Der Bahnhofsvorsteher informiert:

DB AG expandiert ins Ausland – mit deutschem Steuergeld

Die Deutsche Bahn steigt erstmals in den britischen Schienenpersonenverkehr ein. Nachdem sie 2007 den britischen Schienengüterverkehrsdienstleiter EWS Rail gekauft hatte, erwarb sie im Januar 2008 mit der Laing Rail Ltd. gleich mehrere Beteiligungen an Eisenbahnverkehrsunternehmen im Personenverkehr...

Chiltern-Zug in England
Ein Chiltern-Zug in Kidderminster. Die Deutsche Bahn übernimmt vorbehaltlich der Genehmigungen durch Behörden und Gremien Laing Rail Ltd. Foto: public domain

Der Veräußerer, die John Laing, agiert in Großbritannien sowie auf internationaler Ebene als spezialisierter Eigentümer, Betreiber und Verwalter von Infrastrukturen der öffentlichen Hand. Schwerpunkte sind Erneuerungen und Modernisierungen von Eisenbahnen, Polizei-, Gesundheits-, Ver- und Entsorgungseinrichtungen, im Bildungs- und Verteidigungswesen sowie Bau, Unterhaltung und Beleuchtung von Straßen und Brücken.

Die Bahn geht einkaufen

Folgende Firmenbeteiligungen kommen nun, wenn es keine kartellrechtlichen Einwände gibt, zum DB-Konzern und werden bei DB Regio eingeordnet:

Die Chiltern Railways wird zu 100 % zur DB gehören. Es ist nach Konzernangaben das am schnellsten wachsende Eisenbahnverkehrsunternehmen in Großbritannien. Hauptbetätigungsfeld sind die Pendlerverkehre zwischen London und Birmingham, der zweitgrößten Stadt in Großbritannien, sowie zwischen London und Aylesbury. Der Jahresumsatz 2007 soll sich auf 160 Millionen Euro belaufen, erwirtschaftet mit rund 17 Millionen Fahrgästen.

Die John Laing hat seit Lizenzerhalt in Chiltern Railways bereits über 300 Millionen britische Pfund in neue Züge, neue Gleise, kürzere Zugabstände, umfassend modernisierte Bahnhöfe und weitere Verbesserungen für die Reisenden investiert. Das sind umgerechnet rund 400 Millionen Euro.

Die London Overground Rail Operations Ltd. (LOROL) ist ein Joint Venture, an dem neben der Laing Rail Ltd. auch die in Hongkong ansässige MTR Corporation (Mass Transit Railway) zu 50 % beteiligt ist. Die LOROL betreibt seit November 2007, zunächst über sieben Jahre bis Ende 2014, S?Bahn-ähnliche Verkehre im äußeren Londoner Stadtgebiet auf Bestellung der Stadt London. Anschließend besteht eine Option zur Verlängerung um zwei weitere Jahre. Für London stellt der Betrieb der London Overground einen ersten Schritt zur Realisierung eines S?Bahn-Rings um die britische Hauptstadt dar, für den nach DB-Angaben bereits weitreichende Investitionen geplant sind.

Im Frühjahr 2008 wird die Wrexham, Shropshire & Marylebone Railway Company Ltd. (WSMR) mit fünf Zugpaaren täglich als alleiniger Betreiber eine durchgehende Verbindung zwischen London und den walisischen Zentren Wrexham und Shropshire anbieten. Dies ist jedoch keine bestellte Verkehrsleistung, sondern muss eigenwirtschaftlich erfolgen. Das wirtschaftliche Risiko teilt sich die DB dabei zur Hälfte mit dem in Ellington (Cambridgeshire) ansässige Unternehmen Renaissance Trains, dem zweiten Beteiligungseigner an der WSMR.

Über den Gesamtkaufpreis ist zwar zwischen den beteiligten Unternehmen Stillschweigen vereinbart worden, jedoch ist Presseberichten zufolge ein von der DB AG unbestätigter Wert von etwa 170 Millionen Euro gezahlt worden – aus betriebswirtschaftlicher Sicht durchaus kein schlechter Preis. Ein komplett eigenständiger Neueinstieg der DB in den britischen Markt hätte ein Vielfaches gekostet und währe unkalkulierbar risikoreicher gewesen.

Was bringt´s dem Fahrgast?

Jetzt müssen nur noch Nahverkehrsunternehmen in Belgien und Frankreich erworben werden, um die Reisekette im DBRegionalverkehr zu komplettieren. Das würde die Möglichkeit eröffnen, mit einem Angebot ähnlich dem Schönen-Wochenende-Ticket von Berlin nach London zu fahren.

Im Ernst: Es mag sein, dass die Erschließung neuer Betätigungsfelder der Bahn zusätzliche Einnahmequellen und damit eine wirtschaftlich höhere Stabilität am Markt sichern kann, aber welchen Nutzen haben die Fahrgäste hier in Deutschland von der DB-Expansion? Oder anders gefragt: Ist ein 690-Millionen-Euro-Jahresgewinn von DB Regio (DB Geschäftsbericht 2006), zum größten Teil basierend auf Regionalisierungsmittelzahlungen des Bundes und somit von den Steuerzahlern erwirtschaftet, in Zeiten knapper Kassen politisch zu rechtfertigen, wenn die Deutsche Bahn mit dem Geld international auf Einkaufstour geht, während überall in Deutschland Leistungen und Service dezimiert und sogar schon die Zugzielanzeiger auf Regional- und S?Bahnhöfen eingespart werden?

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 1/2008 (Februar/März 2008), Seite 26

 

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