Regionalverkehr

Was wird geändert?
Der neue Fahrplan für die Regionalbahn in Brandenburg

Der Fahrplanwechsel 1995/96 brachte für den Regionalverkehr Berlin/Brandenburg eine weitgehende Vertaktung sowie eine Zuordnung der Linien zu den DB-Produkten RegionalExpress (RE) und RegionalBahn (RB). Am 2. Juni tritt nun der Fahrplan 1996/97 in Kraft. Wieder stehen ein Reihe von Veränderungen an - teils deutliche Verbesserungen, aber auch weitere Schließungen von Strecken und Zugangsstellen. Die nachfolgende Übersicht stellt die wichtigsten Änderungen dar.


Deutscher Bahnkunden-Verband
Landesverband Brandenburg

1. Mai 1996

Der RE 1 - bis zur Inbetriebnahme der sanierten Berliner Stadtbahn in einen Ost- und einen Westast geteilt - wird zwischen Guben und Cottbus ohne Halt fahren und auf diesem Abschnitt durch die neue Regionalbahnlinie 49 im Stundentakt ergänzt werden.

Neustadt (Dosse) ist ein klassischer Verknüpfungspunkt im Rahmen eines Integralen Taktfahrplanes. Hier steigen die Fahrgäste von der Hauptbahn (künftige RE 2) in die Nebenbahnen nach Rathenow (RB 50) und Neuruppin (RB 53) - siehe Bild - sowie nach Pritzwalk (RB 73) um. Manko: Umsteiger müssen durch einen verwahrlosten Tunnel oder 300 m über eine Schranke und eine belebte Straße gehen. Umbauten sind erst 1997 zu erwarten. Foto: Stephan Müller
Der neue Fahrplan wird für den Bahnhof Meyenburg (Prignitz) kaum Änderungen bringen. Wie eh und je werden die Bahnkunden mit Uraltwagen und 50 km/h durch die Landschaft geschaukelt. Einer der Gründe: Zwei Kilometer hinter der Stadt besteht mit der Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern auch eine Grenze zwischen „SPNV-Bestellern“, die jeweils nur für ihr Gebiet planen und kaum überregional denken (wollen). Foto: Stephan Müller
Foto: Marc Heller
Völlig verwahrlost sind die Bahnhöfe Schönwalde (Kr Nauen) und Falkenhagen (Kr Nauen) auf dem Berliner Außenring. Mit dem Fahrplanwechsel am 2. Juni wird hier kein Zug mehr halten. Zwar liegen die Bahnhöfe abseits der Siedlungen, aber für Ausflügler aus dem nahen Berlin sind sie als Ausgangspunkt von Fuß- oder Radwanderungen gut geeignet. Foto: Marc Heller
Foto: Stefan Schnerr
RB 18 im Februar und im April 1996. Seit der internationalen Tourismus-Börse (ITB) im März werden tagsüber lokbespannte Züge eingesetzt, um für die zunehmende Zahl der Fahrgäste ausreichend Platz zu bieten. Diese Züge sollen ab dem Fahrplanwechsel im Juni fester Bestandteil des Bahnangebotes werden. Unverständlich ist aber, daß sie dann über Neustadt (Dosse) hinaus bis Kyritz verkehren sollen. Hier gibt es keinen Bedarf für mehr Kapazität. Vor allem aber entsteht durch die Verlängerung über den Knotenbahnhof Neustadt (Dosse) hinaus und die entsprechende Kürzung der RB 73 für Fahrgäste dieser Linie zwischen Pritzwalk und Neustadt (Dosse) ein zusätzlicher Umsteigezwang in Kyritz. Foto: Marc Heller
Absurdistan in Brandenburg 1996. Da die Deutsche Bahn AG in Nebenbahnen kaum Geld für die technische Sicherung investiert, muß der Triebwagen auf der RB 35 zwischen Beeskow und Fürstenwalde (Landkreis Oder-Spree) hier anhalten, damit die Zugbegleiterin aussteigen und mit einer roten Signalfahne (nachts mit einer roten Taschenlampe) den Autoverkehr stoppen kann. Foto: Stephan Müller
Dem Wunsch vieler Fahrgäste entsprechend wird die aus Dessau/Belzig kommende RB 11 über Berlin-Wannsee hinaus in die Berliner Innenstadt zum Bahnhof Berlin-Charlottenburg verlängert. Foto: Marc Heller
Zur Bundesgartenschau 1995 wurde der Cottbuser Bahnhof „Hauptbahnhof“ genannt. Erst ab dem Fahrplanwechsel wird er zu Recht so heißen, denn dann soll Cottbus-Willmersdorf endlich fertig sein. Foto: Marc Heller

