Im Einführungsvortrag des Straßenbahndirektors
ging es insbesondere um die Zukunft der
Straßenbahn. Die Eröffnung auf der Bernauer
Straße als zweite Straßenbahnstrecke in den
Westteil der Stadt sei auch ein Bekenntnis zur
Tram. Er hoffe, dass die Verlängerung
bis zum Hauptbahnhof 2010
fertig werde. Betrieblich konnten
unterschiedliche Erfahrungen
gemacht werden. Während die
Anlage von Linksabbiegespuren
zwischen den Gleisen keine Probleme
bereite, funktioniere die
Beschleunigung in Berlin noch
nicht optimal.
Neue Fahrzeuge
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Ein Incentro aus Nantes (Frankreich) von Bombardier auf Probefahrt in Berlin im April 2005. Auf diesem Fahrzeugtyp basiert die Bestellung der BVG für vier Vorserienfahrzeuge. Foto: Florian Müller |
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Zweites Zukunftsthema der Straßenbahn
sei die Beschaffung neuer
Fahrzeuge. In den Jahren 2010
bis 2017 laufe die Betriebsgenehmigung
für die Tatra-Fahrzeuge
aus, so dass Neufahrzeuge angeschafft
werden sollen. Die BVG hat
verbindlich vier Vorserienfahrzeuge
bei Bombardier bestellt, die auf
dem in Nantes (Frankreich) eingesetzten Typ
„Incentro“ basieren. Darüber hinaus besteht
eine Option für über 200 Fahrzeuge.
Die vier Vorserienfahrzeuge – Herr
Matschke legte Wert darauf, dass es keine
Prototypen seien – repräsentieren die vier
geplanten Fahrzeugarten, nämlich jeweils
eine Ein- und eine Zweirichtungsversion
mit 30 Metern Länge und ca. 180 Sitz- und
Stehplätzen sowie 40 Metern Länge und
ca. 240 Plätzen. Die Fahrzeugbreite beträgt
2,40 m, jedoch reicht dies nach Ansicht der
BVG nicht für eine 2+2-Bestuhlung aus. Von
Seiten der BVG ist vorgesehen, dass die T6T6
in Köpenick durch Niederflur-GT6 ersetzt
werden, während die neuen Fahrzeuge die
KT4D-Doppel ablösen sollen.
Sanierungsbedarf
Zur Zukunft des Bestandsnetzes sagte Herr
Matschke, dass 60 % nach der Wende grundsaniert
worden seien. Von den verbleibenden
40 % entfiele viel auf die Osttangente M 17,
deren Sanierung in den nächsten Jahren bevorstehe.
Zur sogenannten „Netzoptimierung“
verwies er auf die Entscheidung zur Erhaltung
der Linie 68 bis mindestens 2011. Durch
Einsparung einer Weiche werde allerdings
die alte Triebwagenhalle in Alt-Schmöckwitz
vom Netz abgekoppelt. Deshalb musste der
Denkmalpflegeverein mit seiner historischen
Fahrzeugsammlung inzwischen nach Niederschönhausen
umziehen.
Aktuell laufe eine Untersuchung der Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung zur M 1
nach Rosenthal. Hier müsse die Straße erneuert
werden und dabei werde überprüft, ob
sich die durch den Straßenbau notwendigen
Investitionen in die Tram noch lohnen. Kritischer
äußerte sich Herr Matschke zur Zukunft
der Strecken Friedrichshafen—Rahnsdorf
und durch das Industriegebiet an der Köpenicker
Chaussee (Linie 21). Nach Rahnsdorf
habe man nur 500 bis 1000 Fahrgäste pro Tag,
aber nach 2010 einen Investitionsbedarf von
ca. 14 Millionen Euro. Bei der Linie 21 werde
geprüft, diese an der Haltestelle Kosanke-
Siedlung enden zu lassen und ersatzweise
die Linie 37 zum Blockdammweg zu führen,
damit dieser Teil von Karlshorst eine bessere
Verbindung nach Lichtenberg habe.
