenbahn tatsächlich Vorrang gewährten, hatte der Verkehrssenator vergessen.
Da sich die Ampelexperten der Verkehrsverwaltung bisher hauptsächlich um grüne Wellen für den Autoverkehr und kaum um die Beschleunigung der Straßenbahn kümmern, ist die BVG jetzt in die Offensive getreten. Anfang dieses Jahres erregte sie mit ihrem "gesamtnetzbezogenen Beschleunigungskonzept Für den Straßenbahnverkehr" Aufsehen, da hier erstmalig detailliert die Reisezeitanteile der einzelnen Linien aufgeschlüsselt wurden, -verbunden mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung für die absolute Bevorrechtigung.
Aufgrund der überragenden Wirtschaftlichkeitsergebnisse hat die BVG daraufhin dem Senat das Angebot einer Vorfinanzierung der LSA-Vorrangschaltungen unterbreitet (s.u.) - wohlwissend, daß der eigentlich zuständige Senat, der ja für die Grunderneuerung und den Ausbau der Straßenbahnstrecken erhebliche Bundesgelder nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zur Verfügung hat, noch auf Jahre in Untätigkeit verharren würde. Ein mutiger Schritt, der zu Zeiten des Eigenbetriebes BVG undenkbar gewesen wäre.
Auch bewies die BVG recht drastisch, wie wenig bisher für die Straßenbahn getan worden war. So zeigt die Studie, daß bisher (Stand 1/96) nur 3 (in Worten: drei) Ampeln mit absolutem Vorrang für die Straßenbahn existieren. Ferner gibt es 30 Anlagen, die die Straßenbahn durch zusätzliche Freigabezeiten bzw. Grünzeitmodifikation (Phasendehnung) bedingt bevorrechtigen.
Insgesamt verliert die Straßenbahn in Berlin durchschnittlich 27% ihrer Fahrzeit durch Behinderungen. Allein 20% beträgt die reine "Wartezeit auf Freigabe" vor Signalanlagen, 5% die Verlustzeit durch Behinderung auf der Strecke, und 2% sind sonstige Zeitverluste. Weil die als zweites genannten 5% Verlustzeit auf freier Strecke z.T. ebenfalls indirekt durch Lichtsignalanlagen mitverursacht werden (z.B. Rückstaus durch Überlastung der LSA), kann man von knapp einem Viertel ampelbedingter Verlustzeit ausgehen! Zielsetzung ist die Reduzierung der reinen Verlustzeit durch Ampelstopps auf 6%, insgesamt soll die Straßenbahn nur noch 8% ihrer Fahrzeit unterwegs vertrödeln. Damit wäre Berlins Straßenbahnnetz übrigens fast auf "Züricher Niveau". Dort beträgt die Gesamtbehinderungszeit der Linie 4 beispielsweise 7%, wobei der Anteil der Ampelstopps 4% beträgt.
Mit der Erstellung des Beschleunigungskonzepts hatte die BVG nicht ohne Grund eine Ingenieurgesellschaft beauftragt, die sich durch ihre erfolgreichen Straßenbahn-Beschleunigungskonzepte für Stuttgart, Köln, Braunschweig und viele andere Städte bundesweit einen Ruf erworben hat. Herr Dr. Predl, der Leiter des Unternehmensbereichs Straßenbahn, spricht von einer "strategischen Studie" und ist sehr optimistisch, was die Umsetzung dieses Konzepts anbelangt. Das bedeutet insofern einen großen Fortschritt, da der Straßenbahnchef auf den Schienenverkehrswochen im Mai 1995 noch mit weniger erfreulichen Auskünften aufwarten mußte. Er hatte resigniert verkündet, daß es in Berlin eine volle Beschleunigung, vergleichbar mit anderen Städten, auf absehbare Zeit nicht geben werde.
Spätestens in 10 Jahren (eventuell schon in 6 Jahren) soll das Gesamtkonzept realisiert sein. Die Verkehrsbetriebe gehen von einer einmaligen Ersparnis in Höhe von ca. 143 Mio DM aus. Dieser Betrag ergibt sich hauptsächlich aus geringeren Anschaffungskosten für (weniger) neue Straßenbahnzüge. Schließlich würden die Züge "mehr rollen und weniger stehen". Hinzu kämen jährliche Einsparungen von ca. 8,1 Mio DM. Neben den betriebswirtschaftlichen Vorteilen rechnet die BVG ebenfalls mit einem Attraktivitätsschub und höheren Fahrgastzahlen. Schon heute ist die Straßenbahn - Prognosen der BVG zufolge - gegenüber Bus und U-Bahn das Massenverkehrsmittel mit der steilsten Entwicklungskurve.