Fahrgäste nach Stralsund können ihre Reise nun flexibler und interessanter planen: Alle Züge, sowohl der RE 2 ab Neustrelitz über Neubrandenburg als auch der RE 3 ab Angermünde über Prenzlau, werden jeweils zweistündlich in den hohen Norden weitergeführt. (Zwischen Pasewalk und Stralsund wird der RE allerdings zum Bummelzug!) Der RE 2 wird weiterhin zwischen Oranienburg und Neustrelitz von der RegionalBahn zum Stundentakt ergänzt. Diese hält auch am wiedereröffneten Bahnhof Dannenwalde. Neu ist die RE 3-Teillinie zwischen Schwedt (Oder) zum Berliner Hauptbahnhof.

Mehr schlecht als recht doktern die Regionalbahnplaner an den weiteren RE-Linien: Sechs von den acht Zugpaaren der RE 4 werden von Cottbus kommend über Potsdam-Pirschheide und Golm/Werder bis Potsdam Stadt weitergeführt. Damit wird das 1995 mit einem enormen Marketingaufwand gestartete Projekt RE4-Tram von DB und ViP schon wieder zu den Akten gelegt. Daß nach der Weiterführung nun zwischen Potsdam, Wünsdorf und dem Süden Brandenburgs mehr Fahrgäste einsteigen, ist aber eher unwahrscheinlich (siehe SIGNAL 2/96 ). Ein Lichtblick für den Süden des Landkreises Dahme-Spreewald, aber ein Kuhhandel angesichts der gleichzeitigen Bahneinstellung zwischen Lübben und Luckau ist der Halt des RE 4 in Uckro mit Busanschlüssen nach Luckau.

Auch zwischen Cottbus und Dresden birgt der neue Fahrplan zwar viel Neues, aber kaum Besseres: Die durchgehende RegionalExpreß-Linie verkehrt ab 2. Juni ausschließlich über Hoyerswerda und damit 28 Minuten langsamer als der direkte Weg über Senftenberg. Gut informierte Fahrgäste können allerdings in Ruhland zwischen dem RE 3 und dem "RECD" umsteigen.

Zu erkennen ist heute schon, daß sich um die Lausitz-Metropole Cottbus praktisch sternförmig ein Vorortverkehr herausbildet: Sechs jeweils zweistündliche RegionalBahn-Linien nach Lübbenau (Spreewald), Finsterwalde (Niederlausitz) - Falkenberg (Elster), Ruhland - Falkenberg (Elster), Senftenberg und Spremberg - Weißwasser sowie die stündlichen Linien nach Peitz und Forst (Lausitz) verbinden die Stadt mit ihrem Umland. Mit der ursprünglich schon für die gegenwärtige Fahrplanperiode geplanten Wiedereröffnung des Haltepunktes Willmersdorf erhält Cottbus zum Fahrplan 1996/97 eine zweite Zugangsstelle auf dem Stadtgebiet. Damit ist der 1995 anläßlich der Bundesgartenschau in Cottbus eingeführte Zusatz "Hauptbahnhof" endlich auch berechtigt.

Unverständlich ist auch in diesem Jahr der fortgesetzte schnelle Rückzug der Deutschen Bahn AG aus der brandenburgischen Fläche. Während z.B. in Sachsen und Sachsen-Anhalt kaum Verkehr eingestellt wird und ein Moratorium für die Schließung von Zugangsstellen besteht, um integrierte regionale Verkehrskonzepte auszuarbeiten, betreiben Landesregierung und DB in Brandenburg weiterhin den Kahlschlag. Auf Stecken mit insgesamt 141 km Linienlänge und 21 Zugangsstellen ist kein SPNV mehr bestellt worden: Sperenberg - Jüterbog, Frankfurt (Oder) - Küstrin-Kietz, Templin - Fürstenberg, Peitz - Grunow (Niederlausitz), Lübben - Luckau. Weitere 16 Zugangsstellen werden geschlossen, obwohl häufig gute Ortslagen oder ein touristisches Umfeld Potential erwarten lassen. Im einzelnen sind dies Vogelsang, Klein Mutz (RB 12), Falkenhagen, Schönwalde (RB 19), Leuenberg (RB 25), Lauchhammer Süd, Haida, Zeischa, Wahrenbrück (RB 44), Hohenofen (RB 50), DöberitzNord (RB 51), Linde (RB 54), Darsikow (RB 56), Schönermark (RB 66), Samow (RB 73) und Beyern (216). Bedarfsgerechtes Halten ist für die DB AG offensichtlich weiterhin ein Fremdwort.

