Ein Stück Eisenbahnnostalgie, doch tatsächlich
für den Schülerverkehr genutzt:
Noch fahren zwischen Pritzwalk und Putlitz
die Uerdinger Schienenbusse durch die
Prignitz. Fünfmal am Tag verkehren montags
bis freitags die Züge durch die Region,
doch dem Eisenbahnverkehr droht hier zum
29. Juli 2016 das Ende.
Ausschreibung der Buslinien …
Die Begründung mag auf den ersten Blick
schwer verständlich sein. Anlass ist die
Auflösung der Verkehrsgesellschaft Prignitz
mbH (VGP), einer zu hundert Prozent
im Besitz des Landkreises Prignitz befindlichen,
aber dennoch privatrechtlich
organisierten Gesellschaft. Die VGP hält
die Liniengenehmigungen der (Bus)linien
im Kreis, vergibt aber alle Leistungen
an ortsansässige private Verkehrsunternehmen.
Mit diesem Konstrukt wollte der
Kreis seinen Einfluss auf die Angebotsgestaltung
geltend machen; heutigen EUNormen
genügt es allerdings nicht mehr.
Die EU-Verordnung (EG) 1370/2009 und
die folgende Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes
vom 1. Januar 2013
schränken die Möglichkeiten einer direkten
Vergabe des Verkehrs massiv ein. Der
Landkreis beschloss 2014, die VGP zum
31. Juli 2016 aufzulösen, und die Buskonzessionen
auszuschreiben. Die Konzessionen
haben zwei Busunternehmen aus
Sachsen und Sachsen-Anhalt erhalten, so
der Landkreis in einer Pressemitteilung
vom 22. Januar 2016.
… aber keine Vergabe des Schienenverkehrs
Seit 2007 wird auch der Schienenverkehr auf
der Strecke Pritzwalk—Putlitz vom Landkreis
aus Mitteln für den Schülerverkehr
bezahlt und von der VGP bestellt. Um den
Verkehr weiter bestellen zu können, hätte
der Landkreis diesen nach den Regularien
der EU ausschreiben müssen. Auf diese
Möglichkeit wurde verzichtet; Angaben zu
den Gründen sind nicht bekannt. Auch eine
Direktvergabe an klein- und mittelständische
Unternehmen wäre hier nach EU-Recht
prinzipiell möglich, da die Leistung 300 000
Zugkilometer im Jahr nicht übersteigt.
Schon häufig auf der Kippe
Einstellungspläne für die nicht sonderlich
frequentierte Bahn-Strecke gab es bereits
zu DDR-Zeiten. Doch ausgerechnet die herrschende
Mangelwirtschaft rettete sie über
die Jahre: Das Stichwort hieß Energiekrise.
Steigende Treibstoffpreise ließen die DDR-Verantwortlichen
in den 1980er Jahren mehr
auf die Bahn setzen. Die Stilllegungswellen,
die es auch bei der Deutschen Reichsbahn
bis in die 1970er Jahre gab, wurden weitgehend
gestoppt. Zwar musste der weiterführende
Abschnitt von Putlitz nach Suckow im
Jahr 1980 dran glauben, denn er stand der
neuen (Transit-)Autobahn von Berlin nach
Hamburg im Weg. Das Stück bis Putlitz aber
blieb in Betrieb.
Im Jahr 1992 glaubten wieder alle an das
Ende: Hochwasser zerstörte eine Brücke.
Doch wundersamerweise entschloss sich
die Deutsche Reichsbahn zum Wiederaufbau.
Das freilich schien auch nur ein kurzzeitiges
Aufflackern der letzten Lebenskräfte
zu sein. Die neugründete Deutsche
Bahn AG hatte keinerlei Interesse an der
Strecke.
Doch es nahte ein Retter: Thomas Becken
hieß er, ein Eisenbahner aus der Region. Kurzerhand
gründete er, zunächst mit drei Leuten,
eine eigene Bahngesellschaft, die Prignitzer
Eisenbahn (PEG). Im September 1996
übernahm die Gesellschaft mit gebrauchten
Bundesbahn-Schienenbussen den Verkehr
auf der Strecke, zunächst als Subunternehmer
von DB Regio.
|
Der Uerdinger Schienenbus des Putlitz-Pritzwalker Eisenbahnfördervereins (PPEFV) verkehrt montags bis freitags mit fünf Fahrtenpaaren zwischen Pritzwalk und Putlitz im Auftrag der (noch existierenden) Verkehrsgesellschaft Prignitz mbH (VGP) zum VBB-Tarif. Der Fahrplan ist am Schülerverkehr ausgerichtet. Foto: Florian Müller, 2014 |
|
Statt der nun für 1998 anberaumten Abbestellung
konnte die PEG erreichen, dass
das Land den Verkehr direkt bei ihr bestellte.
Doch Ende 2006 war damit Schluss. Anlass
bot die damalige Kürzung der Regionalisierungsmittel
im „Koch-Steinbrück-Paket“. Das
Land Brandenburg bestellte den Schienenpersonenverkehr
auf gleich fünf Strecken ab,
auch Pritzwalk—Putlitz war darunter.
Doch mit dem Trick über die Finanzierung
mit Schülerverkehrsmitteln ging es ein halbes
Jahr später weiter. Die VGP beauftragte
den Putlitz-Pritzwalker Eisenbahnförderverein
e. V. mit dem Betrieb, offizielles Eisenbahnverkehrsunternehmen
ist die HANSeatische
Eisenbahn GmbH.
Die Infrastruktur wird nun von der in
Putlitz ansässigen RegioInfra Nord-Ost betrieben,
die aus der PEG-Infrastruktursparte
hervorgegangen war. Beide Gesellschaften
sind Teil einer Holding, die von Thomas Becken
und einigen seiner Mitstreiter gegründet
wurde, die neue Herausforderungen
suchten, nachdem die PEG 2004 von der
italienischen Netinera übernommen wurde.
Die RegioInfra hatte 2007 in der Nähe
mehrerer Schulen den neuen Haltepunkt
Pritzwalk West eingerichtet, der auch
dem Schülerverkehr Richtung Meyenburg
dient.
Wie geht es nun weiter?
Im Moment zeichnet sich kein Weg ab, wie
der Bahnbetrieb ab Sommer weitergehen
könnte. Aber vielleicht gibt es doch eine
Lösung, die den Schienenverkehr am Leben
erhält und nicht zuletzt auch regionale Unternehmen
zum Zuge kommen lässt.
Wahrscheinlich ist ein kleines Wunder
nötig, damit der Bahnbetrieb noch weitergehen
kann. Aber Wunder, die den Weiterbetrieb
möglich gemacht haben, gab es an
dieser Strecke in den letzten Jahren ja schon
mehrfach … (kut/md)
Fahrplan der Strecke Pritzwalk—Putlitz:
www.hanseatische-eisenbahn.de
Berliner Fahrgastverband IGEB
|