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Ende Juni glaubte Staatssekretär Schmitt
schon am Ziel zu sein. Voller stolz ließ er
den Landespressedienst des Senates am 10.
Juli verkünden: "Nach Anhörung der betroffenen
Bezirke ist Ende Juni die straßenverkehrsbehördliche
Anordnung zur zeitlichen
Befristung der Bussonderfahrstreifen
auf dem Kurfürstendamm, der Tauentzien- und
Kleisstraße ergangen. Damit werden
die derzeit unbefristeten Geltungszeiten der
Busspuren eingeschränkt. Zukünftig sind
die Sonderfahrstreifen lediglich von Montag
bis Freitag und an jedem ersten Sonnabend
im Monat von 9.00 bis 19.00 Uhr, an den
übrigen Sonnabenden von 9.00 bis 14.00
Uhr in Betrieb. Staatssekretär Ingo Schmitt
... verlieh seiner Erwartung Ausdruck, daß
die Bezirke für die Umsetzung der Anordnung
die verkehrsarme Zeit während der
Sommerpause nutzen sollten. ... Schmitt:
'Die zeitliche Befristung der Busspuren ist
zwingend geboten, da die durchgehende
Geltungsdauer verkehrlich unangemessen
und nur politisch von dem Ziel motiviert
war, den Individualverkehr zu verdrängen.
Ziel dieses Senats ist jedoch nicht, den Autofahrern
das Leben unnötig schwer zu machen,
sondern den öffentlichen Verkehr auf
der Oberfläche dort zu bevorrechtigen, wo
er ansonsten im Stau stecken bleiben würde.
Wenn an bestimmten Tagen und zu bestimmten
Tageszeiten kern Stau vorhanden
ist, sind Beschleunigungsmaßnahmen nicht
erforderlich."'
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Der Kurfürstendamm nach 19 Uhr. Oft ist hier der Verkehr um diese Zeit dichter als im Berufsverkehr. Noch haben Busse und Taxis dennoch freie Fahrt. Staatssektretär Ingo Schmitt will das ändern. Foto: Ch. Tschepe |
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Daß auf dem Kurfürstendamm gerade zwischen
19 und 20 Uhr und nach 22 Uhr besonders
viel Verkehr mit häufigen Staus ist,
ist dem Charlottenburger Ingo Schmitt offensichtlich
entgangen. Doch solche Sachargumente
scheinen ihn in seinem verbissenen
Kampf ohnehin nicht zu interessieren. Die
Baustadträte der betroffenen Bezirke versuchten
es trotzdem. Statt der Anordnung
zu folgen, nutzten Sie die Sommerpause für
ein ausführliches Schreiben an den Verkehrssenator
Haase:
"Sehr geehrter Herr Senator,
seit der Anordnung zur zeitlichen Einschränkung
der Kombibusspur für BVG-Busse, Taxen,
Rettungsverkehr, Busse im Gelegenheitsverkehr
und Radverkehr im Straßenzug
Kleiststraße - Tauentzienstraße - Kurfürstendamm
haben Abstimmungen mit Ihrem Haus
bzw. der Straßenverkehrsbehörde stattgefunden,
die die Fragwürdigkeit dieser Anordnung
nur noch deutlicher gemacht haben:
- Ein verbindlicher Regelplan für die künftige
Beschilderung wurde uns bisher nicht vorgelegt.
- Die von Ihrem Haus geforderte Änderung
nur der Beschilderung stellt lediglich eine
Zwischenlösung dar - immerhin für etwa
100.000,- DM - , die längerfristig durch andere
Leittafeln ersetzt werden soll.
- Es bestehen große Zweifel, ob die geforderten
Textergänzungen mit den differenzierten
Zeiteinschränkungen von vorüberfahrenden
Autofahrern überhaupt erkannt und verstanden
werden können. Das bisher plausible und
klare Konzept wird allein hierdurch schon in
Frage gestellt.
- Die erforderlichen Finanzmittel in Höhe
von etwa 140.000,-- DM für die Änderung der
Fahrbahnmarkierung und Beschilderung sind
uns bisher nicht zur Verfügung gestellt worden.
Die Ankündigung aus Ihrem Haus, die
Finanzmittel für die geforderte Einschränkung
der Kombibusspur solle aus einer geplanten
Haushaltsstelle für Busbeschleunigungsmaßnahmen
bereitgestellt werden, klingt
für uns und die betroffene Öffentlichkeit wie
Hohn.
- Die in den jüngsten Koalitionsvereinbarungen
zugesagten großzügigen Busbeschleunigungsmaßnahmen
sind - auch im Ansatz
nicht zu erkennen.
