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IGEB: Die neue Bundesregierung will die Regionalisierungsmittel
drastisch kürzen. Ist das
noch abzuwenden? Wenn nicht, wird es dann
dramatische Einschnitte im brandenburgischen
Nahverkehr geben?
Klocksin: Bund und Länder haben mit der
Bahnreform 1994 eine Vereinbarung getroffen,
wonach der Bund die Länder mit den sogenannten
Regionalisierungsmitteln ausstattet,
damit die Länder den SPNV-Betrieb bestellen.
Das war und ist die Geschäftsgrundlage.
Das heißt: Regionalisierungsmittel sind keine
Subventionen, sondern sie sind die Grundausstattung,
um die Bahnreform in ihrem gedanklichen
Ansatz auch umsetzen zu können. Ich
gehe davon aus, dass das weiter Bestand hat.
Brandenburg bekommt derzeit etwa 400 Millionen
Euro im Jahr. Der Betrag steigt jedes Jahr
um 1,5 %. Für 2007 ist die nächste Evaluierung
vereinbart. Das sind die abgestimmten gesetzlichen
Rahmensetzungen für die Regionalisierungsmittel.
Mein Wunsch und mein Ziel ist es, dass
dieses auch so bleibt. Wir haben in Brandenburg
dazu eine klare Position: Wir halten die
Kürzungen für falsch - aus verkehrspolitischen
Gründen und aus umweltpolitischen Gründen.
Und diese Position wird von vielen Landesverbänden
der SPD geteilt. Wir haben gerade im
Kreis der ostdeutschen verkehrspolitischen
Sprecher zusammen gesessen und einhellig
die Auffassung vertreten, dass die Grundlagen
der Bahnreform nicht entzogen werden dürfen
und dass vor Veränderungen die Ergebnisse
der Evaluierung 2007 abzuwarten sind. Dann
muss auch diskutiert werden, wie künftig die
öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge, die
Sicherung der Mobilität auf der Schiene, durch
Bund und Länder wahrgenommen werden
kann.
IGEB: Sie haben Ihr Bürgerbüro in Teltow
und wohnen in Kleinmachnow, kennen also
hier die Verkehrsprobleme besonders gut.
Teltow/Kleinmachnow/Stahnsdorf ist ja eine
der wenigen Wachstumsregionen im Land
Brandenburg - welche Chancen geben Sie
den einzelnen sehr kontrovers diskutierten
Plänen für eine bessere Erschließung auf der
Schiene? Fangen wir mit der Stammbahn an:
Ausbau für den Regionalverkehr oder für den
S-Bahnverkehr?
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Die Regionalisierungsmittel sind keine Subventionen, betont Dr. Jens Klocksin, Verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag im Gespräch mit Christfried Tschepe und Florian Müller vom Berliner Fahrgastverband IGEB. Foto: Florian Müller |
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Klocksin: Als Anfang der 1990er Jahre das
Pilzkonzept für Berlin beschlossen wurde, war
die Stammbahn bereits enthalten, nicht als erster,
aber als weiterer Ausbauschritt. Es ging
dabei ja nicht um die Rekonstruktion einer historischen
Strecke, auch wenn es die erste in
Preußen war, sondern es ging der damaligen
Reichsbahn, aber auch dem Berliner Bezirk
Zehlendorf darum, das Angebot für die zunehmenden
Personenverkehre nach Berlin-Mitte
zu verbessern. Es gibt verschiedene Gutachten,
die nachgewiesen haben, dass eine Regionalbahn
auf der Trasse geführt werden kann und
neue Verkehre erschließt. Das ist - wie ich finde
- nach wie vor ein starkes Argument. Hinzu
kam, das war ein Argument der Bahn, dass mit
der Stammbahntrasse im Havariefall auch eine
Entlastung der Stadtbahn vorgenommen wird,
aber auch die Stadtbahntrasse als solche entlastet
wird. Das ist auch nach der Fertigstellung
des Nord-Süd-Tunnels noch ein berechtigtes
Argument.
