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Titelbild: Neben dem „abgeknabberten“ Brückenrest der Westendbrücke fährt wieder die Ringbahn, und die Autofahrer auf der Stadtautobahn haben sich mit der geteilten Richtungsfahrbahn im Gegenverkehr inzwischen arrangiert. Wann werden die nächsten baufäligen Straßenbrücken den Eisenbahnverkehr lahmlegen? Foto: Florian Müller (30. April 2025) |
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Bekanntester Vertreter war bisher die Rudolf-
Wissell-Brücke (siehe SIGNAL 1/2025 Seite 14), deren Ersatzneubau
in Flächenkonkurrenz zum Wiederaufbau der
Siemensbahn steht. Die sogenannte Ringbahnbrücke, die
nördlich von Westkreuz in Nähe des ICC eine Richtungsfahrbahn
der A100 über die Ringbahngleise von Fern- und
S-Bahn verschwenkt, sowie die Westendbrücke für die
Rückverschwenkung, traten trotz bekannter Mängel in der
Öffentlichkeit bisher weniger in Erscheinung, waren die
Einschränkungen (u. a. Lastbegrenzung) doch eher marginal
in den Auswirkungen. Das änderte sich schlagartig im
März 2025, als bei einer Brückenprüfung ein bekannter Riss
eine deutliche Ausweitung aufwies. Als Sofortmaßnahme
wurden zwei der drei Fahrstreifen gesperrt. Weitere Untersuchungen
wurden veranlasst.
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Der eine Übeltäter, die „Ringbahnbrücke“ am S-Bahnhof Messe Nord, oben schon ohne Autoverkehr und noch mit S-Bahn-Verkehr unter der Brücke, unten nach dem Abriss und mit wieder aufgenommenem S-Bahn-Verkehr. Fotos: Florian Müller (20.3.25 und 29.4.25) |
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Eine bemerkenswerte Fehlinformation in der S-Bahn über den ganzen Zeitraum: Der Bahnhof Westkreuz wird auf der genutzten Halenseekurve eben nicht angefahren. Foto: Florian Müller (23.4.25) |
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Der andere Übeltäter, die „Westendbrücke“ am S-Bahnhof Westend, oben schon ohne Autoverkehr und mit gesperrtem S-Bahn-Verkehr unter der Brücke, unten nach dem Abriss der Brücke und mit abgerissenem Stellwerk, sowie mit wieder aufgenommenem S-Bahn-Verkehr. Links auf dem unteren Bild ist deutlich das Profil der zur Hälfte abgerissenen Brücke zu sehen. Fotos: Florian Müller (7.4.25 und 29.4.25) |
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Am S-Bahnhof Westend ist die M45-Bushaltestelle, die bisher direkt vor dem Bahnhofsausgang lag, ersatzlos aufgehoben worden, weil die umgeleiteten Autos zur Stadtautobahn den Haltestellenbereich zustauen. Die Fahrgäste werden auf die reguläre Haltestelle 115 Meter vorher verwiesen. Kollateralschaden Busfahrgäste für die nächsten 3 Jahre? Durch bauliche Abtrennung (Zwischenbord) der nach wie vor gültigen Busspur und eine veränderte Ampelschaltung an der Autobahnauffahrt ließe sich die Haltestelle wieder nutzen. Foto: Florian Müller 29.4.25) |
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Am 19. März folgte die nächste Verschärfung: Um das Risswachstum
zu stoppen, wurde die A100 in Richtung Norden
vollständig gesperrt, was in den nächsten
Tagen auch den BVG-Busverkehr im Umfeld
deutlich beeinträchtigte. Doch der
aus Fahrgastsicht interessanteste Termin
folgte am 28. März: Während der vormittäglichen
Pressekonferenz verkündete die
Autobahn GmbH des Bundes noch, dass
niemand die Absicht habe, die Ringbahn
einzustellen. Auftretende Gerüchte über
eine bevorstehende Sperrung wurden
im Anschluss dementiert. Am Nachmittag
drehte sich die Stimmung. Ab 21 Uhr
wurde die Ringbahn wegen der “Brückenstörung”
zwischen Halensee und Westend
auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Immerhin
hieß es bei der DB nicht: „Wegen
der Reparatur einer Autobahnbrücke […]”.
