Wichtiges Etappenziel erreicht:
Der Deutsche Bundestag hat am 2. Dezember 2016 das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) beschlossen, das am 30. Dezember 2016 in Kraft trat.
24. Apr 2019
Der Anhang dieses Gesetzes enthält dabei den Bedarfsplan zum Ausbau der Schienenwege des Bundes. Ein gravierender Mangel dieses Bedarfsplans, wie auch schon des Bundesverkehrswegeplans 2030: Für insgesamt 44 Schienenprojekte wurde eine Bewertung nicht rechtzeitig durchgeführt. Hierfür wurde die Kategorie „Potenzieller Bedarf“ eingeführt. Eine Bewertung bzw. Einstufung sollte erst in einer zweiten Phase nach Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans 2030 erfolgen (siehe auch SIGNAL 3/2016).
Im Potenziellen Bedarf befinden sich dabei keineswegs Projekte zweitrangiger Bedeutung, sondern wichtige Maßnahmen zur Engpassbeseitigung bzw. Kapazitätserhöhung. Der Bedarfsplan enthält jedoch die
ausdrückliche Regelung, dass die Projekte des Potenziellen Bedarfs automatisch in den „Vordringlichen Bedarf“ (VB) aufsteigen, sobald die gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit nachgewiesen ist.
Die dafür erforderliche, längst fällige Nutzen-Kosten-Bewertung ist nun erfolgt. Das Ergebnis ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, überwiegend erfreulich.
Im Folgenden sind diejenigen Projekte aufgelistet, die in der gesamtwirtschaftlichen Bewertung ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) erreichten:
Bestandteil ist hierbei u. a. der Bau der „Walpertskirchner Spange“ für die Verkehre Flughafen München—Salzburg und der zweigleisige Ausbau Tüßling—Freilassing (NKV 1,3).
Das Projekt umfasst u. a. den Ausbau des Bahnhofs Schwaigen, den Neubau eines Kreuzungsbahnhofs Otzing, den Neubau der Verbindungskurve Plattling in der Relation Landshut—Dingolfing—Regensburg und den Neubau der ESTW-Technik zwischen Schwaigen und Plattling (NKV 1,1).
Das Projekt beinhaltet die Blockverdichtung zwischen Regensburg und Landshut sowie die Elektrifizierung der Strecke Landshut—Mühldorf (NKV 1,05).
Das Projekt beinhaltet den Bau eines dritten Gleises zwischen Augsburg und Donauwörth (NKV 1,3).
Der Ausbau der Strecke über Backnang hat sich gesamtwirtschaftlich als vorteilhafter herausgestellt und umfasst den Ausbau für den Betrieb von Neigetechnikzügen bei einer Streckengeschwindigkeit von 160 km/h; der zusätzliche Ausbau der Strecke über Schwäbisch Gmünd—Aalen ist im Gutachtervorschlag Deutschland-Takt enthalten (NKV 1,02).
Dieses Projekt umfasst die Elektrifizierung sowie punktuelle Geschwindigkeitserhöhungen (NKV 1,2).
Die Maßnahmen (zusätzlich zu den im Vordringlichen Bedarf enthaltenen Maßnahmen) dienen der weiteren Fahrzeitverkürzung; Bestandteil ist auch der Güterzugtunnel Fürth (NKV 1,06).
Diese Strecke ist Bestandteil des Projekts Paris—Ostfrankreich—Südwestdeutschland (POS-Süd). Das Projekt umfasst die Erhöhung der Streckengeschwindigkeit mit einem optimierten Anschluss an die Rheintalbahn (NKV 1,4).
Dieses Projekt umfasst eine Neubaustrecke im Abschnitt Heidenau—Ústí nad Labem einschließlich dem Erzgebirgs-Basistunnel (NKV 1,3 bezogen auf den deutschen Anteil).
Dieses Projekt bezieht sich ausschließlich auf die Elektrifizierung der Strecke Geithain—Chemnitz. Der Ausbau der Strecke Leipzig—Bad Lausick—Geithain (insbesondere die Elektrifizierung) ist Bestandteil des Gutachtervorschlags Deutschland-Takt (NKV 1,6).