IGEB: Der Berliner Senat geht davon aus, dass
es erst irgendwann nach 2015 Regionalverkehr
auf der Stammbahn gibt. Ist deshalb das Projekt
einer Zwischennutzung des Abschnitts
Zehlendorf—Düppel-Kleinmachnow durch
die S-Bahn sinnvoll oder gefährdet das die Regionalbahn?
Klocksin: Wenn man auf der Trasse der Stammbahn
zwischen Zehlendorf und Griebnitzsee
einen S-Bahn-Vorlaufbetrieb macht, wäre
damit ein Lückenschluss vorgenommen und
gleichzeitig Kleinmachnow sowie das kontinuierlich
wachsende Gewerbegebiet europarc
Dreilinden an das Schienennetz angebunden.
Allein ebay hat z.B. derzeit 2000 Beschäftigte,
von denen etwa die Hälfte aus Berlin kommt.
Vor diesem Hintergrund kann ich mir sehr gut
vorstellen, dass eine solche Zwischenlösung
eingerichtet wird. Allerdings nicht als Pendelverkehr
zwischen Griebnitzsee und Zehlendorf.
Man könnte die Verstärkerzüge der S 1, die in
Zehlendorf enden, über die Stammbahn nach
Griebnitzsee durchbinden, sozusagen als S 21-Vorläufer von Süden.
IGEB: Es gibt Pläne und Forderungen zur
Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach
Stahnsdorf und eventuell ganz langfristig
auf der ehemaligen Friedhofsbahn weiter bis
Wannsee. Welche Chancen geben Sie diesem
Projekt?
Klocksin: Als diese Region vor hundert Jahren
verkehrstechnisch überplant und der Teltowkanal
fertiggestellt wurde, war bereits eine
Trassenführung für eine S-Bahn von Wannsee
über Stahnsdorf und Teltow Richtung Lichterfelde
vorgesehen. Ich glaube, dass dieses
auch heute noch Sinn macht. Grundsätzlich
gilt: Man kann keinem sagen, jemand solle
sein Auto stehen lassen, wenn man keine
Alternative anbietet, wie der von A nach B
kommt. Die S-Bahn wäre eine sinnvolle Investition,
ist allerdings nur über einen längeren
Zeitraum zu realisieren. Es wurden 15 Jahre
gebraucht, bis Teltow angeschlossen war.
Ich hoffe, der nächste S-Bahnhof im Gewerbegebiet
Stahnsdorf wird schneller erreicht
sein, aber dann muss es durch die Ortslage
Stahnsdorf durchgehen. Diese Trasse ist zwar
weitgehend freigehalten, kann aber nur mit
Zustimmung und Unterstützung der Kommune
realisiert werden. Meine Unterstützung ist
da sicher.
IGEB: Was halten Sie von der Idee, bekanntlich
kein ganz neues Projekt, die Straßenbahn von
Potsdam nach Teltow zu verlängern?
Klocksin: Zuvorderst ist zu sagen, dass alle drei
Projekte, Regionalbahn, S-Bahn und Straßenbahn,
sowohl ihren Charme haben als auch ganz
unterschiedliche Fahrgastströme bedienen. Diese
Projekte sind deshalb auch nicht alternativ diskutierbar,
wie es hin und wieder geschieht. Der
Gedanke einer Straßenbahn von Teltow nach
Stahnsdorfstammtjaausden 1980er Jahren, als
im Raum Teltow 12.000 Arbeitsplätze im Bereich
der Mikroelektronik, der Elektronischen Bauelemente,
der Gerätereglertechnik existierten, so
dass täglich viele Arbeitskräfte von Potsdam aus
in die Region strömten. Wir haben auch heute
noch erhebliche Verkehrsströme zwischen
Teltow und Potsdam, aber nicht mehr in dem
Umfang, weil die Pendlerströme zunehmend
nach Berlin ausgerichtet sind. Gleichwohl ist
es sinnvoll, eine qualifizierte Verbindung nach
Potsdam zu bieten. Die ist mit dem letzten Fahrplanwechsel
mit den Buslinien 601, 602 und
zusätzlich dem X 1 als Expressbus durchaus verbessert
worden. Was das Projekt Straßenbahn
anbelangt, setzt das natürlich voraus, dass die
an der Trasse liegenden Kommunen diese auch
wollen. Aber weder die Stadt Teltow noch die
Gemeinde Stahnsdorf haben Interesse an dem
Projekt - und das muss man zur Kenntnis nehmen.
