Im Januar hat Bundesverkehrsminister
Wolfgang Tiefensee ein vom Bundestag gefordertes
Gutachten zu Privatisierungsvarianten der
DB AG vorgelegt (www.bmvbs.de ).
Untersucht wurden fünf Modelle: der
integrierte Konzern, bei dem Netz und Fahrbetrieb
zusammen bleiben, das Trennungsmodell und
Mischmodelle. Das nimmt der Berliner
Fahrgastverband IGEB zum Anlass, noch einmal
seine Position zu verdeutlichen:
für die Trennung von Fahrweg und Fahrbetrieb.
Beim staatlich bleibenden Fahrweg
ist allerdings eine Aufteilung zwischen
nationalem Netz im Eigentum des Bundes und
regionalen Strecken im Eigentum der Bundesländer
durchaus vorstellbar.
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Trennung von Netz und Fahrbetrieb? Ein im Auftrag der Bundesregierung erstelltes Gutachten hat ermittelt, dass beim integrierten Modell (Netz und Fahrbetrieb) die Privatisierungserlöse des Bundes beim Verkauf der DB höher sind, als wenn nur der Fahrbetrieb privatisiert wird (Trennungsmodell). Aber die einmalig höhere Einnahme rechtfertigt in keiner Weise die Privatisierung des mit öffentlichen Geldern aufgebauten und für die Entwicklung Deutschlands wichtigen Schienennetzes. Eine so bedeutende Infrastruktur muss dauerhaft staatlich bleiben. Im Bild ein ICE in Nürnberg Hbf. Foto: Christian Schultz |
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Seit vielen Jahren ist es erklärtes Ziel sowohl
der deutschen als auch der europäischen Verkehrspolitik,
mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen und mit der Trennung von Fahrweg
und Fahrbetrieb bei den Eisenbahnen auch
die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger
untereinander anzugleichen.
Die deutsche Bahnreform der 1990er
Jahre hat die in sie gesetzten Hoffnungen
bislang allerdings nur sehr eingeschränkt
erfüllt. Das Ziel „Mehr Verkehr auf die Schiene"
wurde nur teilweise erreicht. Insbesondere
der Schienengüterverkehr hat in dem
schnell wachsenden Güterverkehrsmarkt an
Bedeutung verloren. Auch im Personenfernverkehr
kann die Bahn von den Zuwachsraten
des Flugverkehrs nur träumen. Lediglich
im staatlich bezuschussten Regionalverkehr
war die DB AG erfolgreich.
Investitionsrückstände
Das Verfehlen der verkehrspolitischen Ziele
liegt zum Teil sicherlich an den ungünstigen
Rahmenbedingungen, die die Bahn im Vergleich
zu anderen Verkehrsträgern benachteiligen.
Stark wettbewerbsverzerrend wirken
sich beispielsweise die Benachteiligung
der Bahn bei der Mehrwertsteuer und die
fehlende Kerosinsteuer für den Flugverkehr
aus, ferner die verspätete bzw. zu niedrige
Lkw-Maut und Lohn- und Sozial-Dumping
im Straßengüterverkehr, nunmehr noch
verstärkt durch die EU-Osterweiterung.
Daneben verhindern vielfach die historisch
bedingten Investitionsrückstände bei der
Schieneninfrastruktur höhere Geschwindigkeiten
bzw. kürzere Fahr- und Transportzeiten
im Vergleich zu dem in der Regel moderneren
Autobahn- und Bundesstraßennetz.
Diese Faktoren allein erklären die Stagnation
bei der Bahn allerdings nicht ausreichend.
