 |
Überall Werbung im Berliner Hauptbahnhof. Foto: Frank Böhnke |
|
Am 28. Mai 2006 wurde der Berliner Hauptbahnhof
in Betrieb genommen. Seither
fahren alle ICE- und IC-Züge im Bahnhof
Zoo mit etwa 50 km/h durch. Trotz großer
Proteste, Unterschriftensammlungen,
Mahnwachen, Boykottdrohungen und bestimmt
auch zahlreichen Protestschreiben
blieb die DB AG hart. „Frontstadtmentalität“
und „Nostalgie“ wurde den Befürwortern
von Fernbahnhalten am Zoo unterstellt.
Eine sachliche Auseinandersetzung
und ein Abwägen des Für und Wider gab
es bei der Bahn nicht.
Das einzige Sachargument, was von den
Gegnern des Zoo-Haltes genannt wird, ist
die Fahrzeitverkürzung. Im Eisenbahnfernverkehr
werden für das Abbremsen, den
eigentlichen Halt und das Wiederanfahren
durchschnittlich vier Minuten angesetzt.
Dieser Zeitersparnis für die Mehrheit der
Reisenden steht jedoch eine Verlängerung
der Gesamtreisezeit für eine nicht kleine
Minderheit um rund 20 Minuten gegenüber,
weil für sie der Weg zum Hauptbahnhof weiter
ist als der Weg zum Bahnhof Zoo. Hinzu
kommt meist die Unbequemlichkeit eines
zusätzlichen Umsteigens, um zum Hauptbahnhof
zu kommen.
Beim Hauptbahnhof werden von der DB
acht Minuten Umsteigezeit zwischen Stadtbahnsteig
und Tunnelbahnsteig angegeben.
Wer sich auskennt und sportlich ist, schafft
es zwar etwas schneller, ansonsten kann es
aber auch länger dauern. Das Umsteigen am
Bahnhof Zoo wird mit im Durchschnitt fünf
Minuten angegeben. Von den Ankunftshaltestellen
der Busse sind die Wege zu den
Fernbahnsteigen leicht zu erkennen. Auch
von den U-Bahnsteigen ist das Auffinden
des Weges kein
großes Problem.
Weshalb also ist
es nicht möglich,
die Fahrzeit der
Fernzüge auf der
Stadtbahn um die
genannten vier
Minuten zu verlängern
und dafür
vielen (tausenden?)
Reisenden
Umwege zu ersparen?
Weshalb wird
ihnen ein weiteres
Umsteigen zugemutet?
Der Schlüssel
dürfte bei den
Einnahmen liegen
– allerdings nicht
Fahrgeldeinnahmen. Einerseits sind dies
die Mietzahlungen der Geschäftsinhaber.
Da bietet der Hauptbahnhof auf seinen fünf
Etagen viel mehr Platz für Geschäfte als der
Bahnhof Zoo. Andererseits sind dies die Einnahmen
durch Werbung. Am Bahnhof Zoo
sind nicht annähernd die Werbeeinnahmen
möglich, die am „Hauptbahnhof“ zu erzielen
sind, weil es am Zoo nur wenige und kleine
Werbeflächen gibt, die teilweise noch versteckt
in Treppennischen liegen.
Nach Veröffentlichungen der Firma Ströer,
die die Vermarktung der Werbeflächen im
Hauptbahnhof übernommen hat, belaufen
sich allein die Werbeeinnahmen aus „Big Banner“,
Lichttransparenten, „The Wave“, Großflächen
und Postern auf über 500 000 Euro
monatlich. Wie viel werden es beim Bahnhof
Zoo sein? Vielleicht 100 000 Euro?
Um so hohe Einnahmen wie am Hauptbahnhof
realisieren zu können, ist es notwendig,
dass möglichst viele potentielle
Kunden zu den Ladenflächen geführt werden
und die Werbung sehen. Der Berliner
Hauptbahnhof hat nach Erhebungen der
Firma Ströer 250 000 Besucher pro Tag,
was von der Öffentlichkeitsarbeit der Bahn
großzügig auf 300 000 aufgerundet wird.
Am Bahnhof Zoo sollen es „nur“ 110 000 Besucher
sein.
Vielleicht ist der Zwang zur Wahrnehmung
der Werbung in der Stadtbahn-Halle
des Hauptbahnhofs der Grund dafür, dass
bei der Beleuchtung gespart wurde. Auf
den Bahnsteigen gibt es nur unzureichendes
Licht, Werbeflächen jedoch erstrahlen
geradezu, so dass sie die Blicke stets auf sich
ziehen.
Es zählt also jeder Besucher (nicht Fahrgast!)
am Hauptbahnhof. Wenn nun durch
einen Fernverkehrshalt am Bahnhof Zoo die
Besucherzahl am Hauptbahnhof messbar
sinken würde, wäre das schlecht fürs Geschäft
am Hauptbahnhof.
Damit wäre aufgrund der guten Erreichbarkeit
des Bahnhofs Zoo aber zu rechnen.
Ein Halt am Bahnhof Zoo würde deshalb das
Geschäftsergebnis des DB-Konzerns verschlechtern,
weil die Mehreinnahmen durch
Wiedergewinn von Zoo-Reisenden sicher
kleiner wären als die Verluste durch niedrigere
Ladenmieten und Werbeeinnahmen
am Hauptbahnhof. Die Deutschen Bahn AG
hat sich also für ihre Geschäftsinteressen
entschieden – und gegen die Fahrgäste.
Berlin-Brandenburgischer Bahnkunden-Verband
|