Besonders stark betroffen sind die neuen Bundesländer,
so allein fünf IR-Linien durch Brandenburg
und vier durch oder ab Berlin. Allerdings
könnten private Anbieter die Pläne der
DB AG durchkreuzen!
Mit den Zugstreichungen will DB Reise &
Touristik das Konzept „Marktorientiertes Reisezugangebot
(MORA)" umsetzen. Es soll die
Wirtschaftlichkeit des Personenverkehrs sichern
- und läuft auf einen Kahlschlag hinaus.
|
... leider nicht immer zum Besseren! Foto: Christian Schultz, Juli 2000 |
|
Im ersten Schritt plant die Bahn, bundesweit
16 Millionen Zugkilometer einzusparen,
in weiteren (vom Unternehmen bisher nicht
konkret angekündigten) Schritten bis zum
Jahr 2003 noch einmal 20 bis 25 Millionen
Zugkilometer. Damit würde fast ein Viertel
der gegenwärtigen Fernverkehrsleistungen
entfallen. Oder anders ausgedrückt: Außerhalb
des heutigen ICE-Netzes und einiger
noch auf ICE-Bedienung umzustellender IC- und
IR-Linien bliebe kaum etwas übrig!
Wie es in einer Mitarbeiter-Information
der DB AG heißt, gingen der Umsetzung von
MORA umfangreiche Markterhebungen
voraus, bei denen hoch defizitäre Züge ermittelt
wurden. Die Verluste aus schwach
besetzten Interregios beliefen sich auf einen
dreistelligen Millionenbetrag. Gestrafft werde
das Angebot dort, wo kein kostendeckender
Verkehr möglich sei.
Hans Leister, bisher Beauftragter der DB-Konzernleitung
für das Land Brandenburg,
erklärte gegenüber der Presse: „Die Deutsche
Bahn ist vom Gesetzgeber durch die
Bahnreform in die Pflicht genommen worden,
profitabel zu arbeiten. Dazu gehört,
daß wir unsere Wirtschaftlichkeit bis 2004
um 8,4 Milliarden Mark verbessern müssen."
Das bahninterne Papier dokumentiert den
„Planungsstand 28.9.2000". Es gibt Aufschluß
darüber, welche Linien zum Fahrplanwechsel
im Juni 2001 bundesweit von
„MORA" betroffen sind. Es enthält an mehreren
Stellen aber auch den Hinweis, daß
Detailplanungen noch mit den Ländern abzustimmen
sind.
Bei den Verkehrsministern stößt das
„marktorientierte Reisezugangebot" auf
Widerstand. Über die eine oder andere, nun
zur Disposition stehende Interregio-Linie ist
wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Für Aufsehen sorgten im Oktober
Meldungen, wonach private Transportunternehmen
bereit sind, Teile des Interregio-Netzes
zu übernehmen, so auch den Abschnitt
Berlin - Magdeburg. Die Gerüchteküche
brodelt. Doch immerhin teilte das Ministerium
für Wohnungswesen, Städtebau
und Verkehr in Sachsen-Anhalt in einer Presseerklärung
bereits mit, daß sich Minister
trgen Heyer am 15. November mit dem
Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Eisenbahngesellschaft
(DEG), Jean-Michel
Herrewyn, trifft. Die DEG gehört zur französischen
Connex-Gruppe, und eben diese ist
als möglicher Interregio-Anbieter im Gespräch!
|
Die IR-Linie 16 (Amsterdam - Hannover - Berlin) bleibt von den geplanten Einschränkungen beim IR-Verkehr zwar vorerst verschont, die Umstellung auf eine teure EC- bzw. ICE-Verbindung ist allerdings allerdings absehbar. Foto: Christian Schultz, August 1999 |
|
Wie auch immer: Die Deutsche Bahn AG
möchte jedenfalls, daß die Länder zum Ausgleich
für gestrichene Fernzüge bei ihr mehr
Nahverkehrszüge bestellen. Für einige Linien
weist sie in ihrer Mitarbeiter-Information
bereits auf Ersatzangebote hin, doch sind
diese nur zum Teil schon mit den regionalen
Aufgabenträgern (Landesregierungen,
Verkehrsverbünde, Zweckverbände etc.)
abgestimmt.
Die nach Ländern gegliederte Liste der
Bahn enthält Fehler und Widersprüchlichkeiten
(auch deshalb, weil sich das IR-Netz nun
einmal nicht an den Landesgrenzen orientiert).
So stimmen einige als „Ist-Zustand"
angegebene Zugzahlen nicht, und die Formulierungen
zum Weiterbetrieb oder Wegfall mancher
Linienabschnitte sind schwammig.