Die faktisch marktbeherrschende
Deutsche Bahn kann ihren Marktanteil
gegenüber anderen Verkehrsträgern nur
sehr mühsam verteidigen geschweige denn
ausbauen. Folgende Zahlen zeigen die verkehrspolitische
Brisanz:
Anteile der Verkehrsbereiche an der Verkehrsleistung
in Deutschland (binnenländischer Güterverkehr ohne Nahgüterverkehr
- bis 50km)
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Verkehrsart | Jahr | Anteil |
Eisenbahngüterverkehr | 1994 | 20,2% |
Straßengüterverkehr | 1994 | 57,3% |
Eisenbahngüterverkehr | 2004 | 16,6% |
Straßengüterverkehr | 2004 | 68,1% (!) |
Funktionierender Wettbewerb
auf dem Schienennetz in Deutschland ?
Es ist weiterhin auffällig, dass der intramodale
Wettbewerb, den die Regierungskommission
Bahn im Jahr 1991 als zentralen Effizienztreiber
forderte, sich nur sehr schwerfällig entfaltet.
Auch im Jahr 12 nach der Bahnreform
ist die DB AG absolut marktbeherrschend.
Im Regional- und Güterverkehr beträgt der
Marktanteil rund 90 %, im Fernverkehr sogar
über 99 %. Seitens des DB-Vorstands wird immer
wieder behauptet, dass auf dem Schienennetz
mittlerweile ein reger Wettbewerb
herrsche, denn es nutzen schließlich rund
290 Eisenbahnunternehmen das Netz. Diese
Darstellung ist jedoch irreführend, weil sich
diese 290 Unternehmen einen Marktanteil
von lediglich rund 10% im Regional- bzw.
Güterverkehr teilen! Es muss dabei berücksichtigt
werden, dass hier u.a. auch Bahnunternehmen
mitgezählt werden, die schwerpunktmäßig
regionale Nischen bedienen,
die ihnen die DB überlässt - entweder aus
strategischem Desinteresse oder in Form von
Subaufträgen.
Besonders negativ wirkt sich die Monopolstellung
der Deutschen Bahn im Fernverkehr
aus. Ist das Angebot bezüglich des
Preis-Leistungs-Verhältnisses mangelhaft,
wandern Kunden zum Auto, Fernreisebus
oder Flugzeug ab und sind damit für den
Schienenverkehr verloren bzw. nur mühsam
wiederzugewinnen. Ein richtiger Wettbewerb
würde erst in dem Moment wirken,
wenn gleichartige Alternativen auf der
Schiene vorhanden wären.
Wahrt „Die Bahn" Kundeninteressen?
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Vorbild Schweden. Eine nationale Behörde ist Eigentümerin der Eisenbahninfrastruktur. Jedes Bahnunternehmen benötigt einen Schienenzugangsvertrag mit der Behörde. Das Bild zeigt den Hochgeschwindigkeitszug X2000 in Malmö. Foto: Christian Schultz |
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Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang
das Vorgehen der Deutschen Bahn bezüglich
der Fernverkehrskonzeption 2006 in
Berlin. Hier hat sich die DB AG einseitig von
der mit dem Bund und dem Senat von Berlin
abgestimmten Haltekonzeption des Pilzkonzeptes
verabschiedet. Dass man für die
Auslastung des künftigen Berliner Hauptbahnhofs-Lehrter
Bahnhofs Sorge trägt, ist
sicherlich verständlich. An dem großen Einzugspotenzial
der City-West bzw. dem Bahnhof
Zoologischer Garten, der hervorragend
in das innerstädtische Schnellbahn- und
Busnetz eingebunden ist, vorbeizufahren,
ist dagegen nicht nachvollziehbar.
Eine ähnlich mangelhafte Sensibilität
gegenüber den Kunden zeigte die DB AG
bundesweit im Fall der Unterlassung attraktivitätssteigernder
Maßnahmen beim Inter-Regio-Angebot. Nunmehr ist die Einstellung
auch der letzten IR-Linie zwischen Berlin
und Chemnitz geplant. Viele im Vergleich
zum ICE preisgünstigere Verbindungen und
wichtige Direktverbindungen u.a. in die
Urlaubsgebiete sind mit der Einstellung der
IR-Linien entfallen.
