Mit großem Aufwand hat der DB-Konzern
den Abschluss der Bauarbeiten an der Strecke
Hamburg—Berlin gefeiert. ICE- und Eurocity-Züge
fahren die 250 Kilometer lange Strecke
seit Dezember 2004 in anderthalb bis zwei
Stunden. Die eigentlichen Probleme im Hamburger
Bahnnetz sind auch nach der milliardenschweren
Investition geblieben: Engpässe
im Schienennetz für den stark anwachsenden
Güterverkehr im Hinterlandverkehr von und
zum größten Hafen Norddeutschlands.
Allein 2004 wurden im Hamburger Hafen
114,5 Millionen Tonnen umgeschlagen.
Hauptanteil hat der stark wachsende Containerverkehr,
der gegenüber 4,3 Mio TEU
(twenty-feet equivalent unit, entspricht
einem 20-Fuß-Container) im Jahr 2000 um
über 60 Prozent auf 7,0 Mio TEU gestiegen
ist. Großen Anteil hat vor allem der Handel
mit Ostasien und China, der traditionell
über Hamburgs Hafen abgewickelt wird. So
vermeldet es auch die „Hamburg Port Authority",
die jetzt aus der Zusammenlegung
der für die Hafenentwicklung zuständigen
Ämter Hamburgs entstanden ist.
Bahn unterdurchschnittlich
Im Containerverkehr wird derzeitig jeweils
ein Viertel von Feder-Schiffen der küstennahen
Schifffahrt, von Lkws im Fernverkehr
sowie Lkws im Nahverkehr rund um Hamburg
befördert. Auch der Anteil der Bahn im
stark boomenden Containerverkehr liegt bei
einem Viertel und ist damit im Vergleich zu
Massengütern weit unterdurchschnittlich.
Um diese Gütermengen auch künftig über
die Schiene abwickeln zu können, plant die
Hafengesellschaft umfangreiche Erweiterungen
der eigenen Rangierbahnhöfe und
Gleisanlagen.
Problematisch gestaltet sich hingegen das
Netz der DB für den Hinterlandverkehr. Die
vorhandenen Strecken Richtung Köln und
über Hannover Richtung Süden haben schon
heute kaum noch Kapazitäten für weitere
Züge. Hier machen sich u. a. auch die in den
letzten 20 Jahren stillgelegten, rückgebauten
und vernachlässigten „Heckenverbindungen",
also Nebenstrecken, bemerkbar,
zum Beispiel die Heidebahn Buchholz—Soltau,
das Sulinger Kreuz oder auch der Bahnknoten
Altenbeken.
Nadelöhr Elbbrücken
Auch Richtung Norden sind die Kapazitäten
besonders knapp: Die Züge müssen sich auf
dem Weg vom Hafen über die Elbbrücken
durch die Stadt die Strecken sowohl mit dem
dichten Personenverkehr aus Intercity- und
Regional-Zügen als auch mit den Transitgüterzügen
zwischen Südeuropa und Skandinavien
teilen, für die es in Norddeutschland
keine Strecken-Alternative zum Nadelöhr
Hamburger Elbbrücken gibt.
Weitere Behinderungen gibt es, weil
DB Netz die stark beanspruchten Strecken
im Hamburger Stadtgebiet grundlegend
sanieren muss. Dabei wird unter anderem
der Rückbau einer Vielzahl von Gütergleisen
im Bereich des aufgelassenen Hamburger
Hauptgüterbahnhofs vorangetrieben. Selbst
der 1976 eingerichtete zentrale Rangierbahnhof
Maschen wird von der DB zur Disposition
gestellt, da die DB die Güterzugbildung für
Wagenladungsverkehr in Norddeutschland
zukünftig nur noch im 150 Kilometer entfernten
Seelze bei Hannover vorsieht.