Alte Schönhauser wird Betriebsstrecke
Die Strecke durch die Alte und Neue Schönhauser
Straße soll, obwohl mit der Eröffnung
der M 2 zum Alexanderplatz ab Mai 2007 der
planmäßige Linienverkehr wegfällt, erhalten
bleiben, so lange kein Sanierungsbedarf
ansteht. Angesichts der vielen Demonstrationen
auf dem Alex sei dies eine wichtige
Umfahrung, zumal unverständlicherweise
zum Teil wegen nur 50 Demonstranten auf
dem Alex der Straßenbahnverkehr mit zehntausenden
Fahrgästen zum Erliegen gebracht
wird, während in anderen Städten auch bei
Demonstrationen die Straßenbahntrassen
freigehalten werden.
Neben den Demonstrationen behindern
vor allem Falschparker den planmäßigen
Straßenbahnverkehr. Mit 250 Vorfällen im
Jahr hat die Strecke zum Kupfergraben die
meisten Behinderungen, gefolgt von der Alten
und Neuen Schönhauser Straße.
Positiv sind für die BVG die wirtschaftlichen
Ergebnisse der Straßenbahnbeschleunigung
mit 2,3 Millionen Euro Einsparung im Jahr.
Vom Publikum kam jedoch Kritik an vielen
nicht funktionierenden Ampelschaltungen
wie beispielsweise am Schloßplatz Köpenick
und an nicht ausreichend abmarkierten Gleisanlagen
wie beispielsweise vor dem Knoten
Eberswalder/ Danziger Straße.
Köpenicker Perspektiven
Intensiv diskutierten die etwa 50 Besucher
mit der BVG über Perspektiven des Köpenicker
Straßenbahnnetzes: Auf Nachfrage eines
Fahrgastes musste Herr Matschke zugeben,
dass auf der Linie 62 zwischen
Köpenick und Mahlsdorf im
Schülerverkehr teilweise Fahrgäste
zurückbleiben müssen,
weil die Bahnen zu voll seien.
Für den Berliner Fahrgastverband
IGEB ist es vollkommen
unverständlich, dass angesichts
solcher Zustände von Seiten des
BVG-Vorstands Stilllegungspläne
forciert werden. Angebotsausbau
statt Netzrückbau ist
hier die richtige Devise!
Angesprochen auf Verstärkerfahrten
zu den Freibädern
in Köpenick bei Badewetter
am Wochenende sagte Herr
Matschke, dass sich niemand
Wagen für E-Verkehr leisten
könne. Hier zeigte sich wieder
einmal, dass die BVG kein Konzept
für den Freizeitverkehr hat; denn an Wagen
mangelt es nicht, stehen diese doch am
Wochenende ungenutzt auf dem Köpenicker
Hof. Auch kam aus dem Publikum die berechtigte
Kritik, dass die BVG sich am Wochenende
den 10-Minuten-Takt auf der Strecke nach Adlershof
leiste, nicht jedoch auf der touristisch
viel bedeutenderen Linie 68. Hier verwies
Herr Matschke darauf, dass dies vom Aufgabenträger
so genehmigt sei. Aus IGEB-Sicht
muss dieses „Schwarzer-Peter-Spiel“ ein Ende
haben: Es kann nicht sein, dass die BVG ihre eigenen
Planungen mit der Genehmigung des
Senats rechtfertigt und die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung das ihrerseits erfolgte
kritiklose Abnicken damit begründet, dass es
sich um Planungen der BVG handele.
Insgesamt zeigte sich, dass die Straßenbahn
in Berlin vor einer entscheidenden Weichenstellung
steht. Wird sich die von BVG-Vorstand
Thomas Necker favorisierte Rückbaupolitik
der 1960er Jahre durchsetzen oder gelingt
es, dass Netz zu sichern und – entsprechend
dem sehr erfolgreichen Pilotprojekt Osloer
Straße/ Seestraße – auf fahrgaststarken Korridoren
in den Westteil auszubauen? Die IGEB
wird sich wegen der verkehrs- und umweltpolitischen
Vorteile aktiv für eine Renaissance
der Straßenbahn einsetzen und dabei auch
die vielen wohlwollenden Kräfte bei der BVG
und in der Politik unterstützen. IGEB Stadtverkehr
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