Nahverkehr

Stadtbahnsanierung

Ein negativer Anlaß führte zu positiver Kooperation.

Der Fahrgastbeirat Tiergarten wurde 1992 auf Anregung der IGEB und des Tiergartener Baustadtrates Horst Porath (SPD) von interessierten Moabiter Bürgerinnen gegründet. Ziel war es, die Interessen der Tiergartener ÖPNV-­NutzerInnen gegenüber BVG und Bahn zu vertreten. Seit der Gründung wurden mehrere öffentliche Veranstaltungen und die Ergebnisse mit Vertretern der BVG diskutiert. Die Pläne der Deutschen Bahn AG (DB AG) zur Sanierung der Stadtbahn veranlaßten uns, mit Herrn Morgenroth von der DB AG Kontakt aufzunehmen. Konkreter Anlaß war die Absicht der DB AG. auf den Bau von Ersatzbahnsteigen zu verzichten.

Seit Oktober 1994 besteht nun der Schienenersatzverkehr (SEV) zwischen den S-Bahnhöfen Lehrter Stadtbahnhof und Berlin Zoologischer Garten, der die während der Stadtbahnsanierung geschlossenen S-Bahnhöfe Bellevue und Tiergarten erschließt. Der SEV war gegen den Willen des Bezirks Tiergarten (und auch des Fahrgastbeirats) durchgesetzt worden. Gerüchten zufolge soll der SEV der DB AG von der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe vorgeschrieben worden sein.

Zeichnung
Stadtbahnsanierung: Sie können leider nicht hier lang fahren. - Warum nicht? - Weil ich die Schienen weggemacht habe! Sami, 8 Jahre

Ungeachtet der prinzipiellen Meinungsverschie­denheit bezüglich der Ersatzbahnsteige hat sich der Fahrgastbeirat bemüht, beim SEV das Beste für die Fahrgäste zu erreichen. Die anfangs noch recht kühle Zusammenarbeit verbesserte sich im Laufe der Zeit. Einerseits erhielt die Bahn von uns Hinweise aufwegen des hohen Verkehrsaufkom­mens problematische Streckenabschnitte der geplanten SEV-­Strecke. Andererseits bekam sie aber auch Forderungen gestellt, so z.B. nach den zusätzlichen Haltestellen am Hansaplatz (Übergang zur U9) und Kirchstraße Ecke Alt-Moabit (bessere Anbindung des gerade bezogenen, neuen Büro- und Dienstleistungskom­plexes sowie Gerichtsstandortes). Gerade bei diesen Forderungen zeigte sich die DB AG erfreulich kooperativ.

Daneben wurden natürlich auch die für die Fahrgäste wichtigen »Kleinigkeiten« besprochen: Umsetzen der anfangs fehlplazierten Wartehalle am Lehrter Stadtbahnhof, bessere Lesbarkeit der Pläne, Umsteigewege am Lehrter Stadtbahnhof. Zusatz(Ziel­-)Beschilderung der Busse usw. Auch die Aufnahme der Stadtbahn in das »Bauinfo« der DB AG war einer unserer von der DB AG prompt durchgeführten Verbesserungsvorschläge.

Viele der angesprochenen Probleme konnten gelöst werden, einige der größeren Probleme harren aber noch der Lösung. Beim größten Problem, dem Hängenbleiben der SEV-Busse im täglichen Stau, hat aber leider die Senatsverkehrsverwaltung das Sagen. Diese will wie üblich den privaten Autoverkehr nicht antasten zu Lasten des ÖPNV. Gemeint ist dabei vor allem die Kreuzung AltMoabit/Washingtonplatz. Die Fahrzeiten zwischen Kirchstraße und Lehrter Stadtbahnhof betragen deshalb im Berufsverkehr bis zu zwölf Minuten (S-Bahn: drei!).

Im allgemeinen hat sich gezeigt, daß die Institution Fahrgastbeirat eine sehr nützliche Einrichtung ist, denn im Interesse der Fahrgäste sollten sich immer Planungskompetenz (Betreiber. hier DB AG) und detaillierte Ortskenntnis und Interessenvertretung (Fahrgastbeirat) ergänzen. Grundsatz dabei muß sein, den ÖPNV so attraktiv wie möglich zu gestalten. In diesem Sinne sollte das Vorbild "Fahrgastbei­rat Tiergarten" in anderen Bezirken Schule machen.

Zum Abschluß möchten wir uns noch bei der DB AG und dem Bezirksamt Tiergarten bedanken. Herr Morgenroth von der DB AG (inzwischen bei der S-Bahn Berlin GmbH) war jederzeit für Gespräche und auch Verbesserungsvorschläge offen. Wir würden uns freuen, wenn auch die BVG sich irgendwann von dem Niveau der Kooperationsbereitschaft der DB AG anstecken lassen würde. Die Abteilung Bauwesen des Bezirksamtes Tiergarten lud uns zu den Behördengesprächen über den SEV ein, unseres Wissens ein in Berlin einmaliger Vorgang. Dafür danken wir Baustadtrat Horst Porath. Auch hier sollte Tiergarten Vorbild für andere Bezirke werden.

InteressentInnen wenden sich bitte an: Fahrgastbeirat Tiergarten, Stephanstraße 26, 10559 Berlin.

Fahrgastbeirat Tiergarten

aus SIGNAL 2/1995 (April 1995), Seite 18

 

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