IGEB: Lassen Sie uns die Region wechseln.
Mehrfach untersucht und kontrovers diskutiert
wurde und wird die S-Bahn-Verlängerung von
Spandau nach Falkensee bzw. Finkenkrug. Wie
aussichtsreich ist dieses Projekt?
Klocksin: Da sprechen Sie die Grundsatzfrage
nach der Wiederherstellung der S-Bahnverkehre
an, die mit der Teilung 1961 eingestellt wurden.
Das gilt auch für die Verlängerungen nach Velten
und Rangsdorf. In jedem einzelnen Fall ist nach
der Wirtschaftlichkeit der Strecke zu fragen. Ich
habe große Sympathie dafür, die S-Bahn durchzubinden.
Gleichwohl muss man das sinnvoll
kombinieren mit Regionalbahnangeboten, die
auf der gleichen Strecke fahren. Aber das Land
Berlin hat wenig Interesse, solche Bestellungen
vorzunehmen. Das Land Brandenburg ist schon
heute in der Situation, die Durchbindung der
RB 10 nach Spandau bzw. Charlottenburg aus
dem Landeshaushalt zu finanzieren, also Verkehr
innerhalb Berlins. Diese unglückliche Situation
ist dem Status zweier konkurrierender Länder
geschuldet, die an der Stelle besser kooperieren
müssten, um die Metropolenregion Berlin-Brandenburg
tatsächlich mit Leben zu erfüllen.
IGEB: Eine weitere in den letzten Jahren strittige
Bahnstrecke war in Brandenburg die Städtebahn
Brandenburg—Beizig. Gibt es tatsächlich
für Verbindungen, die nicht auf Berlin zulaufen,
keine Chance, sie zu erhalten?
Klocksin: Wir haben bei der brandenburgischen
Städtebahn mehrere unterschiedliche
Abschnitte. Dazu zählt auch der Abschnitt
Rathenow—Brandenburg, der seit einigen Monaten
wieder unter Verkehr ist - durchsaniert
und durchaus mit hoher Attraktivität. Wir haben
den Abschnitt Brandenburg—Beizig, der
zu meinem großen Bedauern abbestellt wurde.
Das war die Entscheidung des Landkreises, der
hier keine Priorität sah. Das Land ist dem im Ergebnis
gefolgt. Wir haben außerdem noch den
Ast Jüterbog—Beelitz, der in der Rekonstruktion
ist. Bei allen Strecken gilt: Wenn sie angenommen
werden, haben sie eine Chance. Wir
werden in der Zukunft sicherlich noch mehr als
bisher darauf achten, wie stark die Inanspruchnahme
tatsächlich ist. Denn da wird man auch
Prioritäten setzen müssen. Beispielsweise sagt
das Land Sachsen: Fahrstrecken mit weniger
als 1000 Fahrgästen pro Tag werden auf die
Dauer nicht gehalten. Das will ich mir nicht zu
eigen machen, aber wir werden diese Diskussion
führen müssen. Wir haben ja eingangs über
die Regionalisierungsmittel gesprochen. Das
spielt dann unter Umständen eine Rolle, denn
das Land wird nicht im Stande sein, die möglicherweise
reduzierten Regionalisierungsmittel
aus dem eigenen Hauhalt zu kompensieren.
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