Gäbe es dagegen einen (oder gar mehrere)
ernsthafte Konkurrenten der DB im Fernverkehr,
der mit seinem Angebot und einem
günstigen Preissystem bzw. einfachen
Vertriebssystem Fahrgastzuwächse erzielte,
sähen manche Entscheidungen der DB AG
heute sicherlich anders aus.
Bezüglich des Bahnhofs Berlin Zoologischer
Garten bleibt abzuwarten, inwieweit
sich die Connex-Tochter Nord-Ostsee-Bahn
(NOB) mit ihren Plänen durchsetzen kann,
durchgehende Verbindungen in der Relation
Berlin—Hamburg—Westerland (Sylt) zu
schaffen und damit das benannte Potenzial
zu nutzen.
Der derzeitige Fokus auf die DB-Unternehmensbereiche
Personen- und Güterverkehr
hat des Weiteren zur Folge, dass sich Infrastrukturkapazitäten
und Investitionsschwerpunkte
im Wesentlichen an diesen Geschäftsbereichen
orientieren. Der Rückbau von Kapazitäten
bei der Schieneninfrastruktur, zum
Beispiel bei Verladeanlagen und Kreuzungsgleisen,
wird konzernintern entschieden,
ohne die Wettbewerber einzubinden.
Netzbetreiber muss unabhängig sein
Die ordnungspolitisch sauberste Lösung,
die auch die EU-Vorgaben umfassend erfüllt,
besteht in der Herauslösung der DB Netz AG
aus dem DB-Konzern. Das Eigentum an der
Schieneninfrastruktur muss dabei ungeteilt
beim Staat verbleiben. In Großbritannien
endete bekanntlich die Privatisierung des
Netzes über die Railtrack in einem Desaster
und wurde zwischenzeitlich entsprechend
korrigiert. Mit der Zuordnung der Verantwortung
für die Infrastrukturpolitik beim
Staat ist zudem eine analoge Regelung im
Vergleich zur Straße gewährleistet.
Mit einem unabhängigen Netzbetreiber
(vertikale Trennung)besteht die Möglichkeit,
die Trassenkapazität neutral und effizient zu
vermarkten. Ein unabhängiger Netzbetreiber
unterliegt auch keiner Konzernräson,
der Anreiz von Quersubventionierungen
ist gering. Die institutionelle Trennung von
Fahrweg und Fahrbetrieb schafft daher
die vergleichsweise günstigsten Rahmenbedingungen
für einen funktionierenden
Wettbewerb. Die derzeitige Situation kann
auch deshalb nicht zufrieden stellen, da jedes
private Bahnunternehmen gezwungen
ist, mit der Netz- und Energierechnung über
Konzernumlagen Beträge an ihren Konkurrenten
zu zahlen, der diese Mittel natürlich
entsprechend den eigenen Interessen einsetzt
- unter Umständen sogar gegen den
Wettbewerber.
Mit der Trennung von Netz und Fahrbetrieb
sind auch Änderungen bei der Erstellung
und Veröffentlichung der Fahrpläne
im Personen- und Güterverkehr verbunden.
Da die Kunden in der Regel keine Insellösungen
interessieren, muss für ein vernetztes
Informationsangebot Sorge getragen werden.
Diese Aufgabe kann sinnvollerweise
nur ein unabhängiger Netzbetreiber leisten,
da er über alle notwendigen Daten verfügt
und unternehmensneutral die
Fahrpläne konstruiert. Durch
die Veröffentlichung z.B. von
Bildfahrplänen können sich
alle Bahnunternehmen einen
Eindruck bezüglich der Kapazitätsausschöpfung
machen und die Lösung von Konfliktfällen
nachvollziehen. Die Herausgabe des Kursbuches
durch den DB-Unternehmensbereich
Personenverkehr hat in der Vergangenheit bereits
für unnötige Konflikte gesorgt,
sobald Zugverbindungen anderer
Anbieter aufgenommen werden sollten.
