Die Bundesregierung ist knapp bei Kasse. Da
sieht sie gern tatenlos weg, wenn die Deutsche
Bahn AG mit einem legalen Bilanztrick
unser Vermögen schlecht rechnet. Und
während CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis
90/Die Grünen brav betüfteln, ob sie unsere
Bahn mit oder ohne Schienen für wenig
Geld verscherbeln, spuckt der künftige Investor
schon mal in die Hände. Er weiß: Auch
trotz spärlicher Rendite kann er gut fahren,
wenn versteckte Werte den Kapitalwert, das
„Capital Employed", verringern.
Verstecktes Vermögen
Der Bilanzwert der gesamten DB AG liegt
laut Geschäftsbericht 2004 bei nur etwa
47 Milliarden Euro. Doch der Bund hat seit
1994 weitaus mehr an die Deutsche Bahn
gezahlt. Allein für Investitionen machte er
seitdem Jahr für Jahr zwischen 7 und 10 Milliarden
Euro locker - rund 90 Milliarden Euro
insgesamt. Die wurden seither allerdings
nur etwa zur Hälfte als Vermögen in der Bilanz
der Bahn aktiviert. Der Bilanztrick: Rund
40 Milliarden Euro an zinslosen Darlehen
und Baukostenzuschüssen sind als Anlagevermögen
zwar nicht in Wert gewachsen,
wären aber im „Total Capital Employed" zu
berücksichtigen.
Schöngerechnet
Der Wert der Bahn wurde schon mit der ersten
Bahnreform drastisch frisiert: Gerechnet
in Euro lag das Anlagevermögen der
Deutschen Bahn AG in der Eröffnungsbilanz
am 1. Januar 1994 bei rund 13 Milliarden
Euro. Nur einen Tag früher waren es noch
38 Milliarden Euro mehr! Da lag das Anlagevermögen
von Bundesbahn und Reichsbahn
zusammen bei rund 52 Milliarden Euro. Der
Bund übernahm die Schulden. Schienen,
Bahnhöfe und Züge waren dieselben wie
tags zuvor, doch nur noch ein Viertel wert!
Welchen Wert hat das Netz?
Den eigentlichen Wert, den Wiederbeschaffungswert
unserer Bahn insgesamt, beziffern
Fachleute heute mit 190 bis 220 Milliarden
Euro und den des Schienennetzes mit etwa
136 Milliarden Euro. Damit es wertvoll bleibt,
sind Schienen, Brücken, Tunnel, Stellwerke
oder Stromversorgungsanlagen regelmäßig
zu erhalten oder zu erneuern. Deshalb
wird bei solchen Anlagen meist eine längere
Haltbarkeitsdauer angesetzt. Bei durchschnittlich
33 Jahren Haltbarkeitsdauer läge
der Wertverlust bei etwa 3 % pro Jahr. Dementsprechend
sind Abschreibungen vom
Vermögenswert vorzunehmen.
Will ein Betrieb nicht an Leistungsfähigkeit
und Wert verlieren, dann muss er jedes Jahr
Gelder in Höhe der Abschreibungen erwirtschaften
und wieder in seine Anlagen stecken.
Im Falle des Bundesschienennetzes wären 3%
von 136 Milliarden rund 4 Milliarden Euro pro
Jahr. Mit einem Geldbetrag dieser Größenordnung
wäre der Löwenanteil bezahlt, um das
Netz der Bahn in Schuss zu halten.
Woher das Geld nehmen? Als Einnahmequelle
für das Netz dienen die Trassenentgelte,
die sich derzeit auf jährlich rund 3,6
bis 3,9 Milliarden Euro summieren.
Mehr Aufgaben für die Schiene
Infrastrukturen leistungsfähig zu halten, ist
der Kern einer erfolgreichen Volkswirtschaft.
Das gilt im Transportbereich für die Beförderung
von Personen und Gütern gleichermaßen,
künftig womöglich mehr für den Gütertransport.
