Das Öl wird knapp und die Luft wird heiß, die
Fahrzeugindustrie kann ihre Mitverantwortung
nicht mehr leugnen. Nun zeigt sich, was gute
Lobbyarbeit ist. Es wird plötzlich mit Unterstützung
der Medien die Rettung aus dem Hut
gezaubert: der alternative Treibstoff. Niemand
soll sein Auto abstellen, und alle „untermotorisierten“
Länder sollen ihre verchromten Träume
behalten dürfen. Die sachlich zielführenden
Fragen werden geschickt ausgeblendet.
Der Durchschnittsdeutsche fährt ein Fahrzeug,
das 12-mal so schwer ist wie er selbst und
20-mal so viel Fläche verbraucht. Bei diesem
Befund spielt es keine Rolle, ob die Energie für
das Fahren auf dem Feld wächst oder unter der
Erde lagert – das System des einzelnen Autofahrers
ist die Verschwendung. Indem die Autolobby
aber alle Probleme der individuellen
Motorisierung auf die Treibstofffrage reduziert,
lügt sie.
Warum muss jeder Einzelne in seinem Auto
sitzen und unnötig große Massen in Bewegung
setzen, wenn viele Menschen den gleichen Weg
haben und sich ein Fahrzeug teilen könnten?
Was für die Energieverschwendung gilt, trifft
auch für die Platzverschwendung des Systems
Auto zu. Ein stehender Mensch braucht ¼ Quadratmeter
Fläche, ein gehender sowie ein sitzender
Mensch je ½ Quadratmeter. Ein Fahrradfahrer
etwa 2 m² und mehr, je schneller er fährt.
Ein Auto benötigt rund 10 m² im Stillstand, ab
15 m² aufwärts beim Fahren. Es ist nicht zu übersehen:
Je mehr Menschen in einem Fahrzeug
gemeinsam fahren, umso sinnvoller nutzen sie
das Land. Umso sinnvoller werden aber auch
die Fahrzeuge selbst genutzt, denn ein privates
Auto steht 5- bis 10-mal so lange am Tag auf
dem Parkplatz, wie es fährt! Ein Bus oder eine
Straßenbahn fahren über 20 Stunden am Tag.
Dadurch sparen sie gleich doppelt Platz: den
auf der Straße und den auf dem Parkplatz am
Ziel, denn sie fahren bald wieder zurück, um die
nächsten Menschen zu befördern. Dieser Ansatz
der öffentlichen Verkehrsmittel ist der erste
Baustein zur Lösung der Energiekrise.
Sollen also alle Autos verboten werden? Natürlich
nicht, ein Bauernhof auf dem Land wird
auch in Zukunft keine eigene Buslinie und eine
kleine Waldsiedlung keine Extrastraßenbahn
bekommen. Aber Massenverkehr erfordert
Massenverkehrsmittel und keine Ballung von
persönlichen Blechträumen. Drei Viertel der
Bundesbürger leben in städtischen Ballungsräumen,
also nah an einer Haltestelle des Linienverkehrs.
Zu einer geschlossenen Strategie fehlt aber
noch ein anderer Baustein, der Antrieb. Auch
wenn ein Bus in den meisten Fällen sparsamer
mit den Ressourcen umgeht als eine Schlange
Autos – er arbeitet dennoch auf derselben Basis.
Deshalb stellt sich auch für den Bus die Treibstofffrage.
Es sind derzeit mehrere Strategien
erkennbar, das absehbar teurer werdende Erdöl
als Treibstoff mindestens teilweise zu ersetzen.
Erstens: Die Gewinnung von Sprit aus pflanzlichem
Anbau. Angenommen, die technischen
Fragen lassen sich alle lösen, stellt sich die Frage
nach der moralischen Verwendbarkeit solchen
Öls, solange täglich weiterhin Millionen Menschen
an Unterernährung leiden und oft daran
sterben. Die Hungerdemonstrationen gegen
den teuren Mais in Mexiko sind dann erst der
Anfang eines globalen Krieges der reichen Länder
(mit Deutschland) gegen die Armen um Ackerfläche
und Wasser.
Zweitens: Die Umstellung der Verbrennungsmotoren
auf Wasserstoffbetrieb. Für das Fahrzeug
selbst sieht die Umweltbilanz rosig aus
– aus dem Auspuff kommt reines Wasser. Der
Haken liegt in der Herstellung von Wasserstoff.
Wir haben alle im Chemieunterricht gelernt,
dass die natürlichen Verbindungen die energetisch
günstigsten Zustände der beteiligten
Elemente sind, also das in unserem Beispiel
der Wasserstoff in der Bindung mit Sauerstoff
und nicht alleine vorkommt, weil nur die Verbindung
ohne Energiezufuhr stabil bleibt. Ihn
zu isolieren erfordert dagegen viel Energie. Das
muss auch so sein, denn sonst wäre beim „Wiederverbinden“
der beiden Elemente im Motor
des Busses (oder Autos) keine Energie übrig, die
für die Bewegung sorgt. Anders gesagt: Die
gesamte Bewegungsenergie muss bei der Wasserstoffherstellung
bereitgestellt werden. Beim
Erdöl hat uns das die Natur in Millionen von
Jahren schon abgenommen. Nicht zu vergessen:
Auch der Wasserstoffmotor benötigt Sauerstoff
aus der Luft, den wir selbst zum Atmen
brauchen. Zur Extraktion von Wasserstoff wird
entweder ein anderes Gas chemisch behandelt,
dessen restliche Bestandteile dann entsorgt
oder weiterverwendet werden müssen, oder
es wird eine wasserstoffhaltige Verbindung mit
Hilfe von elektrischem Strom gespalten. Selbst
der Laie merkt hier – warum soll man diesen
Umweg gehen, wenn man mit dem Strom auch
direkt ein Fahrzeug betreiben kann?