Das Projekt (siehe auch SIGNAL 3/2017) umfasst ausschließlich die Elektrifizierung dieser Strecke, jedoch keinen weiteren zweigleisigen Ausbau (NKV 1,1).
Das Projekt umfasst die Elektrifizierung der Strecke (NKV 1,3).
Dieses Projekt umfasst den zweigleisigen Ausbau Kaldenkirchen—Dülken und Rheydt—Rheydt-Odenkirchen sowie neue Verbindungskurven im Raum Viersen und Venlo; die Planung erfolgt gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien (NKV 2,0).
Geplant ist hier der partiell zweigleisige Ausbau des Streckenabschnitts Werne—Münster-Geist, einschließlich Erhöhung der Streckengeschwindigkeit auf 230 km/h. Es ist damit auch ein Projekt entsprechend dem Gutachtervorschlag für den Deutschland-Takt (NKV 1,0).
In diesem Projekt sind mehrere Ausbaumaßnahmen zusammengefasst: die Erhöhung der zulässigen Streckenhöchstgeschwindigkeit auf 230 km/h in der Relation Lehrte—Wolfsburg(—Berlin), die Kapazitätssteigerung auf den Strecken zwischen Hameln/Lehrte, Braunschweig, Magdeburg und Roßlau und die Elektrifizierung des Abschnitts Hameln—Elze (NKV 1,7).
Für diese Strecke ist eine Erhöhung der Streckenhöchstgeschwindigkeit auf 160 km/h geplant, so dass eine Zielfahrzeit zwischen Berlin Hbf und Stralsund Hbf von 2:38 Stunden, bezogen auf den Regionalexpress-Verkehr, erreicht werden kann (NKV 1,2). Derzeit benötigen die RE-Züge rund 30 Minuten mehr. Die Aufnahme in den Vordringlichen Bedarf ist insofern erfreulich, jedoch auch überfällig, da in den vergangenen Jahren mit dem Ausbau der Autobahnen A11 und dem Neubau der A20 erhebliche Investitionen einseitig zugunsten des Verkehrsträgers Straße getätigt wurden. Vergleichbare Investitionen in die Schieneninfrastruktur unterblieben dagegen mit der Folge unattraktiver Fahrzeiten.
Dieses Projekt ist Bestandteil des Ausbaus des Bahnknotens Hamburg.
Diese Projekte umfassen die Elektrifizierung dieser Strecken (NKV 1,03 bzw. 1,02) und ermöglichen künftig in Zusammenhang mit der „Festen Fehmarnbeltquerung“ gerade dem Schienengüterverkehr eine Umfahrung des überlasteten Knotens Hamburg.
Bei diesem Ausbauprojekt sind erfreulicherweise endlich die Elektrifizierung und der Ausbau der Strecke für eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h berücksichtigt (NKV 1,1). Hierbei sollte allerdings auch der zweigleisige Ausbau zwischen Hechthausen und Himmelpforten berücksichtigt werden. Nicht Bestandteil dieses Projekts sind leider die Elektrifizierung bzw. der Lückenschluss zwischen Cuxhaven und Bremerhaven, was speziell für den Schienengüterverkehr aber vorteilhaft wäre.
Dieses Projekt umfasst die Elektrifizierung zwischen Itzehoe über Wilster und einem neuen Übergabebahnhof für den Güterverkehr in Brunsbüttel (NKV 1,1). Mit diesem Ausbau sollte nun auch die Chance für eine Reaktivierung des Regionalverkehrs genutzt werden.
Das Projekt beinhaltet den bereits lange überfälligen zweigleisigen Ausbau dieses überlasteten Streckenabschnitts, zusätzlich aber auch des Abschnitts Morsum—Tinnum (NKV 1,13). Leider nicht berücksichtigt wurde in diesem Projekt die Elektrifizierung des Abschnitts Wilster—Westerland (Sylt), siehe auch vorgenanntes Projekt. Dies kann allerdings über das angekündigte Elektrifizierungsprogramm des Bundes nachgeholt werden.