- Entgegen der Behauptung Ihres Staatssekretärs
Schmitt in seinem Schreiben vom 9. Juli
sind uns bis heute keine nachvollziehbaren
Argumente für die Notwendigkeit der zeitlichen
Einschränkung der Kombibusspur vorgetragen
worden. Auf unsere detaillierte Stellungnahme,
zu der Sie uns mit Schreiben
vom 15.05.1992 aufgefordert hatten, wurde
bisher mit keinem Wort geantwortet. Der lapidare
Hinweis in dem Schreiben vom
15.05.1992, es bestehe aus der Sicht Ihres
Hauses ein Bedarf für die Förderung des Linienbusverkehrs
nur in den von Ihnen geforderten
eingeschränkten Tageszeiten, kann von
uns nicht als fundierter Beleg für eine so weitreichende
Maßnahme angesehen werden.
Die Kombibusspur im o.g. Straßenzug hat inzwischen
in der Berliner Bevölkerung eine
hohe Akzeptanz gefunden. Die BVG hat erwiesenermaßen
beträchtliche finanzielle Einsparungen
durch Zeitgewinne erzielt. Für das
Fahrpersonal der BVG gibt es spürbare Erleichterungen
in dem sonst sehr aufreibenden
Verkehr; ähnliches gilt für den Taxen verkehr,
die Rundfahrt- und Touristenbusse wie auch
für den Radverkehr. Besonders augenfällig
ist, daß für den Rettungsverkehr in dem dicht
bebauten Innenstadtgebiet einige wichtige
Straßen von Staus freie Spuren aufweisen
müssen; dies in Frage zu stellen hieße, Menschenleben
bewußt aufs Spiel zu setzen.
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Foto: M. Horth |
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Von der Gedächniskirche zur Marienkirche. Der Bus des Fahrgastverbandes IGEB war auf der ganzen Strecke der Protestfahrt dabei, als Berlins Taxifahrer am 30. September gegen zeitliche Einschränkung auf den Ku'damm-Busspuren und für weitere Bussspuren in Berlin demonstrierten. Busspuren sind zugleich auch Sonderfahrstreifen für die Taxis. Foto: M. Lange |
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Der Kurfürstendamm hat rund um die Uhr
an allen Wochentagen so viel Geschäfts- bzw.
Freizeitverkehr, daß die Kombibusspur geradezu
Voraussetzung für die Lebensfähigkeit
der City ist. Die Gültigkeit der Kombibusspur
in den Morgenstunden bis 9.00 Uhr aufzuheben,
wie von Ihnen gefordert, bedeutet doch
auch, Berufspendler im Auto verstärkt in die
City hineinzulassen, obwohl auch Sie propagieren,
besonders die Berufspendler zum Umsteigen
auf öffentliche Verkehrsmittel anzuhalten,
um letztlich ein Nutzungsverhältnis
von 80 : 20 (öffentlicher Verkehr zu privatem
Fahrzeugverkehr) zu erreichen.
Sehr geehrter Herr Professor Haase, es darf
nicht geschehen, daß eine bewährte Verkehrslösung,
die selbst für zahlreiche europäische
Großstädte zum Vorbild geworden ist, gegen
alle vernünftige Erkenntnis und Akzeptanz
durch konzeptionslose Schritte in Frage gestellt
wird. Berlin kann es sich besonders in
Zeiten äußerster Finanznot nicht leisten,
100.000,- DM für fragwürdige, kontraproduktive
Provisorien zu verschleudern. Wir
wenden uns daher in gemeinsamer Verantwortung
mit der dringenden Forderung an
Sie, die Anordnung zur Einschränkung der
Kombibusspur zu überprüfen und rückgängig
machen. So lange Sie unsere hier zusammengefaßten
Argumente nicht überzeugend entkräften,
halten wir es jedenfalls nicht für vertretbar,
an der bewährten Kombibusspur derart
Grundlegendes zu ändern. Wir haben entsprechende
Anweisungen an unsere Tiefbauämter
gegeben.
Nachtrag: Wegen der besonderen öffentlichen
Bedeutung und des allgemeinen Interesses
geben wir dieses Schreiben als "Offenen
Brief an die betroffenen Institutionen und
Verbände sowie an die Medien.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Hiller,
in Vertretung für den Baustadtrat in Schöneberg
Uwe Szelag,
Baustadtrat in Wilmersdorf
Claus Dyckhoff,
Baustadtrat in Charlottenburg"
Die Überraschung und Verärgerung über
diesen couragierten Widerstand waren groß.
