Stadtverkehr

Verkehrssenatorin plant U-Bahn-Bau zur falschen Zeit am falschen Ort

Deshalb „bittet der Senat Senatorin Günther, die Verlängerung der U 8 ins Märkische Viertel, eine Verlängerung der U 9 oder der U 2 in den am stärksten wachsenden Bezirk Pankow, eine Verlängerung der U 1 bis zum Adenauerplatz und eine Verlängerung der U 7 zur Erschließung der Wohngebiete südlich des U-Bahnhofs Rudow bis zur Stadtgrenze oder zum S-Bahnhof Berlin-Schönefeld zu prüfen“, zitierten wir aus dem Protokoll der Senatssitzung vom 11. Juli 2017 (SIGNAL 4/2017).


Berliner Fahrgastverband IGEB

14. Mai 2018

Nach einem Bericht der Berliner Morgenpost vom 5. Mai 2018 liegt dieses Prüfergebnis nun vor – mit überraschenden Ergebnissen. Verkehrssenatorin Regine Günther will laut Morgenpost Machbarkeitsstudien für „die Verlängerungen der Linien U 8 zum Märkischen Viertel, der U 6 zum neuen Wohn- und Gewerbegebiet auf dem Areal des heutigen Flughafens Tegel und der U 7 zur Landesgrenze oder nach Schönefeld“ durch die BVG erarbeiten lassen.

Was alles grundsätzlich gegen U-Bahn- Planungen zum jetzigen Zeitpunkt spricht, hatten wir bereits in SIGNAL 3/2017 dargelegt. Doch wenn die Verkehrssenatorin schon abweichend von der Koalitionsvereinbarung die knappen personellen und finanziellen Kapazitäten für U-Bahn-Untersuchungen einsetzt, ist es umso befremdlicher, welche Projekte sie nun favorisiert.

Es sind drei Vorhaben in den Außenbezirken, wo die Vorteile der U-Bahn gegenüber der Straßenbahn (höhere Leistungsfähigkeit, auch in dicht bebauten Quartieren mit engen Straßen Fahren ohne Behinderungen) nicht zum Tragen kommen können und wo auch (fast) keine Netzverknüpfungen erreicht werden.

Eine verlängerte U 8 würde selbst mit den geplanten zwei Stationen Märkisches Zentrum und Senftenberger Ring weniger als die Hälfte des Märkischen Viertels erschließen. Wer der Mehrzahl der Bewohner dieser Großsiedlung einen Schienenanschluss in fußläufiger Entfernung bieten will, muss die Straßenbahn von Rosenthal zum S-Bahnhof Wittenau (und künftig weiter nach Jungfernheide) verlängern.

Auch der Bau eines Abzweigs von der U 6 ab Kurt-Schumacher-Platz in das künftige Quartier auf dem heutigen Flugplatz Tegel würde im Gegensatz zur Straßenbahn keine Feinerschließung des weitläufigen Geländes ermöglichen und die Straßenbahnplanungen mindestens gefährden wenn nicht zu Fall bringen – wie beim Märkischen Viertel.

Doch vielleicht ist genau das gewollt: Keine Straßenbahn! Reinickendorfs Straßen bleiben dem Autoverkehr vorbehalten!

Unstrittig ist, dass es der Vermarktung des neuen Stadtteils diesen würde, wenn die U-Bahn-Züge unter der Friedrichstraße als Endbahnhof „Urban Tech Rebublic (Flughafen Tegel)“ – so der Arbeitstitel des geplanten U-Bahnhofs – schildern würden.

Doch ein weiterer Nachteil dieses Projektes wäre, dass mit dem U 6-Abzweig eine Verschlechterung des Zugangebotes auf dem vorhandenen U 6-Abschnitt zwischen Kurt-Schumacher-Platz und Alt-Tegel unvermeidlich wäre.

Viele Nachteile würde auch eine Verlängerung der U 7 über Rudow hinaus haben. Zum einen ist Rudow Süd zu dünn besiedelt, um eine U-Bahn-Verlängerung zu rechtfertigen. Die eine Station „Rudow Süd“ kann das Gebiet nicht annähernd so gut erschließen, wie es eine Straßenbahn könnte.

Bei einer Verlängerung vom heutigen Endbahnhof Rudow bis zur Stadtgrenze (blau markiert) würde die U 7 ohne Halt durch Einfamilienhausgebiete fahren, bevor die neue Station Rudow Süd eine einzelne Mehrfamilienhaussiedlung erschließt. Um den Bahnhof Schönefeld oder gar den Flughafen BER zu erreichen, müsste Brandenburg eine halbe Milliarde für den U-Bahn-Bau und jährlich viele Millionen Euro für den Betrieb bezahlen. Das wird nicht passieren. Karte: Flächennutzungsplan Berlin 2015 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

Würde man die U 7 um einen weiteren Abschnitt bis zum Bahnhof Schönefeld verlängern, wäre hiermit im Gegensatz zu den U6- und U8-Verlängerungen immerhin eine Netzwirkung erzielt. Aber diese Strecke ist lang und damit sehr teuer, zumal es am Bahnhof Schönefeld keine Vorleistungen für die U-Bahn gibt. Auch ist nicht erkennbar, dass das Land Brandenburg bzw. die Gemeinde Schönefeld bereit und in der Lage wären, den Bau und die zu bestellenden Verkehrsleistungen der U-Bahn auf brandenburgischem Gebiet zu finanzieren.

Und wem würde diese Verlängerung in das Umland nutzen? Am heutigen Bahnhof Flughafen Berlin-Schönefeld sollen künftig keine Regionalzüge mehr halten. Selbst wenn diese Fehlplanung hoffentlich korrigiert wird, werden dennoch alle wichtigen Regionalzüge nur zum neuen BER-Tunnelbahnhof fahren. Von den S-Bahn-Fahrgästen des Flughafens würden sicher nur wenige in Schönefeld auf die U 7 umsteigen.

Ein weiterer Nachteil: Die mit fast 32 km längste Berliner U-Bahn-Linie würde nochmals verlängert, so dass ein stabiler Fahrplan noch schwerer zu fahren wäre.

Nun mag man sich damit trösten, dass die Nachteile der drei Projekte so offensichtlich sind, dass es nicht zu einem Bau kommen wird. Aber allein die Machbarkeitsstudien binden Kapazitäten, die für den Straßenbahnausbau dringend gebraucht werden.

Bei der Straßenbahnplanung sind zwar einige Projekte gut vorangekommen (siehe u. a. SIGNAL 1/2018), aber andere sind entgegen den Ankündigungen im Verzug. Die Pläne zur Verlängerung von Adlershof nach Schöneweide sollten eigentlich bereits Anfang 2018 öffentlich ausgelegt werden, liegen aber jetzt Anfang Mai noch immer nicht vor. Und die Straßenbahn-Anbindung des Bahnhofs Mahlsdorf, eigentlich auch für 2020/21 vorgesehen, wird sich um Jahre verzögern.

Hier sollte der Senat erst einmal seine Hausaufgaben erledigen, bevor er sich U-Bahn-Planungen zuwendet.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 2/2018 (Mai/Juni 2018), Seite 7