Diesem Projekt kommt eine besondere Bedeutung zu, um Transporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern, was speziell für das Erreichen der Klimaschutzziele und für die Erhöhung der Verkehrssicherheit dringend erforderlich ist. Die Berechnungen ergaben hierfür einen vergleichsweise hohen NKV von 4,8.
Dieser Knotenausbau umfasst u. a. einen, allerdings nicht näher beschriebenen, Fernbahntunnel und die komplette nordmainische S-Bahn (NKV 1,2). Die Kosten für das S-Bahn-Projekt sind dabei mit 1,285 Milliarden Euro veranschlagt.
Zur Ertüchtigung dieses Knotens sind u. a. der Bau der künftigen S-Bahn-Linie 4 (Hamburg-Altona—Bad Oldesloe) im Abschnitt Hasselbrook—Ahrensburg, ein zusätzlicher Bahnsteig in Hamburg Hbf (Gleis 9), das Kreuzungsbauwerk Wilhelmsburg, die Verbindungskurve Hamburg-Harburg und das Überwerfungsbauwerk Meckelfeld geplant (NKV 2,9).
Hierzu gehören u. a. Maßnahmen wie die zusätzlichen Gleise 15/16 in Hannover Hbf, das Überwerfungsbauwerk Hannover Bismarckstraße—Hannover-Wülfel und der Ausbau der Strecke Elze—Nordstemmen (NKV 5,5 (!)).
Geplant sind in diesem Knoten eine Ertüchtigung des Engpasses Köln Hbf, der Bau der S-Bahn-Westspange Köln—Köln Süd—Hürth-Kalscheuren, aber auch der Bau von Überwerfungsbauwerken (Troisdorf, Gremberg) zur flexibleren Betriebsführung (NKV 1,7).
Für den Ausbau dieses Knotens sind u. a. der viergleisige Ausbau Heidelberg-Wieblingen—Heidelberg Hbf und der dreigleisige Ausbau Mannheim Hbf—Mannheim Friedrichsfeld Süd geplant (NKV 1,1).
Diese Verbindungskurve ist Teil des Eisenbahnknotens Mannheim. Knoten München Bestandteil dieses Projekts ist u. a. der viergleisige Ausbau zwischen München-Daglfing und München-Johanneskirchen (NKV 2,0)
Die Ausbaustrecke Bremerhaven—Bremervörde—Rotenburg (Wümme)—Verden erfüllt gegenwärtig nicht die Kriterien für die Aufnahme in den Vordringlichen Bedarf, gleiches gilt für den Korridor Mittelrhein, der u. a. die Neubaustrecke Troisdorf—Mainz-Bischofsheim beinhaltet. Auch die Ausbaustrecke Köln—Aachen gehört dazu. Hier ist die Bewertung von dem weiteren Fortgang der Planungen zum Deutschland-Takt abhängig.
Einige weitere Projekte des Potenziellen Bedarfs erfüllen nicht die Kriterien für die Aufnahme in den Vordringlichen Bedarf. Besonders unerfreulich ist, dass davon ausgerechnet auch wichtige Strecken betroffen sind, die dem Zusammenwachsen der EU-Länder dienen und zudem vorhandene Lücken im elektrisch betriebenen Netz schließen. Dies betrifft konkret folgende Projekte:
Der Handlungsbedarf ist dagegen auf deutscher Seite inzwischen akut: Bis Ende 2019 wird z. B. auf polnischer Seite die Elektrifizierung der Strecke Węgliniec (Kohlfurt)—Zgorzelec (Görlitz-Moys) abgeschlossen sein. Zum Bahnhof Görlitz fehlen dann gerade einmal rund 1000 Meter Oberleitung. Selbst für dieses kurze Stück ist die bisherige Planung auf deutscher Seite konzeptionslos bzw. wenig lösungsorientiert mit der Folge weiterer, erheblicher Zeitverzögerungen. Dies geht zu Lasten der Bahnkunden!
Mit derart kurzsichtigen Planungen dürfte es zudem kaum gelingen, den derzeit extrem niedrigen Anteil des umweltverträglichen Verkehrsträgers Schiene im Verkehr Deutschland/Polen nennenswert zu steigern. Die Entwicklungsmöglichkeiten für einen deutsch-polnischen Verflechtungsraum entsprechend dem „Gemeinsamen Zukunftskonzept 2030“ blieben bislang ebenfalls unberücksichtigt.
