Seit der Stillegung der Straßenbahnstrecke
nach Kirchmöser ist es still geworden um die
Straßenbahn in Brandenburg an der Havel.
Besorgniserregend still, denn wer sich den
Betrieb betrachtet, kann sich des Eindrucks
nicht erwehren, daß die 75.000 Einwohner
zählende Stadt den Patienten Straßenbahn
so geräuschlos wie möglich sterben lassen
will.
Der Fahrplan
Von dem zu DDR-Zeiten recht reichhaltigen
Fahrtenangebot ist nicht mehr viel übrig
geblieben. Es verkehren nur noch drei Linien
im 15-Minuten-Takt. Unerfreulich ist
die Situation am Wochenende mit einem
30-Minuten-Takt und 15 Minuten Wartezeit
am Hauptbahnhof, wenn man den
schnellen RegionalExpreß Richtung Potsdam
und Berlin erreichen will. Damit nicht
genug: Täglich endet der Einsatz der Straßenbahn
bereits kurz nach 20 Uhr und beginnt
an den Sonntagen sogar erst kurz vor
neun Uhr. In der übrigen Zeit darf man den
Nachtbus im Halbstundentakt nutzen und
teilweise Umwege fahren. Es scheint, daß
die Politik hier den Bus als Verkehrsmittel
der Zukunft betrachtet.
Die Fahrzeuge
Nach dem Kauf von vier Niederflurfahrzeugen
war die weitere Neubeschaffung der
Stadt zu teuer und das Unternehmen durfte
keine weiteren Bahnen bestellen. Es wurden
nun KT4D-Tatrawagen modernisiert und um
ein Niederflurmittelteil ergänzt. Die Modernisierung
fiel recht sparsam aus: Mängel treten
für den Fahrgast bereits deutlich zu Tage,
zum Beispiel die extrem langsam öffnenden
und schließenden Türen. Die Mittelteile sind
über einige Stufen zu erreichen und wirken
ziemlich eng.
Ein besonderes Geschenk bereiten die
Stadtwerke Brandenburg den Fahrgästen:
Eine der Bahnen ist mit einer Komplettwerbung
überzogen, verdunkelt den Wagen im
Inneren erheblich und ermöglicht nur begrenzt
den Blick nach draußen. Hier kann
nicht einmal das Argument der großen Werbeeinnahmen
gelten, denn es ist ja Eigenwerbung.
Die Infrastruktur
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Haltestelle am Hauptbahnhof auf niedrigstem Niveau. Während andere Städte im Land Brandenburg in den letzten Jahren die Bahnhofsumfelder ansprechend gestaltet haben, ist in Brandenburg an der Havel nichts getan worden Foto: Frank Böhnke (2001) |
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Einige Strecken wurden zwar saniert, unter
anderem im Rahmen von Brückensanierungen.
Doch wimmelt es im Netz von Langsamfahrstellen,
Begegnungsverboten und
anderen Einschränkungen. Anders als in
Potsdam erfolgte auch keine Komplettsanierung
der baulichen Anlagen. So sind viele
Haltestellen nicht behindertenfreundlich
umgebaut worden. Besonders ärgerlich und
mit bloßem Auge sichtbar ist dies am Hauptbahnhof.
Die Umsteigesituation zwischen
Straßenbahn und Eisenbahn ist aufgrund
der Trennwirkung durch die stark befahrene
Bundesstraße sehr ungünstig, die Bahnsteige
sind nicht an die Niederflurtechnik angepaßt
und bieten auch sonst keine großen
Annehmlichkeiten. Selbst die Unterstände
sind recht klein.
Es verwundert also nicht, wenn immer
mehr Leute der Brandenburger Straßenbahn
den Rücken kehren, und es scheint, als wäre
es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Politik
der Straßenbahn den Hahn zudreht. Daß
dies oftmals auf dem Rücken der Fahrgäste
und des Verkehrsbetriebs ausgetragen wird,
zeigt die Betriebseinstellung auf der Strecke
nach Kirchmöser, wo das Unternehmen
gegen die Einstellung war. Bleibt zu hoffen,
daß die politische Sacharbeit endlich wieder
Vorrang genießt vor persönlichen Grabenkämpfen,
wie sie in jüngster Zeit in der Stadt
Brandenburg ausgefochten wurden. Dies
würde auch die Gefahr fragwürdiger Sachentscheidungen
zuungunsten des ÖPNV
deutlich verringern.
Bahnkunden-Verband Potsdam-Mittelmark
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