Konzentration auf Personen-Hochgeschwindigkeitsverkehr
Wenig bewirken werden die geplante
kreuzungsfreie Verknüpfung des Hafenbahn-Netzes
mit dem DB-Netz in Hamburg-Wilhelmsburg und die Elektrifizierung der
Strecke Hamburg—Lübeck. Es zeigt sich die
Kehrseite der DB-Strategie, angesichts der
scharfen Kürzungen im Bundesverkehrswegeplans
die Mittel traditionell auf wenige
Projekte für den Personen-Hochgeschwindigkeitsverkehr
zu konzentrieren, wenn sie
nicht schon für die Instandhaltung der überlasteten
vorhandenen Strecken wie Hamburg—Lüneburg—Hannover verwendet
werden müssen.
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Für die enormen Steigerungen im Güterverkehrsaufkommen reichen die heutigen Schienenwege von und nach Hamburg nicht mehr aus. Foto: Hafen Hamburg |
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Richtung Osten, dem eigentlichen Wachstumskorridor
im Hinterlandverkehr, tut sich
der Korridor in die Region Berlin-Brandenburg
als Engpass auf. Bedingt durch den
Hochgeschwindigkeitsverkehr stehen auf
der modernisierten Hauptstrecke zwischen
Hamburg und Berlin nicht mehr so viele Trassen
für Güterzüge zu Verfügung. Sie werden
zudem abschnittsweise auch für den Verkehr
Richtung Rostock benötigt. Eng wird es auch
in der Region Berlin, wo heutzutage Containerzüge
Richtung Polen bis zu 48 Stunden
benötigen, um in geeigneten Zeitfenstern
den Berliner Außenring passieren zu können.
Heckengüterzüge
Es rächt sich, dass seit der Wende 1990
nicht in die Güterstrecken über Maschen—Lüneburg
und die Elbquerung im Zuge der
Dömitzer Brücke zur Durchbindung an die
alte Brandenburger Städtebahn, die als weitere
Güterumgehungstrecke für den Berliner
Außenring dienen könnte, investiert worden
ist. Die Milliarden für die Ertüchtigung der
Bahn wanderten seit 1995 vor allem in die
aufwändig gebaute Nord-Süd-Querung mit
dem neuen Lehrter Bahnhof am neuen Regierungsviertel
in Berlins Tiergarten. Ähnlich
problematisch zeigt sich die Modernisierung
des Schienennetzes im Raum Halle/Leipzig
mit der geplanten Untertunnelung von
Leipzig. So erweist sich für die Container-Transporte
der verladenden Wirtschaft von
Hamburg Richtung Polen und Tschechien der
stauanfällige Lkw als zeitlich zuverlässigere
Alternative zur Schiene.
Containerverkehr boomt
Der Umschlag im Hamburger Hafen soll von
114.5 Millionen Tonnen 2004 bis 2015 auf
221.6 Millionen Tonnen jährlich gesteigert
werden. Hauptanteil hat der Containerverkehr,
der von 7,0 Mio TEU in 2004 bis 2015
um das 2,5-fache auf 18,1 Mio TEU steigen
soll. Das jedenfalls sieht der Hafenentwicklungsplan
vor, den die Hamburg Port Authority
jetzt vorgelegt hat. Ob das Wachstum
in der prognostizierten Höhe für Hamburgs
Hafen tatsächlich eintreffen wird, ist allerdings
umstritten.
Sanierung vertagt
Die Probleme der Engpässe im Schienennetz
werden von Bund und Ländern in Norddeutschland
nicht angegangen, wie allein
schon die immer wieder vertagte Sanierung
der Amerikalinie im Abschnitt Langwedel—Uelzen
und die Bündelung der Streckenüberwachung
des komplexen Netzes auf Hannover
zeigen. Ob mehr oder weniger Strecken
für Hochgeschwindigkeitszüge geschaffen
werden, interessiert nur die Bauwirtschaft.
Wie die Güter im Hinterlandverkehr zum
und vom Hafen transportiert werden sollen,
ist weder 2005 noch 2015 gelöst, wenn die
Küstenländer im System Schiene für die heutigen
Mengen nicht ausreichend Kapazitäten
finden können.
DBV Hamburg/Schleswig-Holstein
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