Seeschiffe mit 10 000 Containern
an Bord sind heute keine Zukunftsmusik,
sondern fast schon Realität. Legt ein solcher
„Dampfer" in einem der Nordseehäfen an,
dann bedeutet dies entweder 10 000 Lkw-Fahrten
oder 100 bis 300 Güterzüge, um die
Schiffsfracht in Europa weiter zu verteilen.
Das Straßennetz scheint angesichts solcher
Frachtmengen ungeeignet zu sein, eine stetig
zunehmende Zahl an 40- bis 60-Tonnern
zu verkraften.
Desto mehr kommt dafür die Bahn in den
Blick. Nie war er so wertvoll wie heute: Der
alte Slogan „Güter gehören auf die Schiene"
ist wichtiger denn je, weil die von den Umweltverbänden
geforderte Trendumkehr zur
Verkehrsvermeidung offenbar nicht gegriffen
hat.
Nur das Netz in Staatshand?
Die steigenden Anforderungen des Güterverkehrs
sind neben der Finanzknappheit
des Bundes ein weiterer Auslöser für die Versuche,
unsere Bahn an private Investoren zu
verkaufen. Umfangreiche und teure Streckenausbauten
sind weiterhin erforderlich.
Heute mag es hier Finanzengpässe geben,
doch die Bahn in Privathand würde, um Kosten
zu sparen, auf Verschleiß gefahren. Dies
bestätigen Erfahrungen in anderen Ländern
hinreichend.
Viele meinen deshalb, das Netz soll staatlich
bleiben und alles, was rollt, gehört in
Privathand. Doch eine „DB Roll" wäre unter
den konkurrierenden Unternehmen
das mächtigste, das schon heute massiv
versucht, seine Interessen im Netz durchzusetzen.
Das Netz aber muss auch den
Anforderungen anderer nachkommen (Allgemeinwohlverpflichtung).
Schon heute ist
offenkundig: Oft ist die Schiene gegenüber
der Straße zu unflexibel, zu zeitaufwändig
und zu teuer. Gebraucht werden solide Lösungen.
Die Trennung von Netz und Betrieb
wäre nicht nur für den Schienengüterverkehr
eine Scheinlösung.
Personenverkehr in Privathand?
Würde gar der Personenverkehr an privates
Kapital veräußert, so hieße dies: Zugefahren
nur noch dort, wo es lohnt. Im Klartext wäre
zu befürchten, dass gut die Hälfte des heute
noch vorhanden Eisenbahnfernverkehrs
über kurz oder lang nicht mehr angeboten
wird. Die Folge: Die Bundesländer müssten
noch mehr Fernzüge durch Nahverkehrszüge
kompensieren. Dann reicht das Geld
weder hinten noch vorne für die eigentliche
Aufgabe, nämlich den öffentlichen Personennahverkehr
gediegen zu entwickeln.
Fazit: Börsengang stoppen!
Eine moderne Dienstleistungsgesellschaft
braucht eine leistungsfähige Infrastruktur.
Dabei nur die Verkehrswege selbst im Blick
zu haben, greift zu kurz. Erst das, was fährt,
ergibt den Nutzen und ist nicht minder
wichtig. Die Bahn ist in öffentlicher Hand
gut aufgehoben, es müssen nur Möglichkeiten
gefunden werden, damit effizienter zu
fahren. Bereits heute werden Nahverkehrsleistungen
ausgeschrieben. Dabei ist zu
beachten, dass Sozialabgaben nach Erbringerland
und Tariftreue die grundlegenden
Maßstäbe sind.
Bei der Deutschen Bahn ist dringend frischer
Wind vonnöten. Milliarden Euro an
Steuergeldern, die dort in jedem Falle auch
weiterhin in den geordneten Ausbau investiert
werden müssen, dürfen nicht benutzt
werden, um weltweit operierende Straßentransportunternehmen
zu akquirieren.
Bei solider Bilanzierung liegt der Wert der
Bahn weit über 100 Milliarden Euro. Ein solches
Volksvermögen mit einem läppischen
Erlös der Geldwirtschaft feil zu bieten, käme
einem Milliarden-Betrug an der Bevölkerung
gleich. Dorothee Menzner, MdB
Verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag
|