Damit sind wir bei der dritten Technologie,
dem Hybridantrieb. Die Hybrid-Ingenieure wissen,
dass der Motor im Nahverkehr nur kurze
Lastspitzen aufweist, die meiste Zeit aber unter
Teillast oder gar im Leerlauf fährt. In diesen
Zeiten aber will der Hubraum auch gefüllt sein.
Um diesen Sinnlosverbrauch zu unterbinden,
bauen sie den Motor kleiner, so dass er nur die
Grundlast erbringt, und geben ihm einen Elektromotor
dazu, der die Lastspitzen abarbeiten
hilft.
Im direkten Vergleich beider Antriebe zeigt
sich aber schnell: Der Verbrennungsmotor ist
im Nahverkehr vom Start weg nicht die erste
Wahl, denn beim Bremsen kann er aus der Fahrzeugenergie
nicht wieder Treibstoff generieren.
An jeder Ampel oder Haltestelle wird die Bewegungsenergie
des Fahrzeugs in den Bremsen zu
Wärme verschwendet. Ein Elektromotor kann
demgegenüber beim Bremsen aus der Bewegungsenergie
des Fahrzeugs wieder Strom herstellen,
er ist die einzige Kraftmaschine, die in
beide Richtungen arbeitet!
Warum fährt der Bus dann nicht elektrisch?
Ganz einfach, weil Strom sich nur schwer speichern
lässt – und das im Wortsinn. Jeder, der mal
einen Akku tragen musste, weiß, dass die Masse
des Speichers ungeeignet ist, um in Fahrzeugen
beim Energiesparen zu helfen. Das Herumschleppen
so einer „Ladung“ verbraucht selbst
zu viel der mitgeführten Energie. Auch der Hybridwagen
zehrt davon, dass sein Elektroakku
klein und der eigentliche Energiespeicher nach
wie vor der Tank ist. Für die Zeit nach dem Erdöl
ist er deshalb unbrauchbar, seine Vorteile liegen
in der sofortigen Entlastung der Umwelt.
Wenn also der elektrische Antrieb der zweite
Baustein für eine erfolgreiche Lösung der
Energiefrage im Verkehr ist – aber nur dann,
wenn der Elektromotor ohne schwere Akkus
betrieben werden kann, so muss er an ein Netz
angeschlossen werden. Der Aufbau eines elektrischen
Nahverkehrsnetzes kostet natürlich
auch Geld und lohnt sich nur ab einer gewissen
Verkehrsbelastung, nämlich dann, wenn es für
den klassischen Bus zu teuer wird.
Wie kann nun die beim Bremsen zurückgewonnene
Energie weiterverwendet werden,
wenn sie nicht im Fahrzeug gespeichert werden
kann? Bei Innenstadtnetzen mit großer
Fahrtendichte ist die Chance hoch, dass ein
anderes Fahrzeug im selben Netzabschnitt den
eingespeisten Strom gerade braucht. Besser ist
es, die Energie an der Strecke zu speichern. Der
Strom fließt beim Bremsem zurück zum Einspeisepunkt
und steht beim Anfahren von der Haltestelle
wieder zur Verfügung. Erste Versuche mit
ortsfesten Speichern haben begonnen.
In den Kommentaren zum dritten Teil des
Weltklimaberichtes war viel die Rede davon,
dass die technischen Mittel zur Lösung des
Problems schon vorhanden sind. Aber das
öffentliche Verkehrswesen wurde leider nicht
erwähnt.
Deutschland hat gute Voraussetzungen:
Der Elektromotor, der O-Bus und die elektrische
Straßenbahn wurden hier erfunden
und die deutsche Elektro- und Bahnindustrie
ist global aktiv. Die Ausstattung des Landes
mit S-, U- und modernen Straßenbahnen gehört
weltweit zu den besten. Lediglich beim
preiswerten Kollegen Oberleitungsbus liegen
Länder wie die Schweiz, ja sogar China und
Rußland weit vor Deutschland. Aber das lässt
sich ja ändern.
Es ist unmöglich, den Ländern in Asien und
Afrika zu verbieten, sich um Wirtschaftswachstum
zu bemühen. Es ist schwer, aber möglich,
ihnen als Vorbild zu einem nachhaltigen Gemeinwesen
zu dienen, das Wirtschaft und
Umwelt versöhnt. Sollten die Chinesen die europäische
oder gar die amerikanische Automobilisierung
erreichen, dann wird die Luft für alle
knapp. Wenn sie sich aber unsere elektrischen
Bahnen zum Vorbild nehmen, dann haben alle
etwas davon. (af) Berliner Fahrgastverband IGEB
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