Folgende Liste der vom Konzept
„MORA" betroffenen Verbindungen - neben
IR-Linien auch Abschnitte von ICE- und
IC-Linien — stützt sich auf das Papier. Wir
haben sie jedoch um offenkundige Ungereimtheiten
bereinigt und neu geordnet.
Vorangestellt sind die betroffenen Linien
in Berlin und Brandenburg. Die weiteren
folgen entsprechend den von der DB AG
vergebenen Liniennummern länderübergreifend.
Lange Linien, die von der „Neuausrichtung
des Angebots" in unterschiedlichem
Maße betroffen sind, haben wir der
besseren Übersichtlichkeit halber in Abschnitte
unterteilt.
Eine gute Nachricht sei der „Streichliste"
vorangestellt: Zwischen Hamburg und Berlin
wird vom kommenden Sommer an ein
neues IR-Zugpaar über Uelzen - Salzwedel -
Stendal eingesetzt, auf einer zunächst nur
für den Regional- und Güterverkehr wieder
eröffneten Verbindung. Das ist immerhin
ein Lichtstrahl in der Finsternis...
Von „MORA" betroffene Linien
in Berlin und Brandenburg
IR 14 Norddeich/Wilhelmshaven -
Magdeburg - Berlin
Hier wird das Angebot auf ein tägliches
Zugpaar zwischen Norddeich Mole und Berlin
reduziert. Das bedeutet: Wilhelmshaven
ist überhaupt nicht mehr und Bremen nur
noch mit besagten IR-Paar (sowie einzelnen
ICE-Zügen) mit Berlin verbunden. Bislang
gibt es in der Relation Oldenburg - Bremen
- Berlin einen Zweistunden-Takt.
IR 14 Berlin - Cottbus - Görlitz
Dieser Abschnitt entfällt. Zwischen Berlin
und Cottbus sollen jedoch künftig stündlich
RE-Züge verkehren (bisher alternierend mit
den zweistündlichen Interregios).
IR 25 Zugpaar Berlin - Oberstdorf
Von dem offenbar zur Gänze auf der Streichliste
stehenden IR-Angebot der Linie 25
Hof - München - Oberstdorf ist auch das
von/nach Berlin verkehrende Zugpaar IR
2301/2300 „Göltzschtal" betroffen. Damit
entfiele die Direktverbindung zwischen Berlin
und dem Allgäu.
IR 34 (Warnemünde -) Rostock -
Berlin
Über die Angebotsgestaltung wird noch mit
dem Land Mecklenburg-Vorpommern gesprochen.
IR 34 Berlin - Chemnitz
Zwischen Berlin und Chemnitz wird die Zahl
der Zugpaare von fünf auf drei reduziert.
IR 36 (Binz -) Stralsund - Berlin
Der annähernde Zweistundentakt zwischen
Stralsund und Berlin wird aufgegeben.
Künftig verkehren nur noch zwei Zugpaare
zwischen Binz und Berlin, außerdem saisonale
Wochenendzüge. Zum Fortbestand der
IR-Verbindung Malmö - Stralsund - Berlin -
Leipzig schweigt sich das Papier aus.
IR 36 Berlin - Erfurt - Frankfurt
(Main)
Südlich Berlins bleibt es beim Zweistunden-Takt.
IR 39 (Lübeck -) Bad Kleinen -
Wittenberge - Halle - Dresden
|
Foto: IGEB |
|
Derzeit wird die IR-Linie 39 im Abschnitt Bad
Kleinen - Dresden im Zweistunden-Takt bedient.
Das „marktorientierte Reisezugangebot"
sieht zumindest vor, die Interregios
zwischen Lübeck und Stendal zu streichen
(ansonsten sind die Passagen zur IR-Linie 39
eher nebulös). Der brandenburgische Verkehrsminister
Hartmut Meyer erfuhr in Gesprächen
mit dem DB-Vorstand jedoch, daß
der durch die Prignitz über Wittenberge
führende Abschnitt Lübeck - Halle voraussichtlich
komplett entfällt.
Aufstockung des RE-Angebots
Im Zusammenhang mit den Fernzugstreichungen
weist die DB AG darauf hin, daß
sämtliche RE-Linien über Berlin Stadtbahn in
Zukunft mindestens im Stundentakt bedient
werden. Dadurch würden auch die Bahnhöfe
Berlin Friedrichstraße und Berlin Alexanderplatz
weiter aufgewertet. Auf Nachfrage
verdeutlichte die DB-Pressestelle, daß
dort statt bisher fünf künftig sechs RE-Züge
pro Stunde und Richtung halten (je einer auf
den Linien RE 2 bis 5 und zwei auf der halbstündlich
bedienten RE 1).