Erste Anzeichen für weitere Bahneinstellungen kündigen sich schon jetzt an: Zwischen Wensickendorf und Liebenwalde fahren nur noch am Wochenende Züge, werktags erfolgt ein Buszubringer zum dann stündlichen Verkehr zwischen Wensickendorf und Berlin-Karow. Daß zwischen Forst (Lausitz) und Weißwasser die Landesgrenze zwischen Brandenburg und Sachsen verläuft, ist an der Einstellung des Wochenend Verkehres und verbleibenden vier werktäglichen Zugpaaren zu erkennen.

Auch auf der Direktverbindung RB 73 zwischen Pritzwalk und Neustadt (Dosse) haben die Fahrgäste das Nachsehen: Von Pritzwalk werden Dieseltriebwagen nach Kyritz verkehren, wo zur Weiterfahrt nach Neustadt (Dosse) in die bis Berlin-Westkreuz fahrenden Lok-Wagen-Züge umgestiegen werden muß. Damit wird die begrüßenswerte Entscheidung der Bahn, für den Pendlerverkehr zwischen Berlin und Nauen mehr Sitzplätze anzubieten, durch die Wahl von Kyritz - statt Neustadt (Dosse) - als End- und damit Umsteigepunkt getrübt. Fahrgäste von Pritzwalk nach Rathenow und Brandenburg (Havel) müssen nun in Kyritz und Neustadt (Dosse) und somit einmal mehr und kurz hintereinander umsteigen. Diese Verschlechterung ist vor dem Hintergrund zu betrachten, daß das "Zielnetz 2000" zwischen Pritzwalk und Kyritz gar keinen Zugverkehr mehr vorsieht.

Angebotseinschränkungen wird es zum Fahrplanwechsel auch im Berliner Umlandverkehr geben: Zwischen Flughafen Berlin-Schönefeld und Königs Wusterhausen bietet die RB 22 keine Direktverbindung mehr. Fahrgäste zwischen Potsdam und Königs Wusterhausen - Lübben - Lübbenau dürfen nun sowohl in Schönefeld, Altglienicke und Königs Wusterhausen mehrfach zwischen Regional- und S-Bahn umsteigen. Weniger schmerzhaft ist dagegen der Wegfall der RB 20 zwischen Potsdam-Pirschheide und Ludwigsfelde. Aufgrund der ungünstigen Bahnhofslagen wurde das Bahnangebot kaum angenommen. Nunmehr bietet ein direkter und häufiger Busverkehr zwischen den Zentren beider Städte eine bessere Alternative.

Erfreulich und langersehnt ist die Verlängerung der RB 11 von Dessau/Belzig kommend über Berlin-Wannsee im Stundentakt nach Berlin-Charlottenburg und damit in die Innenstadt.

Mit der (leider verspäteten) Fertigstellung des neuen Bahnsteiges für die RB 21 wird nun auch Griebnitzsee zum Regionalbahnhof und Endpunkt des stündlichen "Studentenexpresses" von Nauen bzw. Golm (siehe SIGNAL 1/96 ).

Quasi zur Vorort-S-Bahn mit einem ungefähren 20-Minuten-Takt wird die RB 24 zwischen Flughafen Berlin-Schönefeld und Wünsdorf. Fahrgäste nach Sperenberg müssen jetzt allerdings in Zossen umsteigen.

Im Regionalverkehr auf der Ostbahn (RB 26) wird es neben der zweistündlichen Verbindung Berlin - Küstrin-Kietz - Kostrzyn Verdichterzüge von Berlin-Lichtenberg nach Gusow geben, das nun im Stundentakt erreicht werden kann und von wo aus die neue Kreisstadt Seelow per Buszubringer angebunden wird.

Neu geordnet wird auch der Verkehr von Oranienburg nach Neuruppin (RB 56) und Rheinsberg (RB 54). Durch die jeweils zweistündliche Bedienung ergibt sich zwischen Oranienburg und Herzberg (Mark) ein Stundentakt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß ein weiterer Schritt zur Ausrichtung des Regionalverkehres auf das "Zielnetz 2000" vorgenommen wurde. Daß dieses Konzept allerdings in der ursprünglichen Form umgesetzt wird, scheint immer unwahrscheinlicher. Einerseits wurden mit der Einstellung des Abschnittes Flughafen Berlin-Schönefeld - Königs Wusterhausen und der Schließung von Zugangsstellen wie Lauchhammer Süd "Zielnetz"-Vorgaben nicht eingehalten, andererseits müssen neue Verkehre wie das Vorortnetz um Cottbus und der projektierte "Prignitz- Expreß" zwischen Berlin, Neuruppin und Wittenberge berücksichtigt werden.

Deutscher Bahnkunden-Verband
Landesverband Brandenburg

aus SIGNAL 3-04/1996 (Mai 1996), Seite 15-18