Dank der Initiative der Schweizer Botschaft
grüßte Basel Berlin mit seiner neuesten Straßenbahn.
Da ein Baseler Original aufgrund seiner
kleineren Spurweite (Meterspur) nicht einsetzbar
war, sprang ein Potsdamer Combino
als verkleidetes „Basler Trämli" ein. Das
zweite Mal übrigens, daß eine Potsdamer
Tram in Berlin zu Gast war, denn bereits im
Mai 1995 war ein frisch modernisierter Potsdamer
Tatra im Rahmen einer Kunstaktion
am Schlesischen Tor aufgestellt.
Man bedenke: andere Städte werben für
sich, indem sie ihre Straßenbahnen nach
Berlin schicken. Wann wird sich die selbsternannte
„Autohauptstadt" Berlin in derartiger
Weise zu „ihrer" Tram bekennen?
Die IGEB hat in der Vergangenheit schon
mehrfach die gravierenden Mängel des in
Berlin eingesetzten Typs Adtranz GT6N kritisiert.
Nun konnten „normale" Fahrgäste in
Berlin mit ihr fahren. Das kann zwar seit
1998 ein jeder machen, wenn er ins benachbarte
Potsdam fährt. Aber in dieser direkten
Form - Gleis an Gleis - war es bisher nicht
möglich.
Die Berliner Wagen sind von der Konstruktion
her die ältesten 100%-Niederflurwagen
der Welt, der Combino von Siemens
repräsentiert dagegen die neueste Generation.
Hier wurden einige grundlegende Fehler
des GT6N durch eine völlig andere Konzeption
vermieden.
Bei einer Beurteilung sind für den Fahrgast
vor allem die Punkte Einstieg, Sitzplätze,
(Fahr-)Geräusch und Laufgüte wichtig.
|
Foto: IGEB |
|
Beim Einstieg liegt der Combino mit der
größeren Anzahl Türen und Türspuren (daß
heißt, es können gleichzeitig mehr Menschen
die Türen passieren) vorn, aber die
letzte und die erste Tür sind leider nur einspurig.
Da aber gerade diese wegen der
Lage der Haltestellenzugänge besonders
intensiv benutzt werden, schneidet hier der
GT6N etwas besser ab. Dagegen weist der
Combino eindeutig die bessere Sitzqualität
auf: es gibt mehr Sitzplätze und diese sind
auch zu einem größeren Teil in Fahrtrichtung
angeordnet. Im Gegensatz zum GT6N
sind auch alle vorhandenen Sitze benutzbar
und dazu mit mehr Fußraum ausgestattet.
Beim Vergleich der Geräuschkulisse muß
fairerweise beachtet werden, daß die Berliner
Fahrzeuge schon etliche tausend Kilometer
auf - oder besser: unter - den Radreifen
haben, der Potsdamer „Basler" dagegen
fast fabrikneu hier ankam. Wer sich allerdings
in anderen Städten mit GT6 umgesehen
hat, weiß, daß dieser Typ wesentlich
leiser sein kann, nur Berlin kaufte Lärm. Fest
steht, daß die in den Berliner GT6N verbauten
Motoren und Getriebe zu den lautesten
überhaupt gehören und der Berliner Straßenbahn
mit ihrem kreissägenartigen Kreischen
beim Anfahren und Bremsen schweren
Image-Schaden zugefügt haben. Dazu
kommt noch das hohle Poltern und Klappern beim
Befahren von Weichen und Gleiskreuzungen.
Der Combino zeigt, wie Niederflurzüge
mit Drehstrom-Antrieb auch
fahren können: so leise, wie es einem umweltfreundlichen
Verkehrsmittel zusteht.
Der Laufgüte-Vergleich beider Wagen endet
unentschieden: der Combino läuft prinzipbedingt
stabiler geradeaus, der GT6 weicher
durch Kurven - dafür pendelt er bei der Kurveneinfahrt
stärker.
Sicherlich war der GT6N zum Zeitpunkt
der Erstbestellung der einzige marktreife
durchgehende Niederflurtyp. Bei einer entsprechenden
Festlegung in der Ausschreibung
gab es folglich keine Alternative. Warum
aber bei den zwischenzeitlichen Nachbestellungen
nichts besseres gekauft wurde,
wissen allein die Götter. Den Feinden der
Straßenbahn in Berlin wurde mit diesem
Fahrzeugtyp jedenfalls reichlich Munition
geliefert - und zwar 150 Stück. IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
|