In die zur Zeit alle zwei Stunden bediente
Linie RE 3 Dessau - Berlin Stadtbahn -
Schwedt soll die bisherige RB-Linie 11 Beizig
- Berlin-Charlottenburg integriert werden.
Ab 10. Juni 2001 sollen die RE-Züge
von Beizig über Berlin stündlich alternierend
nach Schwedt und Stralsund verkehren.
Über ein Ersatzangebot für die Interregios
Berlin - Görlitz schweigt sich die DB AG freilich
aus - es ist auch keines geplant. Zwar
gibt es pro Stunde einen Regionalexpress
zwischen Berlin und Cottbus, Reisende nach
Görlitz aber müssen generell in Cottbus umsteigen.
Weitere von „MORA"
betroffene Linien
IC 1 und 7 Hamburg - Westerland
Von gegenwärtig insgesamt fünf ganzjährig
bis Westerland durchgebundenen IC-Paaren
verbleiben vier im Sommer und nur
noch zwei im Winter.
IC/ICE 1, 3 und 7 Hamburg - Kiel
Zur Zeit fahren hier etwa zweistündlich IC- oder
ICE-Züge. Das Papier verweist auf den
Stundentakt im Regionalverkehr und verspricht,
es werde auch künftig „durchgehende
Verbindungen von Kiel nach Berlin,
Köln, Stuttgart und Basel mit mehreren ICE- und
IC-Zugpaaren geben" - wie viele, läßt
es offen.
ICE-Paar 780/781
Bremen - Bremerhaven
Diese keiner Stammlinie zuzuordnenden Tagesrand-ICE
von Stuttgart bzw. nach Göttingen
werden zwischen Bremen und Bremerhaven
gestrichen.
IR 11 Hamburg - Rostock -
Stralsund (- Binz)
Das Angebot auf der noch annähernd zweistündlich
bedienten Linie schrumpft im Abschnitt
Rostock - Stralsund - Binz auf ein
einziges IR-Zugpaar (mit Durchlauf von/nach Hamburg).
Wieviele Interregios außerdem
künftig den Abschnitt Hamburg -
Schwerin - Rostock bedienen, geht aus dem
Papier nicht hervor.
Erhalten bleiben soll der zur Zeit in den IR-Takt
integrierte Intercity „Rügen", der das
Rheinland über Hamburg mit Binz verbindet.
IR 12 (Fredericia -) Flensburg -
Hamburg
Das Angebot am Wochenende wird reduziert
- aber: „Die durchgehende Verbindung
nach Jütland bleibt bestehen" (so wörtlich
in d em Papier).
IR 12 Hamburg - Hannover (-Göttingen)
Angebotseinschränkungen südlich von
Hamburg sind bisher nicht angekündigt.
IR 15 (Cuxhaven -) Bremerhaven -
Münster
Dieser Abschnitt entfällt. Reisende zwischen
Bremerhaven und Münster werden auf
stündliche Fahrmöglichkeiten mit SE- und
IC-Zügen (mit Umsteigen in Bremen) verwiesen.
IR 15 Münster - Koblenz - Trier
(- Luxemburg)
Zwischen Münster und Trier gibt es weiterhin
einen Zweistunden-Takt, drei Zugpaare
fahren täglich bis/ab Luxemburg.
IR 15 Trier - Saarbrücken
Dieser Abschnitt entfällt, denn „die Verbindung
kann durch Regio-Leistungen sichergestellt
werden".
IR 15 A Hamburg - Lübeck -
Puttgarden
Explizit hingewiesen wird auf den Wegfall
aller IR-Züge zwischen Hamburg und Lübeck,
da diese „ausschließlich Pendlerleistungen
im Nahverkehr erbringen". Zwischen
den beiden Hansestädten fahren
stündlich bzw. halbstündlich Regionalzüge.
Angaben zum saisonierten IR-Verkehr nach
Puttgarden hingegen fehlen.
IR 19 Hamburg - Frankfurt (Main) -
Karlsruhe
Hier bleibt es beim Zweistunden-Takt.
IR 19 Karlsruhe - Offenburg -
Konstanz
Die Schwarzwaldbahn wird nur noch mit
zwei IR-Paaren befahren.
IR 20 Aachen - Düsseldorf
Alle IR-Züge auf diesem Teilstück entfallen.
IR 20 Düsseldorf - Kassel - Erfurt -
Weimar
In diesem Abschnitt bleibt das Angebot unverändert
erhalten.
IR 20 Weimar - Gera - Chemnitz
Das „MORA"-Papier vermeldet: „Ersatzloser
Ausfall des einzigen Zugpaares pro Tag".
Gemeint ist das Zugpaar bis/ab Chemnitz.