Bisher war das Verhältnis zur Straßenbahn eher zwiegespalten und problematisch. Bei öffentlichen Veranstaltungen hatten sich die Repräsentanten der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe (neuerdings Bauen, Wohnen und Verkehr) meist mit Ausbauplänen für die Straßenbahn geschmückt und die wichtige Rolle dieses umweltfreundlichen Verkehrsmittels betont. Doch passiert ist leider wenig. Im Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsverfahren für die U5 zwischen Berliner Rathaus und Pariser Platz wurde die Straßenbahn beispielsweise noch 1995 als "negativ zu bewertender Faktor mit deutlichem Abwertungseffekt"(!) bezeichnet. Als Alternative für eine U-Bahn in der Innenstadt kam die Tram nicht in Frage "...da eine oberirdische Neuanlage wegen der damit verbundenen Eingriffe in die vorhandene Stadtstruktur ausscheidet."
Immerhin wurde den Berliner Fahrgästen als Wahlgeschenk im Oktober vorigen Jahres die Streckenverlängerung zum Louise-Schroeder-Platz präsentiert, eine Route, die sich inzwischen lebhafter Nachfrage erfreut. 4,2 Mio DM hatte der Umbau bzw. Neubau der Lichtsignalanlagen entlang der Neubaustrecke damals gekostet, ein Aufwand, der mit 14% Ampelwartezeit für die Straßenbahn allerdings ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis zeigt.
Doch inzwischen soll alles anders geworden sein. Herr Predl betont die gute Zusammenarbeit mit der Senatsverkehrsverwaltung und weist darauf hin, daß sich nach den letzten Wahlen einiges verändert habe. Tatsächlich muß es für den Senat angesichts leerer Kassen verlockend sein, das Angebot zur Vorfinanzierung der Vorrangschaltung durch die BVG anzunehmen, zumal durch dieses Projekt im zuständigen Referat der Senatsverkehrsverwaltung Stellen gesichert bzw. sogar geschaffen werden können. Dabei handelt es sich insgesamt nur um den "kleinen" Betrag von ca. 53 Mio DM. Das ist im Vergleich z.B. zu den 125 Mio DM für die 350 m U8-Süd-Verlängerung tatsächlich "ein Klacks". Die BVG hofft, ihre Investition durch Förderungsprogramme schnell wiederzubekommen.
Neuerdings bemerken aufmerksame Fahrgäste an manchen Streckenpunkten Veränderungen, die sie ungläubig stutzen lassen. In der Langhansstraße vor der Gustav-Adolf-Straße (Linien 13, 23, 24) wurde in den letzten Wochen eine LSA mit An- und Abmeldekontakten für die Straßenbahn nachgerüstet! Das für Berlin Erstaunlichste dabei ist aber, daß die damit ermöglichte Bevorrechtigung perfekt funktioniert! Auch auf der Petersburger Straße wurde in Höhe Kochhannstraße (Linie 20) eine Bauampel nachträglich (!) mit Anforderungskontakten versehen - immerhin führt diese Einrichtung zu einer Phasendehnung und verringert die unerträglichen Wartezeiten an den teilweise dicht aufeinanderfolgenden Bauampeln, in der Oranienburger Straße wurde die Einfahrmöglichkeit in die Doppelampel am S-Bf Oranienburger Straße durch eine Verlängerung der Phase für die Straßenbahn erleichtert. Das ist zwar nicht optimal - aber besser als gar nichts.
Befragt, ob diese Einrichtungen schon etwas mit der von der BVG initiierten Gesamtbeschleunigung zu tun hätten, verneinte Straßenbahnchef Predl. Er wertete das aber als erste Anzeichen der guten Zusammenarbeit mit der Senatsverkehrsverwaltung. Schön wäre es, doch es gibt leider noch allzuviele Negativbeispiele (siehe unten).
