Berlin

Folgt der S-Bahn-Krise die Bus-Krise?

Nicht nur bei der Berliner S-Bahn, sondern auch bei der BVG gibt es technische Probleme. Die Achsproblematik bei den neuen Doppeldecker-Bussen DL ist noch nicht vorbei. Nach offiziellen BVG-Verlautbarungen hatten die vermehrten Werkstattaufenthalte dieser Fahrzeuge keinen oder allenfalls einen unerheblichen Einfluss auf den täglichen Fahrzeugeinsatz. Die Praxis sah allerdings anders aus.

Der vermeintliche Einzelfall

Anfang März am Rathaus Steglitz. Es ist nasskalt, der Körper von einer Grippe gebeutelt. Nach dem Arztbesuch will der Fahrgast schnell nach Hause. Schön, dass es für die Fahrgäste der Buslinie 186 am Rathaus Steglitz neben der zugigen Haltestelle in der Schloßstraße am ehemaligen VW-Pavillon auch die Möglichkeit gibt, vom Busbahnhof im Kreisel abfahren zu können. Die Verstärkerwagen für den 5-Minuten-Takt dieser Linie setzen dort alle 10 Minuten ein. Die Wagen der Stammlinie halten dort nicht, sie fahren nur in der Schloßstraße.

DL auf Linie 158
Mit ihren neuesten Doppeldeckerbussen vom Typ Lions City hat die BVG ähnliche Probleme wie die S-Bahn: Zum einen muss der Hersteller die Achsen austauschen, zum anderen gibt es Engpässe durch Einsparungen beim Werkstattpersonal. Dadurch fallen immer wieder planmäßige Fahrten aus, was die BVG nach längerem Zögern nun auch zugegeben hat. Foto: Holger Mertens

Der sichernde Blick auf die Fahrplantabelle im Busbahnhof lässt den Fahrgast aufatmen. Nachdem er die mit Sternchen oder Buchstaben gekennzeichneten Fahrten auf Ausschlüsse zu bestimmten Zeiten überprüft hat, weiß er, dass der Bus in 5 Minuten kommen wird. Aber nach acht Minuten reift die Erkenntnis: Der Bus kommt wohl nicht. Also doch zur Haupthaltestelle in der Schloßstraße gehen? Aber in den verbleibenden zwei Minuten bis zu dessen Abfahrt schafft der Fahrgast den Weg nicht mehr. Was nun? Eigentlich müsste bereits in sieben Minuten der nächste Verstärker-Wagen im Busbahnhof starten, doch nun ist Misstrauen angesagt.

Da taucht ein 283er auf. Vom Fahrziel her bietet diese nur alle 20 Minuten fahrende Linie eine Alternative und in vier Minuten soll dieser Bus fahren. Also einsteigen, endlich ein wärmerer Platz, sogar zum Sitzen. Die Abfahrzeit naht, doch der Bus bleibt stehen. Nur der Fahrer steht auf. Unruhig an Jacke und Tasche nestelnd, schließlich zum Handy greifend folgt die Erklärung: Keine Ablösung da. Hecktische Telefonate.

Nach weiteren Minuten, die zu gefühlten Stunden werden, erscheint endlich ein Kraftfahrer. Der Motor springt an, der Bus fährt los, etwa 7 Minuten später, als er sollte. Einmal um den Kreisel, halten an der Haupthaltestelle in der Schloßstraße. Durch das Rückfenster sieht der Fahrgast bereits den nächsten Stammwagen vom 186er nahen. Schon der Dritte. Wäre der Fahrgast doch gleich zu dieser Haltestelle gegangen, aber da ist es doch so zugig und die Grippe…

Eine halbe Stunde verspätet konnte die warme Stube erreicht werden. Ein Verstärker beim 186er ward nirgends gesehen. Nachforschungen brachten Gewissheit: Der Fahrgast hätte lange warten können. An diesem und vielen anderen Tagen fiel die Verstärkerlinie komplett aus. Der Grund: Wagenmangel im BVG-Betriebshof Cicerostraße. Damit sind wir wieder beim Thema. Keine Auswirkungen auf den Fahrplan?