Und was wird aus den derzeit noch in Gera
endenden bzw. beginnenden Zügen?
IR 21 (Frankfurt (Main) -)
Würzburg - Ingolstadt - München
Zwei der vier Zugpaare zwischen Würzburg
und München entfallen. Keine Angaben zur
Durchbindung von/nach Frankfurt (Main).
IR 22 Norddeich/Düsseldorf -
Hagen - Frankfurt (Main)
Das Angebot der bislang zwischen Hagen
und Frankfurt zweistündlich bedienten Linie
wird auf ein einziges Zugpaar zwischen
Norddeich Mole und Frankfurt reduziert, der
Ast Düsseldorf - Hagen also überhaupt
nicht mehr bedient.
Für den überwiegend hessischen Abschnitt
Siegen - Gießen - Frankfurt (Main)
stellt die DB AG als Ersatz sechs RE-Paare in
Aussicht.
IR 24 Erfurt - Suhl - Würzburg -
Stuttgart
Das einzige Zugpaar dieser Linie entfällt.
IR 25 (Berlin -) Hof - Regensburg -
München - Oberstdorf
Die vier Zugpaare zwischen Hof und Oberstdorf
einschließlich der Verbindung mit Berlin
(über Leipzig) entfallen. Offen läßt das
„MORA"-Konzept, ob es noch (wie einmal
in Aussicht gestellt) ein saisoniertes Angebot
München - Oberstdorf und weiterhin
das IR-Paar der Relation München -
Schwandorf - Prag gibt.
Für das nächste Jahr wird die mit ICE-TD
bediente ICE-Linie 17 Dresden - Hof - Bayreuth
- Nürnberg angekündigt. Reisenden
von Hof nach München empfiehlt die DB
AG, künftig die Neigetechnik-ICE bis Nürnberg
zu nutzen, und von dort mit „nach
Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke"
(Anm. der Redaktion: wann?) wesentlich
schnelleren ICE-Zügen bis München zu
fahren. Im übrigen wäre sowohl im Nordabschnitt
als auch im Südabschnitt der heutigen
IR-Linie 25 „ein Alternativangebot des
Regionalverkehrs vorstellbar" (aha...).
IR 26 Karlsruhe - Stuttgart - Ulm
Der Zweistunden-Takt wird in diesem Abschnitt
beibehalten.
IR 26 Ulm - Lindau
Sämtliche Interregios zum Bodensee entfallen,
auch die IR-Verbindung Trier/Saarbrükken
- Ulm - Innsbruck. „An ihre Stelle könnten
teilweise Regionalverkehre treten."
IR 27 Karlsruhe - Stuttgart -
Nürnberg
Die acht IR-Paare durch das Remstal über
Aalen bleiben erhalten, die zwei IR-Paare auf
der Murrbahn über Schwäbisch Hall-Hessental
entfallen.
IR 29 Saarbrücken - Mannheim -
(Frankfurt/Main)
Zwischen Saarbrücken und Mannheim wird
das Interregio-Angebot dieser Linie auf vier
Zugpaare gekürzt; zuzüglich einzelner, teils
nach/von Frankfurt durchgebundener Verstärkerzüge.
Den tagsüber zweistündlichen ICE-/EC-Verkehr,
verdichtet um einige Interregios,
bezeichnet die DB AG als nachfragegerecht.
IR 39 Lübeck - Schwerin -
Magdeburg - Halle
Diese Linie soll im Abschnitt Lübeck -
Schwerin - Stendal laut Mitarbeiter-Information
der DB AG eindeutig entfallen. Für
das Teilstück Stendal - Magdeburg findet
sich bei Sachsen-Anhalt nur der schwammige
Hinweis, daß es ebenfalls von MORA betroffen
ist. Ob das nun die völlige Einstellung
oder nur eine Angebotsausdünnung
bedeutet, bleibt offen. (Redaktionelle Anmerkung:
Sinnvoll wären Fernverkehrsanschlüsse
von/nach Stendal). Zur Disposition
steht offenbar jedoch der gesamte Abschnitt
Lübeck - Halle; siehe dazu oben unter
Brandenburg.
IR 39 Halle - Leipzig - Dresden
Dem Papier zufolge sind in Sachsen nur die
IR-Linien 14, 20 und 25 (siehe dort) von Angebotskürzungen
betroffen. Demnach bliebe
die Linie 39 zwischen Halle und Dresden
erhalten. Zu vor Monaten bekannt gewordenen
Überlegungen, die Linie 39 auf einem
noch festzulegenden Laufweg von Kiel bis
Prag durchzubinden, finden sich keine Angaben. IGEB,
Abteilung Fernverkehr
|