Berlin wurde noch 1995 auf einer Diskussionsveranstaltung in der Urania vom damaligen Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) als untermodisiert charakterisiert. Auf den Schienenvekehrswochen im Mai 1996 meinte der neue verkehrspolitische Sprecher der CDU, Herr Kazcmarek, daß er sich unsere Hauptstadt ohne Stau gar nicht vorstellen könne, in diesem Lichte muß man, ohne gleich als Autofeind abgestempelt zu werden, folgende Gedanken in die Diskussion einbringen:
Am drastischsten zeigt sich die Situation sicherlich beim Omnibus, der sich in Spitzenzeiten teilweise im Schrittempo durch die Straßen quält. Doch auch die Straßenbahn profitiert nicht unbedingt von neuen Lichtsignalanlagen, besonders, wenn diese einseitig der grünen Welle des motorisierten Individualverkehrs angepaßt werden (vgl. SIGNAL 2/96 ). Waren es Anfang 1994 noch 145 LSA, die Straßenbahntrassen berühren, ist ihre Zahl inzwischen auf fast 200 gestiegen - zumeist ohne Tram-Vorrangschaltung. Etliche befinden sich kurz vor ihrer Fertigstellung. Das verursacht hohe Betriebskosten, denn Straßenbahnen, die nicht vorankommen, bringen wenig Nutzen und kosten viel Geld. Und dafür bezahlt der Fahrgast, auch wenn er gar kein Auto besitzt. Schließlich schlagen sich erhöhte Betriebskosten nicht zuletzt in steigenden Fahrpreisen nieder!
Schauen wir uns - zur Untersetzung der unter Punkt 8 aufgestellten zwei Thesen - als prominentes Beispiel die Prenzlauer Allee an. Zwischen Mollstraße/Prenzlauer Allee und Prenzlauer Allee/Ostseestraße besitzt die Linie 1 - abgesehen von der Brücke am S-Bf Prenzlauer Allee - durchweg einen eigenen Gleiskörper. 1989 existierten zwischen diesen Punkten nur drei Lichtsignalanlagen, eine an der Grellstraße, eine direkt am S-Bf Prenzlauer Allee und eine an der Kreuzung Prenzlauer Allee/Dimitroffstraße (heute Danziger Straße). In den zurückliegenden Jahren wurden vom Straßenverkehr getrennte Haltestelleninseln errichtet, sieben Ampeln wurden neu gebaut und eine ersetzt (Prenzlauer Allee/Dimitroffstraße). Bis auf eine Anlage (eine reine Fußgängerampel) ist von konsequentem Vorrang kaum etwas zu merken! Gerade hier hätten die Ampelexperten eine zusammenhängende grüne Welle für die Straßenbahn austüfteln können.
Im Gegenteil, auch die zwei neuesten Ampeln - obwohl mit Induktionskontakten versehen - berücksichtigen hauptsächlich den Autoverkehr. An der Metzer Straße "übt" die Straßenbahn regelmäßig "das Anfahren am Berg" (s. Foto in SIGNAL 2/96 ). An der Ecke Erich-Weinert-Straße ging vor wenigen Wochen eine neue Anlage in Betrieb. Hier erhält die Bahn auf Anforderung erst nach der Grünphase der Autos ein kurzes "Durchschlupfloch". Aber die Absicht wird klar, wenn man einen Blick auf diese Kreuzung wirft - die linksabbiegenden Kfz können sich ungestört im Gleisbereich aufstellen und blockieren nicht die Autokolonne. Weil vielleicht 3 Fahrzeuge mit 5 Insassen auf den Gleisen warten, werden 100 Fahrgäste in einem Straßenbahndoppelzug zurückgehalten! Auch wenn die Linie 1 bei der Beschleunigung nicht oberste Priorität genießt (siehe Punkt 10), zu verstehen ist diese Vorgehensweise nicht. Gerade für die Linie 1 wäre eine konsequente Beschleunigung dringend notwendig, erreicht sie doch zwischen Heinersdorf und Am Kupfergraben lediglich ein Durchschnittstempo von 14 km/h - und das auch nur, wenn kein Stau in der Prenzlauer Promenade herrscht. Vielleicht warten die Ampelplaner erst auf den Geldsegen der Vorfinanzierung, damit die Programmierung nachträglich geändert werden kann?
Es gibt einen Vertrag zwischen der BVG und der Senatsverkehrsverwaltung, der zuerst die Vorfinanzierung der Trassen Landsberger Allee (Linie 6 und andere) und Greifswalder Straße - Berliner-Allee - Hohenschönhausen (u.a. Linien 3,4) beinhaltet. Ferner soll der 2. Bauabschnitt der Linie 23 (Louise-Schroeder-Platz bis Virchow-Klinikum) unter der Obhut der BVG mit absoluter Vorrangschaltung versehen werden. Dabei wird sich zeigen, ob sich die ehrgeizigen Pläne der BVG verwirklichen lassen. Bei der Landsberger Allee beispielsweise handelt es sich um die Modernisierung von 35 LSA für 20 Mio DM. Als maximaler Zeitgewinn wurden 10 Minuten errechnet, in der Praxis könnte es auch etwas weniger werden.