Erwartet wird nun die Aufnahme obiger Projekte in das von Verkehrsminister Andreas Scheuer angekündigte Elektrifizierungsprogramm, um letztlich das Ziel des Koalitionsvertrages zu erreichen, bis 2025 insgesamt 70 Prozent des deutschen Schienennetzes elektrisch zu betreiben.
Völlig unklar ist indes die Finanzierung der aus dem Potenziellen Bedarf in den Vordringlichen Bedarf hochgestuften Schienenprojekte. Der Investitionsbedarf für diese Projekte summiert sich auf rund 20 Milliarden Euro. Das Budget für die Projekte des Potenziellen Bedarfs wurde dagegen gerade einmal um rund 600 Millionen Euro auf insgesamt 6,35 Milliarden Euro aufgestockt.
Streit ist auch deshalb absehbar, weil teilweise Finanzierungsbeiträge, die sich aus dem Nutzen für den Regional- bzw. S-Bahnverkehr einerseits (d. h. über GVFG-Finanzierung) und für den Fern- bzw. Güterverkehr andererseits (BSWAG-Finanzierung) ergeben, erst noch ermittelt und abgestimmt werden müssen.
Allein für den Knoten Frankfurt am Main sind beispielsweise Gesamtkosten von rund 5,5 Milliarden Euro veranschlagt. Der bei diesem Projekt berücksichtigte neue Ost-West-Fernbahntunnel soll allein rund 3,5 Milliarden Euro kosten.
Die Erfahrungen mit Großprojekten wie „Stuttgart 21“ zeigen aber leider auch die erhebliche Unsicherheit derartiger Kosten-Prognosen. Bereits am 20. September 2001 wurde dagegen vom Bundesland Hessen, der Stadt Frankfurt (Main) und der Deutschen Bahn mitgeteilt, dass das Projekt „Frankfurt 21“ aufgegeben wurde.
So ist alternativ dazu mit „Frankfurt RheinMainPlus“ (FRMplus) ein Infrastrukturprojekt entwickelt worden, mit dem durch verschiedene, aufeinander abgestimmte Ausbaumaßnahmen die notwendige Erhöhung der Leistungsfähigkeit dieses Knotens möglich ist. Untersuchungen haben in diesem Zusammenhang ergeben, dass nicht der Bahnsteigbereich in Frankfurt (Main) Hauptbahnhof der eigentliche Engpass ist; erhebliche Kapazitätssteigerungen können und müssen hier durch bessere Zufahrmöglichkeiten im Vorfeld erreicht werden. Die Konzeption sieht in diesem Zusammenhang u. a. auch vor, die Gleise 1 bis 6 in Frankfurt (Main) Hauptbahnhof künftig im Wesentlichen für langlaufende Fernzüge zu nutzen.
Des Weiteren bestehen durchaus Spielräume zur Finanzierung obiger Projekte. Als Beispiele seien an dieser Stelle genannt:
Der stufenweise Abbau derartiger Subventionen ist überfällig und verschafft als Beitrag zum Klimaschutz finanzielle Spielräume zum Ausbau des Schienenverkehrs.
Für die Umsetzung der einzelnen Projekte ist angesichts begrenzter Planungs- und Baukapazitäten eine Prioritätensetzung erforderlich. Grundlage muss dabei die zügige Umsetzung des Deutschland-Taktes sein, wobei der Zielfahrplan schrittweise, beginnend mit dem Jahr 2020 und den Möglichkeiten der vorhandenen Infrastruktur, umgesetzt werden sollte.
Die weiteren Etappen, die dann u. a. die Fertigstellung der im Bundesschienenwegeausbaugesetz gelisteten Infrastrukturmaßnahmen berücksichtigen, sollten in den Jahren 2025 und 2030 im Wesentlichen realisiert werden.
Deutscher Bahnkunden-Verband und IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 1/2019 (Mai 2019), Seite 24-27