Noch mehr Einzelfälle

Auch einen Monat später gab es beim 186er noch Ausfälle und Unregelmäßigkeiten, so am 9. April, als am Rathaus Steglitz beim 10-Minuten-Takt eine Wartezeit von 31 Minuten angezeigt wurde. Hier sind also viele „einzelne“ Fahrten ausgefallen. In Beschwerden berichteten Fahrgäste außerdem von Ausfällen auf den Linien X10, X83 und 115. Während sich diese auf den Südwesten der Stadt konzentrieren, gab es auch Klagen aus Spandau, wo beispielsweise 12-Meter- Wagen anstelle von Doppeldeckern oder Gelenkbussen eingesetzt wurden. Aus Marzahn- Hellersdorf kamen Beschwerden über „Schrottbusse“ auf der Linie 197. Das legt die Vermutung nahe, dass alte Fahrzeuge, die zwar betriebssicher sind, ansonsten aber repariert oder abgestellt werden müssten, zum Einsatz kamen, damit nicht noch mehr Fahrten ausfallen.

Ähnlichkeiten zum S-Bahn-Chaos

Noch ist das alles nicht mit dem S-Bahn-Chaos zu vergleichen – glücklicherweise. Dennoch, ein Ansatz der die S-Bahn zum Absturz brachte, wird auch hier sichtbar: Probleme mit der Technik neuer Fahrzeuge gepaart mit der Entscheidung, die Wirtschaftlichkeit durch Personaleinsparungen in den Werkstätten und beim Fahrbetrieb vermeintlich zu optimieren.

Nicht nur die Betreiber, sondern auch die Hersteller von Straßen- und Schienenfahrzeugen tragen eine Mitverantwortung, auch dann, wenn sie durch den Druck der Betreiber beim Fahrzeugbau sparen müssen. Doch ob nun der Hersteller oder der Betreiber der Hauptverantwortliche ist, kann den Fahrgästen letztlich egal sein. Für sie ist nur wichtig, dass planmäßige Fahrten nicht ausfallen. Allenfalls ein Unfall oder Unwetter darf zu Ausfällen führen. In allen anderen Fällen ist Ersatz zu gewährleisten, notfalls durch Anmietung von Fahrzeugen oder vermehrte Fremdvergabe. Auffällig ist übrigens, dass genau im Problemzeitraum überraschend alle noch vorhandenen Doppeldeckbusse der Serien DN95 abgestellt wurden. Ist das sinnvoll? Sicher, die Wagen wurden 1995 gebaut, sind also nicht gerade neu, allerdings gegenüber der ebenfalls zu diesem Zeitpunkt ausgemusterten Vorgängerserie D mit 15 Betriebsjahren noch relativ jung. Zwar darf vermutet werden, dass viel Geld nötig gewesen wäre, um diese Fahrzeuge weiterhin zu erhalten. Doch betriebswirtschaftlich sinnvoll wäre das wohl nicht, denn eigentlich hat die BVG genug neue Busse, um den Betrieb zu gewährleisten – wenn sie denn alle fahren könnten. Aber genau das gelang zuletzt nicht mehr. Siehe obige Geschichte.

Falsche Prioritäten

Zurzeit wird es offensichtlich als das wirtschaftlich kleinere Übel angesehen, wenn bei Problemen eben einzelne Fahrten (oder Linien) ausfallen. Doch das ist ein Denkfehler. Wohin extremes Sparen führen kann, haben die Fahrgäste beim Absturz der Berliner S-Bahn erleben müssen. Liebe BVG, noch ist es nicht zu spät: Erste Priorität allen Handelns muss die sichere und fahrplanmäßige Durchführung des Betriebsablaufes sein. Das ist langfristig am wirtschaftlichsten. Und dann kommt hoffentlich auch der 186er wieder regelmäßig und pünktlich.

Offensichtlich als Konsequenz aus den Wartungspannen ist BVG-Direktor Omnibus Johannes Müller im April 2010 versetzt worden. (kju)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 2/2010 (Mai 2010), Seite 11

 

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