Die BVG hat sich ausbedungen, die auftragnehmenden Ingenieurbüros selbst mit der Programmierung zu betrauen und über die Einhaltung der Programmierung zu wachen. Wie wichtig dieser Punkt ist, erkennt man daran, daß die Senatsverkehrsverwaltung auch vor der Einschränkung schon vorhandener Vorrangschaltungen nicht zurückschreckt, wenn es darum geht, den Autoverkehrzu bevorzugen. So geschehen vor wenigen Monaten an der Danziger Straße/Ecke Kniprodestraße (Linie 20), natürlich zugunsten des Querverkehrs.
Daß mit der Straßenbahnbeschleunigung in Berlin endlich Ernst gemacht werden soll, ist sehr erfreulich. Fakt bleibt aber, daß Berlin in diesem Punkt vielen, auch ostdeutschen, Städten weit hinterherhinkt. Und besonders beschämend ist dabei die Tatsache, daß eine Übereinkunft zwischen Senat und BVG erst durch die Offensive der BVG und ihre unkonventionelle Bereitschaft zur Vorfinanzierung erreicht werden konnte - wobei der flankierende Druck und das Engagement nahverkehrsfreundlicher Organisationen und Verbände nicht zu vergessen ist. Dabei wäre es von Anfang an die Pflicht des Berliner Senats gewesen, zuallererst für einen schnellen und attraktiven Nahverkehr zu sorgen, und dann - durchaus im Einklang mit ersterem Punkt - grüne Wellen für die Fahrzeugkolonnen zu programmieren. Aber leider darf man Politikerworten nicht allzu viel Glauben schenken. Insofern sind gesunde Skepsis und Mißtrauen angebracht. Lassen wir uns überraschen!
Da die Recherchen zum vorstehenden Beitrag schon vor einigen Monaten erfolgten, ist ein aktueller Nachtrag geboten. Es scheint inzwischen, daß der Grundton unseres Artikels zu optimistisch ist, denn bei der Straßenbahnbeschleunigung ist in den vergangenen Monaten leider wenig passiert. Laut Aussage der BVG sollten schon in diesem Sommer die ersten Ampeln auf der Greifswalder Straße auf Vorrang für die Tram umgerüstet sein, doch inzwischen haben wir Herbst, und das Gegenteil geschah!
So hält z.B. die LSA Greifswalder/Danziger Straße (vgl. auch SIGNAL 2/96 ) die Bahnen nun noch länger zurück, da diese Anlage von Feststeuerung auf Anforderung umgeschaltet wurde. Wenn die Straßenbahn nicht "rechtzeitig" ihren Fahrtwunsch über den Weichenkontakt anmeldet, wird sie erst eine Grünphase später über die Kreuzung gelassen.
Zusätzliches Warten der Straßenbahn, weil der Anmeldevorlauf zu lang eingestellt wurde, ist übrigens ein Problem, das in Berlin bei den meisten der nur auf Anforderung geschalteten Ampeln zu beobachten ist. Außerdem kommt es relativ häufig vor. daß die Anforderung versagt. Da auf manuelle Anforderungstaster (wie bei vergleichbaren Altbauanlagen) meist verzichtet wurde, müssen sich die Straßenbahnfahrerinnen und -fahrer dann "etwas einfallen lassen".
Inzwischen liegt die Antwort des Senators für Bauen, Wohnen und Verkehr auf eine Kleine Anfrage zu Sofortanforderungen für die Straßenbahn vor. Darin gibt Herr Klemann offen zu, daß der Begriff Sofortanforderung nicht anwendbar ist, da erst die kreuzenden Fußgänger, Rad- und Kraftfahrzeugströme geräumt haben müssen, bevor die Straßenbahn ihre Freigabe bekommt. Die Nennung der Kraftfahrzeugströme an letzter Stelle muß allerdings als scheinheilig bezeichnet werden, ebenso die Äußerung, daß "möglichst keine Wartezeit für die Straßenbahn entsteht". Zutreffend ist jedoch die Feststellung des Senators, daß an neu errichteten Ampeln (lediglich) eine "Beeinflussung durch die Straßenbahn" stattfindet.
Als Fazit bleibt festzuhalten, daß sich im vorstehenden Abschnitt "Fazit" der Hinweis "Insofern sind gesunde Skepsis und Mißtrauen angebracht" schneller bewahrheitet hat, als von uns erwartet bzw. befürchtet. Solange es einen Verkehrsstaat Sekretär Ingo Schmitt gibt, wird sich an der straßenbahnfeindlichen Politik des Berliner Senats wohl auch wenig ändern.
IGEB
aus SIGNAL 7/1996 (Oktober 1996), Seite 15-18