International

Berlin—Usedom in zwei Stunden

Aktionsbündnis Karniner Brücke kämpft für die Wiederherstellung der Eisenbahnlinie Berlin—Ducherow—Karnin—Świnoujście—Heringsdorf

Das Aktionsbündnis Karniner Brücke ist ein parteiübergreifender grenzüberschreitender Interessenverband von Usedomer Betrieben, Vereinen, Institutionen und Privatpersonen mit dem Ziel, die Bahnlinie Berlin— Świnoujście—Heringsdorf über die Karniner Brücke zu rekonstruieren und wieder in Betrieb zu nehmen. Der Verband BFBahnen ist Gründungsmitglied des Aktionsbündnisses und unterstützt es im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Hubbrücke
Die Ruine der Hubbrücke bei Karnin erinnert an die einstige Strecke. Foto: Oswald Richter

Für die Herstellung der kürzesten Schienenanbindung von Berlin zur Insel Usedom auf der seit 1876 bestehenden Trasse müssen nur knapp 40 km wiederaufgebaut werden. Das Projekt steht bereits seit 2003 im Bundesverkehrswegeplan, wurde aber nur mit geringer Priorität bewertet und zurückgestellt. Gegenüber anderen Großprojekten im bundesdeutschen Netz sind die vor einigen Jahren geschätzten Kosten von ca. 150 Mio. Euro relativ gering.

In der Berliner Bevölkerung findet das Projekt viel Zustimmung, denn die Fahrzeit zur „Badewanne Berlins“ wird sich nach Realisierung von jetzt etwa viereinhalb Stunden über Züssow auf etwa zwei Stunden um mehr als die Hälfte verkürzen. Selbst aus der mitteldeutschen Region Halle/Leipzig werden bei nur noch drei Stunden Fahrzeit Tagesausflüge mit der Bahn attraktiv sein.

Das Projekt wird aktiv zur Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene beitragen. Seitens der DB AG wird auf die logistischen Vorteile des Güterverkehrs über Berlin/Seddin in den Süden und Westen Europas hingewiesen. Die Swinemünder Hafengesellschaft schätzt die jährliche Transportleistung allein durch sie auf ca. 200 000 Tonnen. Fachleute ermittelten den künftigen Güterverkehr auf ein bis drei Züge pro Tag gegenüber mehreren hundert Lkw-Fahrten.

Den Hauptnutzen bringt das Karniner Bahnprojekt aber für den überregionalen Tourismusverkehr, der neu zu berechnen war. Eine Arbeitsgruppe von namhaften Wissenschaftlern und Praktikern veröffentlichte im Sommer 2012 eine Studie mit dem Ergebnis, dass das Projekt für 100 Mio. Euro realisiert werden kann. Hieraus errechnet sich ein Nutzen/Kosten-Faktor von 2,26. Dies ist von Bedeutung, da nur Projekte mit Werten über 1 finanziert werden. Von der Europäischen Union sind für das Projekt Zuschüsse bis zu 65 Prozent möglich.

Karte
Der geplante Wiederaufbau der Strecke Ducherow—Świnoujście (Swinemünde) ist rot dargestellt, der Bestand in schwarz. Karte: OSM, Ergänzungen nach Angaben der DB AG: Florian Müller

Das Aktionsbündnis setzt auf die Unterstützung aus den Ländern Polen und Deutschland, denn dies ist ein europäisches Projekt mit strukturpolitischer Bedeutung für die binationale Insel Usedom und die deutsch-polnische Grenzregion. So unterstützt die Stadt Świnoujście das Projekt ebenso wie die Regierungen der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin. Verkehrsminister Volker Schlotmann organisierte beispielsweise 2010 eine Fachtagung in Anklam, auf der sich alle im Schweriner Landtag vertretenen Fraktionen für die Bahnlinie aussprachen, und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering warb 2011 bei einem parlamentarischen Abend in Berlin für die Strecke.

Im März 2012 traf das Aktionsbündnis Karniner Brücke erstmals Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. In einem persönlichen Gespräch mit einem Mitglied des Aktionsbündnisses zeigte sich der Minister dem Bahnprojekt gegenüber interessiert und signalisierte Gesprächsbereitschaft.

Das Aktionsbündnis führte während der Sommermonate 2012 einen umfangreichen Meinungsaustausch mit dem Schweriner Verkehrsministerium.

Der zuständige Manager von DB Netze, Kay Schatkowski, erläuterte auf einem parlamentarischen Abend in Berlin am 25. September 2012 detailliert die errechneten Kosten für den Wiederaufbau der Strecke.

Als erste Baustufe wird eine eingleisige Trasse mit einem Kreuzungsbahnhof in Dargen mit einer Streckengeschwindigkeit von 120 km/h geplant. Verkehrshalte sollen in Karnin, Usedom, Dargen, Zirchow (Flughafen Heringsdorf) und Świnoujście neu errichtet werden. Die Wiederinbetriebnahme der Strecke wird durch Naturschutz- und Vogelschutzgebiete nicht behindert.

Info-Plakat
Das Aktionsbündnis wirbt auf großen Stellwänden für seine Ziele. Foto: Oswald Richter

Die Planungen sehen vor, dass in weiteren Ausbaustufen eine Elektrifizierung bzw. ein zweigleisiger Ausbau möglich sind.

Beim Spitzentreffen der „Oder-Partnerschaft“ am 21. November 2012 sprach sich Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck für einen möglichst raschen Ausbau der Bahnstrecke Berlin—Szczecin (Stettin) aus. Ministerpräsident Erwin Sellering ergänzte, dass für Mecklenburg- Vorpommern die Bahnverbindung über die Karniner Brücke zur Insel Usedom jetzt auf der Agenda steht. Damit werde die Anbindung der deutschpolnischen Ostseeküste an Berlin deutlich verbessert.

Für den BFBahnen ist es wichtig, dass die Wiederherstellung der Bahnlinie vor weiteren Straßenprojekten erfolgt, denn nur so kann Schienenverkehr auf Dauer konkurrenzfähig bleiben.

Mehr Informationen unter www.karninerbruecke.eu

Oswald Richter, BFBahnen Berlin/Brandenburg

aus SIGNAL 6/2012 (Dezember 2012), Seite 25

 

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