Vor einigen Wochen sah sich die DB AG gezwungen, die seit Fahrplanwechsel
am 24. Mai 1998 in den Regionalexpreßzügen (RE) der Linien RE 1 und RE 4
eingesetzten fabrikneuen Steuerwagen (RE 160-Fahrzeuge) aufgrund der
Ausrüstung mit nicht normgerechten Achsen sicherheitshalber für die
Fahrgastnutzung zu sperren. Auch wenn die Fahrzeuge inzwischen fast
komplett wieder zur Verfügung stehen, ist doch der aus dieser Panne
resultierende Ärger für den Fahrgast unvergessen. Wer als Bahnkunde
nämlich gehofft hatte, daß die DB AG etwa durch Stellung von
Ersatzzügen flexibel den Ausfall der Steuerwagen ausgleicht,
wurde schnell eines besseren belehrt.
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RegionalExpreß RE 1 nach Genthin im Ostbahnhof. Foto: Christian Schultz, 1998 |
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So glich die Benutzung eines RE-Zuges beispielsweise zwischen Fürstenwalde
und Berlin besonders im Berufsverkehr einem Stück aus dem Tollhaus: am
Bahnsteig Fürstenwalde begann mit Einfahrt des Zuges (zum Beispiel 6.10 Uhr)
vor den zwei für den Fahrgast noch nutzbaren Wagen ein heftiges Geschiebe
und Gedränge, da verständlicherweise jeder der Fahrgäste einen der knappen
Sitzplätze erhaschen wollte. Da - abgesehen von den Halten in Hangelsberg
und Fangschleuse - speziell in Erkner viele Fahrgäste zusteigen, lassen
sich die chaotischen Zustände leicht nachvollziehen. Immerhin wurde die 1.
Klasse für die zuschlagfreie Nutzung, zum Beispiel mit Umweltkarten,
freigegeben.
Trotzdem erschien der auf den Werbeplakaten im Zugangsbereich zur 1. Klassse
abgedruckte Spruch „Reisen wie auf Wolke 7" angesichts dieser
Beförderungsqualität als schlechter Witz.
In dieses Bild vom „Dienstleistungsunternehmen" DB AG paßt auch das Verhalten
zumindest eines Teils des Zugpersonals. So wurde ein Reisender vom
Zugbegleitpersonal in arroganter und völlig unangemessener Weise belehrt:
„Mit dem Lösen einer
Fahrkarte haben Sie Anspruch auf Beförderung, nicht auf einen Sitzplatz!".
Einmal mehr zeigt sich an diesem Fall, welche enormen Anstrengungen seitens
des Bahnmanagements noch unternommen werden müssen, um die Bahn zu einem
Dienstleistungsunternehmen zu entwickeln, das diese Bezeichnung auch verdient.
Falls dies nicht bald gelingt, dürfte eines Tages wohl weniger vom
„Unternehmen Zukunft", sondern eher vom „Unternehmen Vergangenheit" die
Rede sein.
Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang auch die Haltung der
Bundesländer Berlin und Brandenburg als Besteller von Nahverkehrsleistungen.
Während es in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz,
inzwischen Praxis ist, die Zuweisungen im Fall mangelhaft, im schlimmsten
Fall gar nicht erbrachter Leistungen zu kürzen, unterbleibt in der Region
Berlin/Brandenburg jegliche Reaktion . Gerade so, als wäre alles in bester
Ordnung. Insbesondere die Gefahr möglicher finanzieller Einbußen für den
Anbieter von Verkehrsleistungen gewährleistet jedoch immer noch am
ehesten die Einhaltung von Qualitätsstandards.
IGEB,
Abteilung Fernverkehr
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