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Während in vielen Privathaushalten zum Monatsende
das Geld knapp wird, werden die Berliner
Verwaltungen zum Jahresende von gegenteiligen
Sorgen geplagt: Millionenbeträge müssen
ausgegeben werden, damit sie nicht verfallen.
Hektisch wird viel Geld für viel zu teure
Maßnahmen ausgegeben. Oder es werden Leistungen,
entgegen der Landeshaushaltsordnung,
ins nächste Jahr übertragen, weil die Senatsverwaltungen,
die BVG oder die DR die Bauentwürfe
nicht rechtzeitig fertiggestellt und ausgeschrieben
haben. Dennoch kam es schon mehrfach zu
einem Verlust von großen, für den ÖPNV-Ausbau
bestimmten Beträgen, so z.B. in den Jahren
1987 und 1991. Daher hat die IGEB wiederholt
gefordert, für den Fall nicht ausgegebener oder
zusätzlich erhaltener Gelder "Schubladenprojekte"
zu erarbeiten. Dies können z.B. Aufzüge, einfache
Gleiserneuerungen, Ausrüstungen für
Gleichrichter-Unterwerke oder neue Signale sein,
aber auch komplette Bahnhöfe wie der seit 1987
versprochene, aber wegen Geldmangel immer
wieder verschobene S-Bf. Kolonnenstraße.
Auch 1993 wird es wieder knapp: Die insgesamt
29 Mio DM, die bisher für die Wiederinbetriebnahme
der S-Bahn von Schönholz nach Tegel
bereitgestellt wurden, drohen zu verfallen. Deshalb
hatte der Berliner Fahrgastverband IGEB am
4. September beim bewußt auf der Kremmener
Bahn veranstalteten S-Bahn-Tag noch einmal
nachdrücklich einen sofortigen Baubeginn gefordert.
Ein Blick in das Berliner Amtsblatt vom 15.
Oktober zeigt, daß es zwar nicht "sofort", aber
wenigstens "bald" losgeht. Von Januar bis März
1994 sollen die ersten Gleisbauarbeiten und Brückeninstandsetzungen
erfolgen. Eigentlich sollte
ja schon 1991, dann 1992, dann im Frühjahr 1993
und dann im Herbst 1993 begonnen werden ...
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Fernzug auf der Stadtbahn am S-Bf. Jannowitzbrücke. Entgegen bisherigen Planungen werden solche Fotos wohl auch in einem Jahr noch möglich sein. da die DR überlegt, bei der Stadtbahnsanierung u.a. die Gleismittenabstände zu vergrößern und feste Fahrbahnen, also schotterlosen Oberbau, einzubauen, könnte sich der Beginn der Arbeiten auf 1995 verschieben und sich die Dauer der Fernbahnsperrung zwischen Zoo und Hbf von zwei auf drei Jahre vergrößern. Das Projekt ICE 97 scheint damit geplatzt zu sein. Foto: Thomas Billik |
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Blättert man im o.g. Amtsblatt weiter, so entdeckt
man eine weitere überfällige Maßnahme: "Umbau
und Instandsetzung der Gewölbe, der Aufstellhallen
Ost und West und des Bahnhofes
Warschauer Brücke" sind dort ausgeschrieben,
also Bauarbeiten für die sehr wichtige Wiederinbetriebnahme
der U-Bahn-Linie 1 östlich des
heutigen Endbahnhofs Schlesisches Tor. Bei der
Angabe des Ausführungszeitraums ist die Senatsbauverwaltung
allerdings aus unerklärlichen
Gründen vorsichtig: "Etwaige Frist" Februar
1994 bis Februar 1995. Hat Bausenator Wolfgang
Nagel vielleicht doch zu viel versprochen,
als er vor nicht allzu langer Zeit vollmundig verkündete:
"Entgegen anderslautenden Pressemeldungen
wird die U-Bahn-Verbindung von Kreuzberg
nach Friedrichshain pünktlich zum Dezember
1995 fertig." (LPD, 1.9.93)
Weniger vorsichtig hat die Senatsbauverwaltung
den Ausführungszeitraum für Arbeiten auf der
Stadtbahn formuliert. Bekanntermaßen soll die
berühmte Viaduktstrecke innerhalb von zwei bis
drei Jahren grundlegend saniert werden. In dieser
Zeit gibt es zwischen Zoo und Hauptbahnhof
keinen Fernverkehr, während die S-Bahn zeitweise
auf die Fernbahngleise verschwenkt wird. Auf
dem "West-Berliner" Abschnitt hat die DR die
Senatsbauverwaltung mit den Arbeiten beauftragt, die
jetzt folgende Leistungen ausschrieb:
"Bau, Überlassung und Abbruch von fünf provisorischen
Signalauslegern für den S-Bahn-Betrieb
und von zwei Behelfsbahnsteigen für die S-Bahnhöfe
Tiergarten und Bellevue". Die Montage
soll von November '93 bis Februar '94, die
Demontage von Mai bis Juli '95 erfolgen. In der
Regel sind solche Angaben im Amtsblatt ein Indikator,
daß es nun wirklich bald "losgeht", weil
die planungsrechtlichen und finanziellen Hürden
genommen sind. Doch in diesem Fall ist nach
Informationen der IGEB nicht mit einem schnellen
Baubeginn zu rechnen, weil die DR überlegt,
das ganze Projekt Stadtbahnsanierung um ein
Jahr zu verschieben. In dieser Zeit soll geprüft
werden, ob bei der Sanierung vergrößerte Gleisabstände
und feste Fahrbahnen, also schotterloser
Oberbau, hergestellt werden können. Abgesehen
von der Frage nach dem Sinn einer solchen
"Betonorgie" wäre damit schon heute absehbar,
daß die Finanzplaner auch 1994 wieder Probleme
mit der Mittelausschöpfung haben werden.
Noch weitere Fragen drängen sich damit auf:
Warum soll es in Berlin auch im fünften Jahr nach
dem Mauerfall noch keinen Baubeginn für das
"Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 4". die
Schnellbahnverbindung Berlin - Hannover, geben?
Ist denn der Eröffnungstermin Mai 1997,
also in gut drei Jahren, überhaupt noch realistisch
bei einem Verzug von einem Jahr auf der Stadtbahn, aber
auch angesichts der Probleme mit der
Südumfahrung von Stendal (Klage anhängig)
und mit dem Trappenschutzgebiet (Trassenführung
noch unklar)? Immerhin: Die Zuggarnituren
"ICE 2" sind schon bestellt. In England und
Frankreich ist es umgekehrt: Der Kanaltunnel und
der neue Londoner Bahnhof Waterloo werden
1994 fertig, aber es fehlen noch die Züge ... IGEB
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