Folglich enthielt das Antwortschreiben, wieder
von Herrn Schmitt verfaßt, auch keine
Argumente, sondern handfeste Drohungen:
"Sehr geehrte Herren Bezirksstadträte,
Sie haben in Ihrem Schreiben vom 19.8.92 in
Aussicht gestellt, Ihre Tiefbauämter anzuweisen,
die straßenverkehrsbehördliche Anordnung
des Polizeipräsidenten in Berlin warn
29. Juni 1992 nicht auszuführen. Diese Äußerung
zwingt mich dazu, die Ihnen anscheinend
nicht hinreichend bekannte geltende
Rechtslage zu verdeutlichen: Gemäß § 45
Abs. 5 Straßenverkehrsordnung ist der Baulastträger
verpflichtet, entsprechend der Anordnung
der Straßenverkehrsbehörde Verkehrszeichen
zu beschaffen, anzubringen, zu
unterhalten und zu entfernen. In dem hier
angesprochenen Fall obliegt die Aufgabe der
Straßenbaulast Ihren Tießauämtern. Die erforderliche
straßenverkehrsbehördliche Anordnung
liegt Ihren Tiefbauämtem vor. Diese
Anordnung ist auch vollziehbar. Dies hat
eine Besprechung beim Polizeipräsidenten in
Berlin, an der auch Vertreter Ihrer Tiefbauämter
teilgenommen haben, bestätigt. Zusätzlicher
Regelpläne bedarf es nicht. Die Haushaltsmittel
zur Finanzierung dieser Vollzugsmaßnahme
werden zur Verfügung gestellt.
Entgegen Ihrer Annahme handelt es sich hierbei
um Unterhaltungsmittel.
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Foto: M. Lange |
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Taxis, so weit das Auge reicht. Die große Teilnahme von über 1.000 Taxifahrern an der Protestfahrt am 30. Semptember hat mit dazu beigetragen, daß Staatssekretär Ingo Schmitt die Demontage der Ku'damm-Busspuren bisher nicht realisieren könnte. Foto: M. Lange |
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Einer nochmaligen Erörterung der Gründe
für die straßenverkehrsbehördliche Anordnung
bedarf es nicht. Diese sind Ihnen hinreichend
bekannt. Eine solche Erörterung wäre
im übrigen auch für die Vollzugsverpflichtung
Ihrer Tießauämter ohne Relevanz. Ich gehe
davon aus, daß Sie davon absehen werden,
Ihre Tießauämter zu der rechtswidrigen Verhaltensweise
der Verweigerung der Ausführung
einer straßenverkehrsbehördlichen Anordnung
zu veranlassen. Ich bitte, mir bis
zum 28. August 1992 zu bestätigen, daß Ihre
Tießauämter unverzüglich mit dem Vollzug
der Anordnung beginnen werden. Vorsorglich
weise ich darauf hin, daß ich mich anderenfalls
gezwungen sehen werde, die Senatsverwaltung
für Inneres um Einleitung der erforderlichen
Maßnahmen der Bezirksaufsicht zu
bitten.
Mit freundlichem Gruß
In Vertretung
Ingo Schmitt
Staatssekretär"
Doch der gezückte Knüppel konnte die unartigen
Stadträte nicht beeindrucken. Vielmehr
erhielten Sie von vielen Seiten aufmunternde
und unterstützende Briefe, u.a.
auch von der IGEB. Und selbst die Taxifahrer,
deren konkurrierende Verbände sich in
der Vergangenheit mehr gegeneinander als
miteinander engagierten, wurden nun aktiv.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz der
Berliner Taxi-Vereinigung (BTV), des Verbandes
des Berliner Taxigewerbes (VBT),
des VCD, des BUND und des Berliner
Fahrgastverbandes IGEB erläuterten die
Baustadträte Anfang September ihre Position
noch einmal der Öffentlichkeit und unterstrichen
zusammen mit allen Vertretern
der Verbände ihre Gesprächsbereitschaft.
Da der Verkehrssenator sich jedoch weiterhin
verweigerte, riefen die BTV und der
VBT für die Mittagstunden des 30. September
zu einer Demonstrationsfahrt vom Ku'damm zum
Roten Rathaus auf, wo dem
Regierenden Bürgermeister eine Resolution
zum Erhalt der Busspuren in der bisherigen
Form übergeben wurde. An der Demonstration
mit über 1.000 Taxifahrern beteiligte
sich auch der Berliner Fahrgastverband
IGEB mit einem roten Doppeldecker und
unterstrich damit die Notwendigkeit der
Busspuren für die Fahrgäste. IGEB
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