Vorbereitung der vertikalen Trennung
Grundsätzlich muss ein praktikables und
effizientes Anreizsystem für den künftigen
Netzbetreiber geschaffen werden, um die
Nachfrage zu stimulieren. Ein wesentliches
Augenmerk wird auch daraufgelegt werden
müssen, dass der Netzbetreiber tatsächlich
unabhängig bzw. unternehmensneutral
agiert.
Auch Entschädigungsregelungen sind
zwischen Netzbetreiber und Transportunternehmen
festzulegen. Derartige Haftungsregelungen
sind notwendig, z.B. für
den Fall, dass eine Trasse verspätet zur Verfügung
gestellt wird, oder wenn es durch
Qualitätsmängel im Bereich der Infrastrukt
u r Überschreitungen der Fahrzeit kommt
(Langsamfahrstellen). Dies gilt natürlich
auch im umgekehrten Fall, z.B. bei einem
schuldhaften Blockieren eines Streckenabschnitts
seitens eines einzelnen Transportunternehmens.
Dringend erforderlich sind zudem Festlegungen
bezüglich der Ausbaustandards der
Schieneninfrastruktur, z.B. Streckenkapazität,
zulässige Höchstgeschwindigkeit, Zugsicherungssysteme.
Der Netzbetreiber muss verpflichtet werden,
die Infrastruktur in der festgelegten
Qualität zu erhalten. Bei der Festlegung
dieser Standards müssen grundsätzlich alle
Transportunternehmen die Möglichkeit erhalten,
sich entsprechend zu äußern.
Weitergehende Lösungen
für die regionale Bahninfrastruktur
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Vorbild Schweden. Bereits 1988 wurde in Schweden die Trennung von Schieneninfrastruktur und Fahrbetrieb vorgenommen. Diese Reform hat sich seither bewährt. Im Bild ein Regionalzug der Privatbahn Tägkompaniet in Gävle nördlich von Stockholm. Foto: Florian Müller |
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Deutliche Effizienzsteigerungen können
im Fall der regionalen Schieneninfrastruktur
bzw. der Regionalnetze erzielt werden.
Hier kann die Übergabe der Verantwortung
an die jeweiligen Bundesländer Verbesserungen
schaffen. Die Entscheidungs- und
Finanzverantwortung in der Region verbunden
mit dem Wettbewerb ermöglicht
es, Schienenstrecken deutlich günstiger
zu unterhalten und auszubauen als bisher.
Gerade bei den Regionalnetzen liegen wesentliche
Rationalisierungspotenziale darin,
innovative und einfache Zugsicherungskonzepte
einzuführen.
Erfolgreiche Bahnreform in Schweden
In Schweden wurde bereits 1988 die Trennung
von Netz und Fahrbetrieb vollzogen.
Im heutigen Rahmen des schwedischen
Eisenbahnmarktes ist die nationale Behörde
Banverket Eigentümerin der staatlichen
Eisenbahninfrastruktur und unterhält diese
auch. Mit 80% aller Eisenbahnstrecken
macht dies Banverket zur größten Eisenbahninfrastruktureignerin.
Alle Teile des Schienennetzes wurden
zwischenzeitlich klassifiziert, wodurch für
jede Strecke definierte und veröffentlichte
Streckenstandards festliegen. Jedes Bahnunternehmen,
das das nationale schwedische
Schienennetz nutzen möchte, benötigt dazu
einen Schienenzugangsvertrag mit Banverket,
in dem Einzelheiten über die Art von Verkehr
und die Gleisstandards festgelegt sind.
Neben diesem Vertrag muss mit der Abteilung
Zugleitung/Zugsicherheit von Banverket
eine Vereinbarung über die Fahrplantrassen
(Slots) abgeschlossen werden.
Es hat sich in Schweden gezeigt, dass mit
den von mehreren neu entstandenen Anbietern
entwickelten Konzepten Transporte
von der Straße auf die Schiene verlagert werden
konnten. Das Beförderungsvolumen im
Personenverkehr stieg seit 1990, bezogen
auf Personenkilometer, um mehr als 40 %. IGEB Fernverkehr
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