Positiv: Die S-Bahn hatte ihre Hausaufgaben
gemacht und war, so gut es ging,
bereits auf die Situation vorbereitet. Sie
holte einen entsprechenden Plan aus
der Schublade. Hier endet das Lob, denn
die Auswirkungen waren gravierend und
wirkten sich weit auf den Südring aus. Der
10-Minuten-Grundtakt der Ringbahn bestand
zwischen Westend und Halensee via
Gesundbrunnen, Ostkreuz und Südkreuz.
Jeder zweite Zug (20er-Takt) fuhr über die
Halenseekurve weiter nach Charlottenburg.
Der 5er-Takt endete bereits in Tempelhof
und verpasste somit die wichtigen
Umsteigebahnhöfe Südkreuz und Schöneberg.
Die S 46 wurde nach Bundesplatz zurückgezogen
und wendete dort mit dreimaligem
Fahrtrichtungswechsel durch
die Kehranlage. Auf einen Pendelverkehr
Halensee—Westkreuz wurde dagegen
verzichtet, obwohl dort ein deutlich dichterer
Takt als nach Charlottenburg möglich
gewesen wäre.
Einmal mehr zeigt sich damit, dass die
Infrastruktur der S-Bahn weiterhin deutliche
Mängel in der Netzresilienz aufweist.
Es fehlen Gleiswechsel und die Möglichkeit,
an wichtigen Umsteigebahnhöfen Züge
kehren zu können. Mit der altbekannten
IGEB-Forderung, Westkreuz (Ring) in der
Leit- und Sicherungstechnik vom Haltepunkt zum Bahnhof aufzuwerten, wäre der
5-Minuten-Takt auf der gesamten Strecke
möglich gewesen. Die S 46 hätte dann über
die kapazitätsschwache eingleisige Halenseekurve
nach Charlottenburg abgeleitet
werden können. Die Notwendigkeit dieser
Teilmaßnahme bleibt bestehen, denn auch
für den Neubau der Ringbahn- und Westendbrücke
werden wieder Unterbrechungen
der Ringbahn erforderlich sein.
Weitere Ersatzneubauten sind in der
Planung schon weit fortgeschritten oder
stehen demnächst auf der Agenda. Neben
der bereits genannten Rudolf-Wissell-Brücke
betrifft das auch die Schönfließer Brücke,
Schönhauser Allee, Greifenhagener
Straße, Stahlheimer Straße, Dunckerstraße,
Kniprodestraße und Landsberger Allee.
Hierfür müssten die Haltepunkte Jungfernheide
(im Rahmen der Siemensbahn
geplant), Prenzlauer Allee und Storkower
Straße analog zu Westkreuz mit passenden
Signalen und Weichen ausgestattet
werden, so dass die Strecke des Ersatzverkehrs
möglichst kurz gehalten werden
kann.
Doch wie geht es im Charlottenburger
Ringbahngraben weiter? Wohl mit einem
„weiter so”. Die einzige Ambition besteht
darin, möglichst schnell die Autobahn
wiederherzustellen und das Dreieck Funkturm
mit einer höheren Leistungsfähigkeit
unter dem Label der Verkehrssicherheit
umzubauen. Ansonsten bleibt es beim
Bekannten, trotz aller Ideen zur Entflechtung
von Autobahn und Bahntrasse durch
Verzicht auf den Seitenwechsel. Auch die
Idee, den (Auto-)Bahngraben zu deckeln,
ist wenig fortgeschritten. Beides würde
höhere Investitionen und weitergehende
Planung erfordern. Damit ist nicht zu
rechnen.
Berliner Fargastverband IGEB
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